Marx aktuell: Feminismus und Klassenkampf

Sebastian Kugler

„Es gibt einen besonderen Platz in der Hölle für Frauen, die einander nicht helfen.“ – so die Ex-US-Außenministerin Albright auf einer Wahlkampfkundgebung für Clinton. Sie meint: Frauen sollen Clinton wählen, denn die ist eine Frau. Gloria Steinem, auch Unterstützerin Clintons, beschwerte sich über junge Frauen, die stattdessen die linke Kampagne des alten Mannes Sanders unterstützten: „Wenn du jung bist, denkst du dir: Wo sind die Jungs? Die Jungs sind bei Bernie.“ Aus Protest marschierten junge Frauen auf Demos für Sanders mit Schildern: „Nicht wegen der Jungs hier“.

Diese Frauen fühlten sich den klassenkämpferischen Tönen der Sanders-Kampagne und den antikapitalistischen Ansichten ihrer Aktivisten näher als Millionärin Clinton und Kriegstreiberin Albright. Deren Feminismus passt zur Forderung der Grünen nach „mehr Chefinnen“. Er bietet keine Antwort für brennende Probleme der meisten Frauen, wie Doppelbelastung in Arbeit und Familie, Lohnschere und Mangel an Kinderbetreuungsplätzen und Gesundheitseinrichtungen. Ihr Ruf nach Frauensolidarität bindet Frauen an die Interessen der KapitalistInnen. Sie jedoch fühlen sich keiner Frauensolidarität verpflichtet, wenn sie Löhne kürzen, Jobs streichen oder im Gesundheits- und Sozialbereich kürzen. Prokapitalistische Politik ist immer patriarchale Politik, egal von wem sie durchgeführt wird.

Die Klassengesellschaft basiert darauf, dass Frauen in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung bestimmte Stellungen einnehmen – als „Hausfrau“ und „Krankenschwester“. „Wenn es stimmt, dass die Geschlechtsidentität in der kapitalistischen Gesellschaft zur Trägerin bestimmter Arbeitsfunktionen wurde, dann sollte Gender nicht als rein kulturelle Angelegenheit betrachtet werden, sondern als spezifische Ausprägung von Klassenverhältnissen“ (Silvia Federici: Caliban und die Hexe, 2004) Darum sind die meisten Frauen keine Chefinnen und werden es nie werden – und müssen ihre Befreiung auch gegen ihre Chefinnen erkämpfen.

Doch viele Formen des Sexismus betreffen alle Frauen: von Schönheitsnormen bis zu sexualisierter Gewalt. Das hängt eng damit zusammen, wie die kapitalistische Gesellschaft funktioniert – dass Körper „verwertbar“ sein müssen und zu Objekten werden. Konsequent dagegen zu kämpfen bedeutet ebenfalls, den Kapitalismus und seine VerteidigerInnen zu bekämpfen. Dabei können wir uns nicht auf die Frauen der herrschenden Klasse verlassen, da sie mit den Interessen ihrer Klasse brechen müssten.

Deswegen verstehen MarxistInnen den Kampf um Frauenbefreiung als notwendigen Bestandteil des Klassenkampfes, den die ArbeiterInnenbewegung zu führen hat. Das bedeutet, jeden Kampf gegen Sexismus mit antikapitalistischen Forderungen zu verbinden - aber auch, innerhalb der ArbeiterInnenbewegung gegen Sexismus zu kämpfen anstatt Frauen zu sagen, sie sollten ihre Forderungen auf „später“ verschieben. Nur die Abschaffung jeglicher Klassengesellschaft hebt die ökonomische Basis des Patriarchats auf und ermöglicht eine Gesellschaft ohne Sexismus: „Emanzipation der Frau heißt die vollständige Veränderung ihrer sozialen Stellung von Grund aus, eine Revolution ihrer Rolle im Wirtschaftsleben.“ (Clara Zetkin: Für die Befreiung der Frau, 1889)

 

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