Marx aktuell: Kandidieren als Schritt zu einer neuen ArbeiterInnenpartei

Tilman M. Ruster

„Warum tut ihr Linken euch nicht einfach zusammen, da könnt ihr doch mehr erreichen!“ werden wir oft gefragt. Ja, das Kapital hat viele Parteien, wir haben keine. In diesem Sinne tritt die SLP seit Jahren in jeder sozialen Bewegung und in ihrem Material für den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei ein. Eine solche wäre zentral für effektiven Widerstand gegen Rassismus und Sozialabbau. JEDE Initiative, die einen Schritt in dieser Richtung darstellt, unterstützen wir. Doch was braucht es, damit es ein Schritt in diese Richtung ist? Die Bürgerlichen bezeichnen Politik, die ihren Interessen folgt, gerne als „Sachzwänge“. Sie drohen, dass, wer sich der Logik von Bankenrettung und Sparpaketen widersetzt, alles in den Abgrund stürze. Wer, wie zuletzt Tsipras, keine Systemalternative vor Augen hat, wird der Logik der Herrschenden irgendwann nachgeben. Appelle oder gute Argumente überzeugen die Herrschenden nicht. Im Rahmen ihres kapitalistischen Systems ist ihr (neoliberales) Handeln vernünftig – wenn auch unmenschlich. Denn „(...) Unterdrücker und Unterdrückte standen im steten Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf… Die (…) moderne, bürgerliche Gesellschaft hat diese Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt.“ (Marx/Engels, Das kommunistische Manifest, 1848).

Wer also Arbeitszeitverkürzung, Wohnbauoffensive und Einkommen zum Auskommen fordert, muss dem Kapitalismus eine Systemalternative entgegen halten. Ohne die landet man rasch wieder bei den Sachzwängen. „Die Teilreformen und Flickschusterei führen zu nichts. Die historische Entwicklung ist an einer ihrer entscheidenden Etappen angelangt, wo einzig die direkte Intervention der Massen fähig ist, die reaktionären Hindernisse wegzufegen und die Grundlagen einer neuen Ordnung zu errichten. Die Vernichtung des Privatbesitzes an den Produktionsmitteln ist die erste Bedingung einer Ära der Planwirtschaft, das heißt der Intervention der Vernunft auf dem Gebiete der menschlichen Beziehungen“ (Trotzki, Marxismus in unserer Zeit, 1939). Gute Forderungen gibt es viele, zentral ist die Frage, von wem und wie sie erreicht werden können. Auf welche Methoden setzen Linke, um ihre Forderungen durchzusetzen? Gute Argumente, mal etwas Druck von der Straße und sogar Mandate werden, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise, nicht ausreichen, um Forderungen wie z.B. die nach einem massiven Wohnbauprogramm zu erreichen. Interessen von ArbeitnehmerInnen, MigrantInnen, Jugendlichen und PensionistInnen müssen gegen die Interessen der KapitalistInnen und ihrer HelferInnen erkämpft werden. Zentral ist daher die Vernetzung von ArbeiterInnen in Gewerkschaft, Betrieb und auf der Straße und das Organisieren von Widerstand. Mandate in Parlamenten können dabei helfen: Sie schaffen eine Plattform für linke Ideen und für Mobilisierungen. Linke Abgeordnete in Parlamenten, Gemeinde- oder Bezirksräten, ohne dieses Verständnis von Klassenwidersprüchen und der Notwendigkeit von Kämpfen in Betrieben und auf der Straße, werden sich in der Praxis nicht von denen der bürgerlichen Parteien unterscheiden.

 

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