Proteste von KindergartenpädagogInnen: “Die Frage ist, was kommt als nächstes.”

Interview mit einer Kindergartenpädagogin bei einem großen Anbieter in Wien für Kinder- und Nachmittagsbetreuung.

Kannst du uns kurz deine Arbeitssituation schildern

Ich arbeite seit Mai in meiner Einrichtung, da fehlen konstant 1-2 Vollzeitkräfte. Die werden zwar hin und wieder durch eine Springerin ersetzt, aber die KollegInnen in den Gruppen wo Leute fehlen müssen Überstunden leisten um die Betreuung leisten zu können. Mit den Beschäftigten bzw. den Arbeitszeiten zu denen wir angestellt sind können nicht mal die Öffnungszeiten abgedeckt werden. Wir haben 21 Kinder, altersgemischt, in einer Gruppe mit einer VollzeitpädagogIn, einer VollzeitassistentIn und einer Teilzeitkraft. Das klingt jetzt ganz gut, aber die Assistentin muss auch Küchen- und Reinigungsaufgaben leisten, ist also oft nicht da. Und die Teilzeitkraft ist nur den halben Tag da – d.h. man ist oft alleine in der Gruppe. Man kommt also der pädagogischen Aufgabe gar nicht nach. Es gibt keine Möglichkeiten für Beobachtung, und dann daraus ableitend für Einzelangebote und Einzelförderung. Wir haben vier Stunden Vor- und Nachbereitungszeit (die TeilzeitkollegInnen sogar nur eine Stunde) und 30 Minuten Teambesprechung pro Woche, eine Stunde PädagogInnenbesprechung und alle zwei Wochen eine Stunde Teamsitzung. Für die Teambesprechungen reicht das, aber ich hätte gerne mehr zeit für Vor- und Nachbereitung. Wenn es wäre wie es sein sollte, wie es den Kindern zusteht, wenn wir die Zeit für Beobachten und Einzelangebote hätte, dann würde die Vor- und Nachbereitungszeit nicht reichen. Es ist bitter, aber jetzt reicht es halt, weil diese pädagogische Arbeit sich nicht ausgeht.

In der Ausbildung und auch von den Trägervereinen werden große Versprechungen für pädagogische Arbeit gemacht. Doch die werden nicht gehalten und das geht gar nicht!

Wie sollte es denn sein?

Wir brauchen einen besseren Personalschlüssel mit mindestens zwei Leuten in der Gruppe. Und zwar die ganze Zeit, nicht nur in Stoßzeiten. Ideal wären drei - man sagt sieben Kinder pro Pädagogin. Natürlich haben wir auch Kinder die integrative Betreuung bräuchten, aber da fehlen uns real die Leute dafür. Und die Bezahlung ist zu niedrig. Ich hab am Anfang weniger als 1300.- gekriegt, wir brauchen aber mindestens 1500.- netto als Einstiegsgehalt. Wir brauchen größere Räumlichkeiten und mehr Räume und größere Freiheiten bei der Raumgestaltung. Wir brauchen mehr Anerkennung, da läuft natürlich viel übers Geld. Aber es muss auch deutlicher gemacht werden, dass das eine so wichtige Arbeit ist, dass da die Grundlagen gelegt werden. Die ersten Jahre sind die prägenden, dort sollten die besten Leute sein, genügend Personal um den Kindern die beste Grundlage zu geben. Vielleicht sollten wir mehr rausgehen, in die Öffentlichkeit gehen, raus aus unserem kleinen Raum. Grad jetzt auch in der Flüchtlingskrise, da könnten wir Hilfsaktion machen, gemeinsam mit den Kindern. Weil es ist nötig unsere Arbeit transparenter zu machen. Es muss gezeigt werden, was wir machen, die Leute wissen oft nicht, was passiert zwischen Kommen und Abholen und dass das mehr ist als ein bisschen spielen.

Und wir brauchen auch mehr Urlaub. Im Vergleich zu anderen pädagogischen Berufen haben wir viel weniger Urlaub. In Niederösterreich haben die KollegInnen acht Wochen Urlaub, auch ein Grund warum viele dorthin gehen. Auch die Weiterbildung ist ein Thema, die wird von uns vorausgesetzt. Aber manche Kurse müssen wir uns selbst bezahlen. Obwohl der Arbeitgeber damit wirbt, dass wir uns ständig weiterbilden – die Weiterbildung sollte vom Arbeitgeber bezahlt werden.

Wir haben uns auf der Aktion der GPA-djp getroffen als sich die ElementarpädagogInnen der privaten Träger in Wien hinter dem Rathaus zu einem Protest getroffen waren. Wie fandest du die Aktion?

Es ist gut, dass was stattgefunden hat, dass hoffentlich auch was ins Rollen kommt. Es ist wichtig, dass die Leute aufmerksam werden. Aber schade ist, dass es so spät am Abend, um 17.30 beim Rathaus war. Da ist niemand dort, da kriegen es keine Eltern mit, das bringt nichts. Die Aktion hat niemanden gestört, es hat niemanden weh getan. Die Forderungen haben mir gefallen, die fand ich sehr gut. Da steh ich voll dahinter. Aber es ist ein bisi schade, dass so wenig Leute da waren. Ich hab von der Demo nur erfahren, weil im Personalraum ein Zettel lag, aber es wurde sonst nicht mobilisiert. Ohne den Zettel hätte ich es nicht mitbekommen. Gewerkschaft bzw. Betriebsrat hab ich nicht bei uns im Betrieb gesehen, die Leute vom Betriebsrat waren auch nicht bei Demo vertreten.

Für mich ist die Frage, was folgt als Nächstes? Es wurde nicht bekanntgegeben, was der nächste Schritt ist. Man hat seine Unterstützung gezeigt, aber ich hab keine Anregung bekommen, was ich tun kann.

Die Gewerkschaft hätte z.B. erklären sollen was die Rolle der Gewerkschaft ist. Es wurde aufgefordert beizutreten, das ist ja auch gut, aber es wurde nicht gesagt, was bringt das für mich, wenn ich eintrete. Ich hätte gerne Anhaltspunkte gehabt, was kann ich bei mir im Verein machen, wie kann ich mit Eltern darüber reden, sie anregen, dass sie auch was tun können. Weil wenn sich die „Kunden“, also die Eltern, beschweren funktioniert das oft besser als wenn es die Angestellten sind. Ich hätte auch gerne gewusst, wie man mehr Leute mobilisieren kann.

Einige KollegInnen haben auf der Aktion „Streik! Streik! Streik!“ gerufen, in Deutschland gab es ja vor einigen Monaten einen Streik unter den ElementarpädagogInnen - was meinst du dazu?

Der Streik in Deutschland war mal was Radikales, da wurde was getan und nicht nur geredet. Die Kindergärten waren zu, die Eltern mussten schauen, wohin mit den Kinder. Das hat zu Unmut geführt und der ist an die PolitikerInnen weitergeleitet worden. Auch wenn es die nicht betrifft, deren Kinder sind ja nicht betroffen. Den Worten müssen Taten folgen! Wie genau, da bin ich überfragt, daher geh ich ja zu Demos um eine Möglichkeit zu sehen, was ich tun kann. Die KollegInnen wären bereit zu streiken, alle bei mir in der Einrichtung. Der Streik in Deutschland hat mir gezeigt das es sich lohnt Mitglied in der Gewerkschaft zu sein. Hier in Österreich, da müsste von der Gewerkschaft was kommen, damit ich sehe, es tut sich was, was wird aktiv mit meinem Mitgliedsbeitrag gemacht. Da müssten Aktionen kommen die auch in der Öffentlichkeit zu sehen sind.

Was sagst du zu Forderungen wie Urabstimmungen oder Einbeziehung der Beschäftigten in die Entwicklung von Forderungen oder Betriebsgruppen?

Umfragen unter den Beschäftigten finde ich immer gut, v.a. wenn sie anonym sind. Da kommen Sachen raus, die sich die Leute sonst nicht so sagen trauen. Ich fände es auch gut, wenn es im Kindergartenbereich Sitzungen gäbe, wo die PädagogInnen und AssistentInnen mit dran teilnehmen, wo aus den Einrichtungen VertreterInnen der Beschäftigten eingeladen sind, wo sie Feedback geben, schildern was nötig ist etc. Jetzt läuft es ja immer über 1000 Ecken. Man geht zur Leitung, wenn man sich überhaupt traut, die geht dann zur nächsten Ebene und noch eine. Da verschwinden Details und da wird auch viel schöngeredet weil die Leitungen ja auch nicht schlecht dastehen wollen. KollegInnen, denen es wirklich ernst ist, denen was am Job liegt, die wären auch bereit sich an regelmäßigen Treffen, so einer Betriebsgruppe, zu beteiligen. 

Danke für das Gespräch