Konzerne sind verantwortlich für die Fluchtverursachen – sie sollen zahlen!

Das Sterben muss ein Ende haben! Rüstungskonzerne, Unternehmen, Reiche und Banken sollen zahlen!
Sascha Stanicic und Moritz C. Erkl

Jeden Tag scheint die Unmenschlichkeit einen neuen Höhepunkt zu erreichen. Unzählige Ertrunkene im Mittelmeer. 71 tote Geflüchtete in einem zugeschweißten LKW in Österreich. Brutale Internierung von Flüchtlingen in Käfigen durch ungarische Polizei. Und der Tod des kleinen Aylan Kurdi, der zum Symbol für das Leid von so Vielen geworden ist. Was muss noch geschehen, damit endlich wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen werden, um dem unnötigen Sterben im Mittelmeer und auf anderen Fluchtwegen ein Ende zu bereiten? Aylan ist nicht das Opfer einer Tragödie. Aylan wurde umgebracht. Die 71 toten Geflüchteten in dem LKW in Österreich wurden umgebracht. Tausende wurden in diesem Jahr schon umgebracht. Sie sind Opfer einer mörderischen Politik, die solche Todesfälle nicht nur in Kauf nimmt, sondern sie als eine notwendige Abschreckung für Menschen betrachtet, die sich auch auf den Weg nach Europa machen könnten. Warum sonst wurde das, sicherlich nicht ausreichende, Seenotrettungsprogramm Mare Nostrum eingestellt und durch das Grenzschutzprogramm Triton ersetzt? Erinnern wir uns an die Worte des deutschen Bundesinnenministers Thomas de Maizière: „Mare Nostrum war als Nothilfe gedacht und hat sich als Brücke nach Europa erwiesen.” Die Brücke wurde eingerissen. Die PolitikerInnen in Europa, die die Festung Europa auf- und ausbauen, die die Grenzen versuchen dicht zu machen, sie gehören zu den Mördern des kleinen Aylan. Sie sitzen in den Regierungsetagen der EU-Staaten und den Chefetagen der Banken und Rüstungskonzerne, welche an den Kriegen und dem sozialen Elend verdienen, die Millionen Menschen zur Flucht zwingen. Diese Fluchtverursacher müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Eigentlich gehörten sie alle auf die Anklagebank des Kriegsverbrechertribunals und für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Zwei Gesichter – Hilfe und Hetze

Deutschland, Österreich und Europa zeigen gerade zwei Gesichter. Da ist einerseits eine riesige Hilfsbereitschaft mit den Flüchtlingen. Wie der Sprecher des Roten Kreuzes in Süditalien vor einigen Monaten sagte, gilt dabei: „Je ärmer die Leute sind, desto mehr geben sie.“ Auf der anderen Seite gibt es in Deutschland tägliche Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und auch in Österreich Hasspostings und tätliche Angriffe. Es gibt Behördenwillkür, es werden Grenzzäune und -mauern errichtet. Und die Abschiebungen gehen weiter. Die de facto Öffnung der Grenzen, das de facto Aussetzen von Schengen für einige Tage ist nicht der Menschlichkeit der Regierungen in Österreich und Deutschland zu verdanken, sondern dem enormen öffentlichen Druck. Lange wird das nicht anhalten, bald werden die Grenzen wieder dicht, und vielleicht noch dichter gemacht als bisher. Es ist nicht verwunderlich, dass eine Schicht von ArbeiterInnen und Erwerbslosen ehrliche Sorge vor einem nicht endenden Zustrom von Geflüchteten hat. Diese Sorge wurde durch die Propaganda der etablierten pro-kapitalistischen Parteien und ihren Schreiberlingen in den Massenmedien angeheizt. Zwar verhalten sich die üblichen Hetzer aus der FPÖ oder auch der Krone zur Zeit eher ruhig, doch das ist nur eine kurze Pause bis die Lügen über die angeblich „Wirtschaftsflüchtlinge“ oder die „teuren Flüchtlinge die uns auf der Tasche liegen“ etc. wieder losgehen werden. Mikl-Leitner hat durch ihre Strategie, Kirchentreuen völlig zu überfüllen und Flüchtlinge in Zelten unter zu bringen Bilder erzeugt die dazu dienen den Eindruck zu erwecken, Österreich sei angesichts der hohen Zahl geflüchteter finanziell und sozial überfordert. Was für eine dreiste Lüge! Es ist nicht zu wenig da – weder für Flüchtlinge noch für jene, die schon lange hier leben! Egal, wie hoch man die „Kosten“ für die Unterbringung und Versorgung der Schutzsuchenden beziffert – die Superreichen hierzulande könnten diese Kosten für mehrere Jahre übernehmen und blieben dennoch reich! Das reichste Prozent der ÖsterreicherInnen besitzt 470 Milliarden Euro. Der Reichtum der reichsten 10% der österreichischen Bevölkerung wächst fast dreimal so schnell wie jener der restlichen 90% - um rund 930€ pro Sekunde bei einem Gesamtvermögen von 960 Milliarden Euro. D.h. sie werden pro Tag um 80 Millionen Euro reicher. Geld ist also genug da, um Wohnraum, Versorgung bzw. die Existenzsicherung nicht nur der Hilfssuchenden zu finanzieren sondern auch für alle die schon lange hier leben ordentliche Wohnungen, Jobs und soziale Absicherung zu schaffen! Wir haben kein Flüchtlingsproblem, sondern ein Reichtumsverteilungsproblem. Wenn wie in Oberösterreich so getan wird, als ob man sich entscheiden müsse, ob die öffentliche Hand Geld für Flüchtlinge oder für Behinderteneinrichtungen ausgibt, dann wird mit Falschinformationen Stimmung gegen Flüchtlinge gebracht. Denn Geld ist da, es ist nur in den falschen Händen. Wir haben kein Flüchtlingsproblem, sondern ein Reichtumsverteilungsproblem. Um aber an dieses Geld ran zukommen und es im Interesse der ganzen Gesellschaft einzusetzen, müssen sich die einfachen Leute – Lohnabhängige, Erwerbslose, Jugendliche, Flüchtlinge egal welcher Hautfarbe, Religion und Nationalität – zusammenschließen und gegen die kleine, aber mächtige Minderheit der Besitzenden mobilisieren. Weil Rassismus spaltet und die von Ausbeutung, Lohndumping und sozialer Benachteiligung Betroffenen vom gemeinsamen Widerstand abhält, wird dieser auch von den herrschenden Kräften aufrecht erhalten – auch wenn hin und wieder Krokodilstränen vergossen werden.

Aber kommen dann nicht immer mehr?

Niemand flüchtet aus Jux und Tollerei. Die Gründe und Ursachen für eine Flucht reichen von Krieg und mörderischer Gewalt über politische Verfolgung und die Diskriminierung von Menschen auf Grund ihrer Hautfarbe, Sexualität und/oder religiösen Überzeugung über (haus- bzw. konzerngemachte) Naturkatastrophen und Klimawandel bis hin zu Hungersnöten und existenzbedrohender Armut. Solange das Leben von Millionen Menschen durch Kriege, Verarmung und Umweltzerstörung zerstört wird, werden sich diese Menschen auf den Weg machen, um ein besseres Leben zu finden – oder um überhaupt zu überleben! Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ wird verwendet, um Menschen zu diffamieren, die flüchten. Doch es geht nicht um Menschen, die sich halt ein bisschen besser stellen wollen, sondern um jene, die um das nackte Überleben kämpfen. Das kann kein Grenzzaun, kein Frontex-Regime, kein Mittelmeer verhindern. Denn das Risiko auf dem Weg nach Europa zu sterben, erscheint für viele angesichts der sicheren Verelendung oder des drohenden Todes in der Heimat nicht abschreckend. Wenn Regierungen den legalen Weg nach Europa immer stärker einschränken, treiben sie den Schleppern ihre Opfer in die Arme. Alle Erfahrungen zeigen: Flüchtlingsströme sind nur durch die Beseitigung der Fluchtursachen zu stoppen. Darum muss gelten: den Geflüchteten muss jetzt und hier geholfen werden und gleichzeitig der Kampf gegen die Fluchtursachen aufgenommen werden. Es ist ein Skandal, dass es keine sicheren Fluchtwege gibt, dass die europäischen Regierungen alles tun, um Flüchtlinge davon abzuhalten, nach Europa zu kommen. Millionen werden für die Aufrüstung der Festung Europa ausgegeben. Anstatt als „Friedens- und Demokratieunion“ die Fluchtursachen zu bekämpfen wird wieder über Grenzzäune, eine Aufstockung des Sicherheitspersonals der europäischen Grenzarmee Frontex und Auffanglager bereits in Afrika diskutiert. Aber es ist ebenso ein Skandal, dass weiterhin Waffen an Saudi-Arabien geliefert werden, westliche Konzerne dem Islamischen Staat Öl abkaufen, Privatisierungsorgien westlicher Konzerne im Kosova und dem Balkan insgesamt zu Armut und Arbeitslosigkeit führen. Solange das weitergeht, wird auch die Zahl der zur Flucht aus der Heimat gezwungenen nicht zurückgehen. Doch um das zu beenden, muss die Diktatur der Banken und Konzerne beendet werden.

Österreichs Waffen und auch Geld…

Österreich ist trotz seiner Kleinheit ein imperialistisches Land. Österreichische Firmen und v.a. Banken sind z.B. bei der Rekolonialisierung des Balkan mit seinen dramatischen sozialen Folgen ganz vorne dabei. Oder das österreichische Öl- und Gasunternehmen OMV, die seit Jahrzehnten mit diversen Diktaturen (Kasachstan oder auch Libyen) gewinnbringend zusammenarbeitet. 10% der Ölproduktion der OMV stammte zu Gaddafi-Zeiten aus Libyen. Angesprochen auf die Zeit unter Muammar al Gaddafi betrachtet die OMV ihre wirtschaftlichen „Beziehungen“ gar als friedensstiftend. Erst kurz vor dessen Sturz war die OMV gezwungen, sich zurückzuziehen – ist aber immer noch vor Ort. Die hunderttausenden Menschen, die aus Libyen flohen? Nebensächlich. Weitere Standorte sind beispielsweise in Tunesien oder der Region Kurdistan im Irak zu verzeichnen, auch dies Länder mit enorm hohen Flüchtlingszahlen. Jana Hybášková, Botschafterin der EU im Irak, erklärte 2014, dass mehrere Mitgliedsstaaten der EU Öl vom IS kaufen und ihn dadurch finanzieren. Wer sind diese Staaten? Wer sind diese Firmen? Warum werden sie geschützt? Das betrifft insbesondere auch die OMV: Der IS verkauft v.a. in der Türkei Öl unter Weltmarktpreis. Die OMV hat 2010 den größten Öl- und Gas-Konzern der Türkei 'Petrol Ofisi' übernommen. Firmengeheimnis und 'Diplomatie' schützen hier den IS und das österreichische Kapital. Der Österreichische Staat hält durch die ÖBIB (Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH) übrigens nach wie vor 31, 5% an der OMV. Ein weiterer Konzern, der Flüchtlinge „produziert“ ist die STRABAG AG. Diese verdient Milliarden, u.a. durch die Mitarbeit an diversen Staudamm-Großprojekten. Dass bereits 80 Millionen Menschen durch Staudämme ihre Heimat verloren haben und zur Flucht gezwungen werden – Peanuts? So soll beispielsweise in der Demokratischen Republik Kongo gemeinsam mit Südafrika das größte Wasserkraftwerk der Welt gebaut werden. Höchstwahrscheinlich in Zusammenarbeit mit STRABAG und Andritz (welche an fast jedem Wasserkraftwerk-Projekt der Welt beteiligt sind). Trotz des Wasserreichtums Kongos hat nur jedeR vierte KongolesIn Zugang zu unbedenklich genießbarem Wasser, sogar nur jedeR sechste verfügt über eine adäquate Sanitätsversorgung. Solche Megaprojekte und ihre dramatischen Folgen zwingen Menschen oft zur Flucht.

…morden auf der ganzen Welt!

Österreichische Waffenfirmen wie der Kärntner Waffenproduzent Glock oder die Steyr Mannlicher GmbH verdienen Milliarden mit dem Blut von Menschen. 2010 – also vor Ausbruch des arabischen Frühlings – wurden seitens des Innenministeriums Waffenexporte in der Höhe von 1,8 Milliarden Euro genehmigt. Glock verdiente beispielsweise 175.000 Euro durch den Handel mit Gaddafis Libyen bzw. 100.000 durch Exporte nach Tunesien. Und das sind nur die Zahlen die bekannt sind... Die wahrlich großen „Handelspartner“ lassen sich aber im mittleren Osten finden. 56 Millionen Euro wurde in den Vereinigten Arabischen Emiraten umgesetzt, in Saudi-Arabien 5,6 Millionen. Letztere unterstützen nachweislich islamistische Gruppierungen (wie den IS) und sind somit maßgeblich beteiligt an der aktuellen Flüchtlingskrise. Die Steyr Mannlicher GmbH wiederum bunkerte im arabischen Raum Gewehre, welche nun in den Händen der verschiedenen Kriegsparteien zum Einsatz kommen. Allen Vertuschungsversuchen zum Trotz wurde belegt, dass es sich nicht etwa um Nachbildungen oder Lizenz-Produktionen aus dem Ausland handelt, sondern um österreichische Fabrikate – welche wiederum nur mit Genehmigung des Innenministeriums verkauft werden konnten. Auch ausrangiertes Bundesheermaterial wurde und wird in diverse „Krisenregionen“ verkauft. Mit der angeblichen „Neutralität“ ist es, wenn Gewinne winken, nicht weit her. Alle diese Firmen sind verantwortlich für Armut, für Elend und auch für die Kriege. Sie verdienen Milliarden am Leid der Menschen. KapitalistInnen preisen sich hierzulande gerne mit „Corporate Social Responsibility“, also sozialem und humanem Wirtschaften. Doch tatsächlich geht es ums Geld, soziale Rüschen gibt es nur, wenn es sich rechnet. Wenn wir über die Flüchtlingskrise lösen wollen, dann gehört dazu auch die Verantwortung der kapitalistischen Unternehmen für diese Krise. Eine Offenlegung der Firmenbücher z.B. der OMV kann zeigen, ob mit dem IS Geschäfte gemacht werden und wer davon profitiert. Eine Übernahme dieser Firmen durch die öffentliche Hand und eine Verwaltung und Kontrolle durch die Beschäftigten und Vertretungen der Gewerkschaften sowie auch der Geflüchteten können sicher stellen, dass keine Geschäfte mit dem IS mehr gemacht werden und dass die bisherigen Gewinne auch verwendet werden, um Hilfssuchenden eine neue Zukunft ermöglichen.

Flüchtlinge bleiben – Reiche enteignen

Es ist selbstverständlich: die meisten Menschen, die den Flüchtlingen helfen wollen, spenden Geld, Kleidung, Lebensmittel, fordern ein wirkliches Asylrecht, sichere Fluchtwege, Seenotrettungsprogramme. Aber dem Elend kann nur ein Ende gemacht werden, wenn die tatsächlichen Ursachen bekämpft werden. Und auch wenn das weit weg oder abstrakt klingt: das bedeutet, den Kapitalismus durch ein System zu ersetzen, in dem der Mensch und nicht der Profit im Mittelpunkt steht.