Metallbereich: Wenn ein fauler Kompromiss als Erfolg verkauft wird

Gerhard Ziegler und Sonja Grusch

Die Kolleg*innen waren streikbereit,
die Gewerkschaftsführung nicht

Manche werden sich nun fragen
ob sie nur als Statisten angekarrt wurden

Leere Worte, Leere Versprechen
von der Gewerkschaftsführung

Am Freitag den 4.11. stand fest: es gibt ein Verhandlungsergebnis im Metallbereich. Vorher war laut getönt worden von der Gewerkschaft, nun wird das Ergebnis als Erfolg verkauft. In den Foren gehen die Wogen hoch. Eine junge Kollegin schreibt “Mit 7,4% in der Metallindustrie auszuschließen nach dem üblichen Säbelrasseln der Gewerkschaft, anstatt weiter zu kämpfen und tatsächlich die geplanten Warnstreiks am Montag umzusetzen ist eine Niederlage. Unter der Inflation abzuschließen, während Unternehmen gerade in dem Bereich volle Auftragsbücher haben, bedeutet das einfach wir, Arbeiter*innen und Angestellte, real an Lohn VERLIEREN. Das ist inakzeptabel und zeigt das die Gewerkschaftsbürokratie nach wie vor an einer Sozialpartnerschaft festhält die nur Unternehmen hilft. Man hätte die Warnstreiks großartig mit der Demo für den SWÖ KV verbinden können (wo 15% gefordert werden) und gemeinsam eine Erhöhung in allen Bereichen erstreiken, anstatt aus Angst am Verhandlungstisch nachzugeben. Ich bin enttäuscht, es ist eine verpasste Chance, und wir zahlen dafür drauf.”  

Wütend macht der Abschluss selbst, dass er als Erfolg verkauft wird und das - wieder einmal - viel angekündigt und dann wenig gemacht und noch weniger erreicht wurde. All das ist ein Erfolgsrezept dafür, wie die Gewerkschaft Schritt für Schritt ihren Rückhalt in der Arbeiter*innenklasse verliert. Hatte man bei der Betriebsrätekonferenz noch korrekterweise erklärt, dass die Inflation ja in Wirklichkeit höher ist als die offizielle hat man sich nun an der offiziellen Inflation orientiert. Noch dazu an der Vergangenen und das obwohl die aktuelle und wohl auch künftige weit höher ist. Besonders jüngere Beschäftigte sind wütend, sie haben ohnehin schon schlechtere Verträge. Und noch schlechter wird es für künftige Kolleg*innen da nur Teile der Erhöhungen für sie gelten werden. Das bedeutet eine weitere Spaltung der Belegschaften und einen Lohndruck nach unten. Unklar ist, wie der gesamte Deal aussieht: die Unternehmen hatten massive Verschlechterungen bei der Arbeitszeit gefordert (siehe Berichte unten) - ob es hier zu Zugeständnissen von Seiten der Gewerkschaft gekommen ist ist unklar. Es ist nicht ausgeschlossen das es hier einen faulen Deal gibt, der aber im beidseitigen Einverständnis (noch) geheim bleibt.

Dramatische Auswirkungen kann der Deal auf andere Branchen haben, die sich an den Metaller*innen orientieren. Von “Solidarität” ist also wenig geblieben trotz der vollmundigen Reden. Noch bei der Betriebsrät*innenkonferenz am 2.11. hatte ein Kollege auf die hohen Gewinne auch bei z.B. der Voest hingewiesen. Viele haben sich mehr erhofft - weil es dringend nötig ist - aber gleichzeitig auch gesagt, dass sie sich nicht wirklich viel erwarten. Man kennt das Säbelrasseln der Gewerkschaft schon. Insofern werden viele enttäuscht, andere in ihrer Enttäuschung bestätigt worden sein. 

Aktivist*innen der ISA haben die Verhandlungen und die sich anbahnenden Streiks von Anfang an begleitet. Hier unser Flugblatt: https://www.slp.at/artikel/gemeinsam-k%C3%A4mpfen-macht-uns-st%C3%A4rker-keine-faulen-kompromisse-11033

Im folgenden geben wir Berichte über die Stationnen dieser Auseinandersetzung wieder, geschrieben jeweils nach den Versammlungen:

2.11. Noch eine Runde Betriebsrätekonferenz

Am 2.11. folgte die nächste Betriebsrätekonferenz. Über 2.000 waren aus ganz Österreich nach St. Pölten gekommen. Die Inszenierung war eigentlich wie immer bei solchen Events. Würstel für den Magen, eine - mehr oder weniger - feurige Rede vom Pro-Ge Vorsitzendem Wimmer, kaum Möglichkeiten für die Anwesenden mit zu reden und als zentrales Ziel “schöne Fotos” für die Medien. Wer schon vorher bei einer der Betriebsversammlungen oder Betriebsrätekonferenzen war hörte wenig Neues. Die Reden der Gewerkschaftsführung betonten immer wieder die absurden Forderungen der Industrie - wohl auch eine Strategie um dann ein doch nicht so gutes Ergebnis besser verkaufen zu können nach dem Motto “schau her was wir alles verhindert haben”. Viele der Anwesenden gehen von Warnstreiks aus und viele reagieren auf unsere Frage, warum diese nicht gemeinsam mit den z.B. am 8.11. stattfindenden Protesten im Sozialbereich stattfinden, positiv. Die Idee, das man doch eigentlich gemeinsam stärker wäre, finden viele gut. Zwar wurden für die Konferenz in St. Pölten Betriebsrät*innen aus anderen Branchen eingeladen, doch es fehlte der Raum und die Möglichkeit, sich wirklich zusammen zu tun, sich auszutauschen und über gemeinsame Aktionen zu reden. 

Die Erwartungen schwanken zwischen “wir wissen eh dass letztlich viel weniger rauskommen wird, ist ja immer so” und “die letzten Jahre haben wir uns eh zurückgehalten, das kann heuer nicht sein”. Klar ist: die Warnstreiks werden stattfinden, doch viel Möglichkeiten um diese Auszuweiten und mit anderen Zusammen zu bringen werden von der Gewerkschaftsführung ausgelassen.

20.10. Betriebsversammlung der größten Wiener Aufzugunternehmen, Schindler, Otis und TKE, Kampfbereitschaft war vorhanden!

Am 20.10. ab 6.30 früh trafen sich mehrere hundert Beschäftigte der größten Aufzugunternehmen Wiens in der Zentrale des ÖGB zu „Betriebsversammlungen“. Es gab Berichte über die Forderungen und Angebote der Unternehmensseite: das Angebot ist mit 4,1% eine Verhöhnung der Beschäftigten. Die Forderungen der Unternehmen (leichtere Kündigung von Beschäftigten, längere Arbeitszeiten, Kürzungen bei Zuschlägen etc) wurden zu Recht mit Empörung aufgenommen. Es folgte eine lange Rede von Pro-Ge Vorsitzendem Wimmer der die Hälfte dafür verwendete über die Teuerung an sich zu reden und das die Preise runter müssen. Eigentlich eine Wiederholung dessen, was die Gewerkschaft spätestens seit der Teuerungskonferenz im Juni sagt und alle schon mehrmals gehört haben. Eigentlich klang es wie eine Wahlkampfrede nach dem Motto „Wählt die SPÖ damit sie das für euch macht“. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. In der zweiten Hälfte gab Wimmer sich dann kämpferischer, sogar das Wort „Streik“ fiel. Hier gab es aus dem Publikum Zustimmung. Auf die Erklärung dass die Unternehmen diesmal nicht mal die „rollende Inflation“ gelten lassen würden rief ein Kollege „wir können auch rollend streiken“. Einstimmig wurde ein Streikbeschluss – für den 7.11. – gefällt. Die Rede einer Kollegin aus dem Sozialbereich von „Sozial aber nicht blöd“ erhielt viel Applaus – auch weil sie betonnte dass man doch gemeinsam Kämpfen sollte. Wimmer hatte zu Recht darauf hingewiesen, das gleichzeitig gerade im Handel, im Metallbereich, bei den Eisenbahnen und im Sozialbereich (und im Öffentlichen Dienst) verhandelt wird. Doch die Betriebsrätin aus dem Sozialbereich machte den Vorschlag, doch gemeinsam und nicht getrennt zu kämpfen! Diskussion war keine vorgesehen – was vielen nicht gefiel. In Grüppchen standen die Kolleg*innen noch lange zusammen. Diskutiert wurde warum die Forderungen nicht zuvor, in einer Betriebsrät*innenkonferenz gemeinsam erarbeitet worden waren. Mehrere Lehrlinge erklärten mit Blick auf kommende kommende Streiks das man diesmal „beide Fahrbahnen sperren soll“ (2021 wurde bei der Aktion auf der Triester Straße nur eine Fahrbahn gesperrt, während der Großteil des Berufsverkehrs ungehindert floß). Interesse – sogar bei einem Funktionär der Gewerkschaft – gab es an der ISA/SLP Streikbroschüre. Alle Zeichen stehen auf Streik. Es ist gut, dass hier Entschlossenheit gezeigt wird. Um den Streik aber erfolgreich zu machen muss umgehend mit der Vorbereitung begonnen werden und müssen alle Kolleg*innen eingebunden werden. Und letztlich ist es auch wichtig, dass die Beschäftigten selbst über ein Verhandlungsergebnis entscheiden, ob sie es annehmen oder ablehnen wollen.

14.10. Regionale Betriebsräte-Konferenz der Metaller*innen in Oberöstereich

Am Freitag, 14.10.2022 versammelten sich in der Kürnberghalle in Leonding über 600 Betriebsräte (BR) aus der Metallindustrie in Oberösterreich zu einer Betriebsräte-Konferenz. Aktivist*innen der ISA waren mit einem Infotisch dabei.

In ihren Einleitungsstatements bekräftigten VOEST-BR Schaller und der Vorsitzende der Pro-Ge (Produktionsgewerkschaft) Wimmer, dass sie trotz Widerstands von der Unternehmenseite von den 10 zentralen Forderungen bei den heurigen Kollektivvertrags(KV)-Verhandlungen nicht abgehen wollen. Neben einer Reihe rahmenrechtlicher Forderungen (u.a. 6. Urlaubswoche) geht es vor allem um eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 10,6 % (KV- und Ist-Löhne) sowie eine Anhebung der Lehrlingsentschädigung im 1. Lehrjahr auf € 1.000,--.

Tatsächlich steht das Metaller*innen-Verhandlungsteam bestehend aus Vertreter*innen der Gewerkschaften Pro-Ge für die Arbeiter*innen und Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) für die Angestellten dieses Jahr unter besonderem Druck. Hohen Unternehmensgewinnen in 2021 und im ersten Halbjahr 2022 stehen große Reallohnverluste der Beschäftigten gegenüber (Schätzungen sprechen von den zweitgrößten in der EU!). Seit mehr als einem Jahr steigt die Inflation Monat für Monat auf neue Höchstwerte (wir haben bereits die höchste Rate seit 70 Jahren (!) erreicht) und „immer mehr Menschen können sich die Güter des täglichen Lebens – wie Nahrung, Wohnen und Energie – nicht mehr leisten. Viele ArbeitnehmerInnen haben durch Kurzarbeit und entfallene Überstunden bereits Einkommensverluste erlitten und wegen der massiven Preissteigerungen ihre Ersparnisse schon lange verbraucht. Steigende Kreditzinsen werden die vorhandenen Probleme noch weiter verstärken.“ steht in der Präambel der auf der Konferenz einstimmig angenommenen Resolution. Auch eine Betriebsrätin der Firma MIBA bestätigte in ihrer Wortmeldung diese Tendenz und berichtete, dass dadurch eine ganze Reihe von Beschäftigten in ihrem Betrieb in finanzielle Probleme geschlittert sind.

Leider hat die Gewerkschaftsspitze keinen wirklichen Plan, um die ungewöhnlich hohen, aber notwendigen Forderungen durchzusetzen. Das gleiche Dilemma spiegeln auch die gut ein Dutzend Wortbeiträge von Betriebsrät*innen und Gewerkschaftsfunktionär*innen auf der Konferenz wider. Es kamen viele richtige Details zur sozialen Schieflage in Österreich (1 % der reichsten Österreicher*innen besitzt 50 % des Vermögens, Österreich an dritter Stelle bei der Millionärsdichte gemessen an der Einwohnerzahl, Steuer- und Abgabengeschenke an die Unternehmen trotz hoher Gewinne) aber auch von Drohungen von Unternehmerseite („wenn Sie zur BR-Konferenz fahren, wird das Konsequenzen haben“) bis hin zur richtigen Feststellung, dass „die rechten politischen Kräfte gestärkt werden, wenn es der Gewerkschaft nicht gelingt, die Arbeiterschaft vor der Teuerungswelle zu schützen.“ Aber es kam kein Wort zum „Wie weiter“, mit welcher Strategie die Forderungen gegen den Widerstand der Unternehmen durchgesetzt werden können und schon gar keine Vorbereitung auf notwendige Kampfmaßnahmen wie Streiks. Es wird auf Zeit gesetzt, denn insgeheim glimmt immer noch die Hoffnung auf ein Einlenken der Unternehmerseite.

Vorerst gibt es am 19./20. und 21.10. Betriebsversammlungen in den Betrieben der Metallindustrie und des Bergbaus, „um dort unsere Kolleginnen und Kollegen über den Verhandlungsstand zu informieren und gemeinsam mit ihnen die Durchsetzung unserer Forderungen vorzubereiten.“, wie es in der beschlossenen Resolution heißt.

Am darauf folgenden Montag (24.10.) gibt es eine weitere Verhandlungsrunde mit den Unternehmer-Vertreter*innen. Erst danach, am Mittwoch, 2.11., soll auf einer österreichweiten BR-Konferenz über Kampfmaßnahmen wie Streiks beraten und abgestimmt werden. Auf einer weiteren Zusammenkunft mit den Unternehmer-Vertreter*innen am 3.11. soll diesen nochmals eine letzte Chance zum Einlenken gegeben werden …

Wenn die Gewerkschaften bei den diesjährigen KV-Verhandlungen nicht wieder in gewohnter Sozialpartner-Routine verfallen und einen faulen Kompromiss schließen wollen, werden sie der Konfrontation mit der Unternehmerseite nicht ausweichen können. Dann müssen sie Streiks und weitere Kampfmaßnahmen organisieren.

Neben den Metaller*innen stehen auch die Eisenbahner*innen, die Beschäftigten im Sozialbereich, die Handelsangestellten und andere vor ähnlichen Auseinandersetzungen. Wir schlagen vor, keine weitere Zeit mit Zuwarten zu vergeuden. Auch soll nicht jede Branche für sich agieren, sondern diese Einzelaktionen sollen zu einem gemeinsamen Kampf aller Branchen zusammengeführt werden. So könnten die Kräfte gebündelt werden und die Erfolgschancen würden sich enorm erhöhen.

Denn, wie wir in unserem Flyer (Gemeinsam kämpfen macht uns stärker – Keine faulen Kompromisse), den wir auf der Konferenz verteilten, feststellen: „Wenn wir gemeinsam demonstrieren sind das Hunderttausende, wenn wir gemeinsam streiken steht das Land still. Entscheiden wir gemeinsam in einer Urabstimmung, welches Ergebnis wir annehmen – oder ablehnen. Wenn wir gemeinsam kämpfen macht uns das viel, viel stärker und so können wir echte Verbesserungen erreichen.“