Marxismus aktuell: Beamtentum – Repressionsapparat im Wandel der Zeit

Helga Schröder und Franz Neuhold

Eine Analyse des Öffentlichen Dienstes kommt nicht ohne Analyse des Staates aus. Dieser ist ein bürgerlich-kapitalistischer mit der Aufgabe, die herrschenden Eigentumsverhältnisse zu sichern und notfalls auch mit Gewalt zu verteidigen. Die Kernaufgabe des Staates ist daher v.a. die Schaffung eines rechtlichen Rahmens und die Durchsetzung seiner Einhaltung. Also alles, was im weitesten Sinn zum „Repressionsapparat“ gehört. Die Beschäftigten in diesem Bereich – die BeamtInnen – müssen wirtschaftlich und sozial (teilweise deutlich) über andere gestellt werden, um verlässliches Personal im Repressionsapparat zu haben.

Die Wurzeln des österreichischen ÖD liegen im 18. Jahrhundert in einem absolutistischen, also diktatorischen System. Gerne wird der Entstehung des Verwaltungsapparats unter Maria-Theresias Fortschrittlichkeit geschummelt. Doch Hauptmotivation war der Erhalt der eigenen Macht und Privilegien vor dem Hintergrund einer sich ändernden Wirtschaft. Beamte aus allen Teilen der Monarchie wurden eingebunden. Wesentliches Ergebnis war jedoch nicht Stärkung der benachteiligten Regionen, sondern Zentralisierung. Auch machten Maria-Theresia und in Folge Joseph II. die berühmten Schulreformen, um fähige regimetreue Beamte zu züchten und nicht, weil ihnen die Kinder leid taten.

„Die der bürgerlichen Gesellschaft eigentümliche Staatsgewalt entstand in der Epoche des Niedergangs des Absolutismus. Zwei Institutionen sind für diese Staatsmaschinerie besonders kennzeichnend: das Beamtentum und das stehende Heer.“ (W.I.Lenin, Staat und Revolution, 1917)

Die Struktur des ÖD und „der Beamte“ blieben auch nach Ende der Monarchie im nunmehr republikanischen Kapitalismus bestehen. In weiterer Folge glänzte die Bürokratie sowohl im Austro- als auch Nazi-Faschismus durch Anpassungsfähigkeit. Das beamtete Kleinbürgertum war eine wichtige Stütze. Auch nach 1945 halfen ebendiese, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse zu sichern.

Heute sieht der ÖD anders aus. Abgesehen von den obersten Schichten der Hoheitsverwaltung und den Organen der Zwangsgewalt ist eine „Proletarisierung“ mit politisch bedeutsamen Folgen festzustellen. Die ArbeiterInnenbewegung erkämpfte soziale und politische Verbesserungen und in Folge den „Sozialstaat“. Es entstanden im ÖD neue Tätigkeitsfelder, die die Bedürfnisse der arbeitenden Massen widerspiegelten. Eine moderne Gesellschaft braucht mehr als staatliche Repression, Steuerbehörden und Militärkasernen. Ebenso änderte sich die soziale Zusammensetzung der Beschäftigten.

Heute prägen die Widersprüche und Krisen des Kapitalismus auch den ÖD. Schon Ende der 1940er erfolgte die Einführung des Status „vertragsbedienstet“. Heute ist das Dienstrecht der BeamtInnen weitgehend an das der Vertragsbediensteten angeglichen, ein gewaltiger Teil des ÖD privatisiert oder ausgegliedert und BeamtInnen bilden nur einen (Rest)teil des ÖD. „Beamtentum“ war früher also etwas anderes als heute. Die erforderliche Zuverlässigkeit lässt sich in den Randbereichen wie in der Privatwirtschaft durch Angst vor Arbeitsplatzverlust erreichen. Nur mehr im Kern des Repressionsapparates (RichterInnen, StaatsanwältInnen, Militärischer Dienst, Exekutivdienst der Polizei) sind ausschließlich BeamtInnen beschäftigt.

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