Libyen: was kommt nach Gaddafi?

Gerhard Ziegler

Nach acht Monaten Kampf und mit tatkräftiger Hilfe durch NATO-Bombardements konnten die Rebellen das Gaddafi-Regime stürzen. Libyen feiert – doch was kommt danach?

Klar ist, dass sich Frankreich, Großbritannien und die USA, ökonomische Gegenleistungen – die Nutzung der immensen Öl- und Gasvorkommen - von den neuen Machthabern erwarten. Denn sie hatten vor allem die NATO-Bombardements „zum Schutz der Zivilbevölkerung“ (die in Wirklichkeit tausenden das Leben kosteten) betrieben. Trotz humanistischer Rhetorik – dem Westen geht es um die größten Ölvorkommen Afrikas. Durch die NATO-Intervention wurde die libysche Revolution in Abhängigkeit zum Westen gedrängt. Der Übergangsrat sicherte zu, bei der Vergabe der Ölkonzessionen „jene Länder zu bevorzugen, die uns Unterstützung erwiesen haben.“ Frankreich sicherte sich 35% der Produktion.

Unklar ist, ob der Übergangsrat im ganzen Land anerkannt wird. Nicht wenige Repräsentanten (auch deren Vorsitzender Jibril) bekleideten unter Gaddafi Funktionen im Staatsapparat und gelten daher vielen als Abkömmlinge des alten Regimes. Und das Volk steht unter Waffen, es gibt jedoch kaum zentrale Befehlsgewalt. Hatten die lokalen Clans schon zu Zeiten Gaddafis große Macht, so könnten die zentrifugalen Kräfte unter einer schwachen Zentralregierung zunehmen und zu einer Situation wie im Irak oder in Afghanistan führen. Darum strebt der „Übergangsrat“ die rasche Entwaffnung der Bevölkerung an und warnt vor Chaos.

Unter Gaddafi wurde ein Teil der Ölgewinne für das Gesundheits- und Sozialsystem verwendet. Die Arbeitslosigkeit brach jedoch mit über 30% selbst regionale Rekorde. Die Jugend des Landes erhob sich gegen Armut, Diktatur und die alles vergiftende Korruption. 30 % der 6,5 Miö. LibyerInnen sind unter 15 Jahren, es gibt nahezu eine Viertel-Million Studierende und OberschülerInnen. Damit das Land nicht in Chaos versinkt und zum neokolonialen Öl- und Gaslieferanten an den Westen verkommt, werden diese Kräfte, die die Demokratiebewegung begründeten - zusammen mit den ArbeiterInnen, die sich bisher mit ihren Forderungen noch nicht eingebracht haben – mit neuer Kraft wieder die politische Bühne betreten und für ihre Rechte und Anliegen kämpfen müssen.

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