Marokko: Kampf für soziale Gerechtigkeit

Demonstrations-Rufe aus dem arabischen Frühling sind seit Monaten wieder auf den Straßen Marokkos zur hören.
Stefan Gredler

Die Menschen in Marokko gehen auf die Barrikaden. Seit Monaten demonstrieren sie gegen die soziale Misere, fehlende Infrastruktur und Perspektivenlogiskeit. Die Monarchie und Regierung antworten mit massiver staatlicher Repression. Zentrum der Proteste ist der Norden und ber Rif, ein Ort mit einer langen kämpferischen Tradition. Gleichzeitig ist die Berber-Region wirtschaftlich am Boden: 63% der Bevölkerung haben offiziell keine Arbeit. Als im Oktober 2016 ein Fischhändler während behördlicher Schikanen ums Leben kam, entfachten sich die Proteste, die bis heute anhalten. Ende Mai wird ein bekannter Anführer der Bewegung, der arbeitslose Nasser Zefzafi verhaftet – und die Proteste gegen die Regierung erreichen einen neuen Höhepunkt. „Wir sind die Kinder der Armen, die einfachen Leute, die auf die Straße gehen um nein zu sagen gegen die Ungleichheit und Tyrannei.“ - mit diesen Worten hatte Zafzafi den Charakter der Bewegung beschrieben. Tausende von Menschen protestieren täglich – nicht nur in Rif, sondern in zahlreichen Städten im ganzen Land. Linke Parteien, Basisinitiativen, Streikende, die Gewerkschaften, die Jugend und vor allem Frauen, die eine zentrale Rolle spielen, sind auf der Straße: für Gleichberechtigung, das Recht auf Arbeit, auf medizinische Versorgung, Bildung und gegen die steigende Repression. Hunderte werden festgenommen, 32 führende AktivistInnen wurden zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt. Anfang Juni kam es zu einer der größten Demonstrationen der jüngeren Geschichte Marokkos.

 

Die Entwicklungen in Marokko könnten der Anfang einer neuen revolutionären Welle im Maghreb und folglich im Nahen Osten sein. Vor allem in Tunesien, aber auch in Ägypten nehmen kämpferische Streiks und Arbeitskämpfe zu. Eine erfolgreiche Bewegung oder gar der Sturz des marokkanischen Regimes könnte immense Ausstrahlungskraft auf die gesamte Region haben und auch über Spanien nach Europa schwappen. Dafür braucht es aber vor allem eine politische Kraft, die die Lehren aus dem arabischen Frühling gezogen hat: es reicht nicht, die Regierung auszutauschen. Es braucht einen Bruch mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise, die der Grund für das Elend und die Ausbeutung ist. So kann diesen Bewegungen Programm und Perspektive geboten werden.

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