Natürliche Feinde?

Kapitalismus und Umwelt sind natürliche Feinde, Gewerkschaften und Umwelt sind es nicht.
Sonja Grusch

Bei den Auseinandersetzungen um die Kraftwerke in Zwentendorf und Hainburg, die 3. Piste am Flughafen Schwechat oder das Murkraftwerk wurde die Gewerkschaft ihrem Image als „Betonierer“ gerecht und unterstützte die Projekte. Das Argument waren Jobs.

Doch es gibt auch differenziertere Stimmen. Schon 1973 kam es zur Gründung des Umweltpolitischen Referats in der Arbeiterkammer und 1975 schaffte es Umweltschutz ins ÖGB-Programm. Seit den 1990ern gibt es eine verstärkte Zusammenarbeit mit NGOs, die auch zu gemeinsamen Stellungnahmen mit Klimaschutzforderungen führen, z.B. „Just Transition – Klimaschutz demokratisch gestalten“. Vor kurzem erklärte sich die „Daseinsgewerkschaft“ Younion solidarisch mit dem Klimastreik der Schüler*innen.

Gesellschaftliche Veränderungen spiegeln sich auch in den Gewerkschaften wider. Tatsächlich hat aber KEINE grundlegende Veränderung stattgefunden, sondern eine Anpassung an die Veränderungen auch in der Wirtschaft. Die Gewerkschaftsführung folgt weiterhin den kapitalistischen Notwendigkeiten. Das „Jobs gegen Umwelt“-Dilemma ist also nicht aufgehoben, sondern nur verschoben.

Jetzt setzt man stärker auf „Green Jobs“. Durch Umweltschutz sollen neue Bereiche in der Wirtschaft neue Jobs bringen. Es ist nichts falsch daran, sich dafür einzusetzen, dass man den Wald nicht abholzt sondern pflegt oder, dass Jobs durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Aber es reicht nicht! Die Gewerkschaft folgt ihrer Logik durch staatliche Lenkung und fette Förderungen, die Wirtschaft in die „richtige Richtung“ zu stupsen. Tatsächlich stimmt selbst aus kapitalistischer Sicht die Behauptung nicht, Umweltschutz würde Jobs vernichten. Vielmehr führen Umweltschutzauflagen – wie auch Arbeitszeitverkürzung – häufig zu Technologieschüben. Die Modernisierung bringt sogar Wettbewerbsvorteile. Auf diese Argumente setzen „modernere“ Gewerkschafter*innen und vergessen, dass auch ein moderner Kapitalismus auf schädlicher Konkurrenz, Planlosigkeit und Profitstreben und damit der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert.

Umweltschützer*innen kritisieren häufig die „Wachstumslogik“. Gewerkschaften haben das Ziel, die Lebensumstände der Beschäftigten zu verbessern. Dazu gehören v.a. ein höheres Einkommen und Jobs. Beides kann auf zwei Wegen erreicht werden: Die Wirtschaft wächst insgesamt und damit auch das Stück, dass die Beschäftigten bekommen, auch wenn die Verteilung gleich bleibt. Oder durch Umverteilung von oben nach unten. Letztere wird zwar gefordert, man akzeptiert deren Scheitern aber aufgrund „wirtschaftlicher Notwendigkeiten“. Bleibt also nur das Wirtschaftswachstum…

Um es ganz klar zu stellen: Als Sozialist*innen sind wir für eine Erhöhung des Lebensstandards der großen Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten. JedeR hat das Recht auf Arbeit, ordentlichen Wohnraum, ausreichend Nahrung und Kleidung sowie Kultur, Freizeit etc.. Eine solche gerechte Welt scheitert im Kapitalismus aber nicht nur an der ökologischen Unverträglichkeit, sondern v.a. an Ausbeutung und Konkurrenz. Die Antwort auf die Klimakrise ist nicht die Selbstbeschränkung jener Menschen, die ohnehin nicht viel haben, sondern die Beschränkung der Möglichkeiten, Mensch und Natur hemmungslos auszubeuten. Weil sich Unternehmen das aber nicht durch Gesetze nehmen lassen, sondern dann einfach in andere Teile der Welt auswandern, wo es keine solchen Regelungen gibt, kommt Klimaschutz nicht ohne Enteignung aus. Nur wenn die Energiekonzerne in öffentlicher Hand sind und von den Menschen selbst kontrolliert werden, ist eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien möglich. Nur wenn die Konzerne enteignet werden, können wir sicherstellen, dass sinnvolle, nachhaltige und langlebige Produkte erzeugt werden. Es geht um unsere Zukunft! Wir, das sind all jene, die nicht reich und mächtig sind, die keine Firmen, keinen Immobilienbesitz, keine großen Aktienpakete haben und die täglich zur Arbeit gehen müssen, um sich das Leben leisten zu können (und auch Jugendliche, deren Zukunft so aussieht). Nur wenn wir, also die Arbeiter*innenklasse, in Staat und Wirtschaft das Sagen haben, ist ein hoher Lebensstandard für Alle und Klimaschutz möglich.

All das gehört eigentlich zu den Kernaufgaben der Gewerkschaft. Wir brauchen für ein gutes Leben nicht nur Job und Einkommen. Wir brauchen einen guten Job, der uns nicht vergiftet oder kaputt macht und ohne stundenlanges Pendeln. Wir brauchen leistbaren Wohnraum und Arbeitszeitverkürzung, damit wir Freizeit und Reisen auch genießen können (dh wir nehmen mehr den Zug statt dem Flugzeug). Wir brauchen nicht weniger Wirtschaft oder Wachstum, sondern grundsätzlich Anderes (mehr im Sozialbereich, weniger Wegwerfprodukte z.B.). Das geht aber nur, wenn nicht einige wenige, sondern die Menschen selbst, die Arbeiter*innenbewegung – also auch die Gewerkschaften -  die Wirtschaft und Gesellschaft besitzen, verwalten und kontrollieren.

Den Widerspruch zwischen Jobs und Klima können Gewerkschaften also nur dann wirklich aufheben, wenn sie ihre Unterstützung des Kapitalismus fallen lassen und beginnen, gemeinsam mit einer echten Arbeiter*innenpartei, die Interessen der Mitglieder mit allen Konsequenzen zu verteidigen.

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