Klassenkampf reloaded – in Europa und weltweit

Der Kapitalismus ist weltweit in einer seiner schwersten Existenzkrisen. Das ist auch eine große Chance.
Fabian Lehr

Die weltweiten Kämpfe brauchen ein sozialistisches Programm.

 

Die globale Krise des Kapitalismus ist 2014 in ein neues Stadium eingetreten. Die Eurokrise, die in Wirklichkeit niemals verschwunden war, ist für alle sichtbar zurückgekehrt. Der Ölpreis bewegt sich im Zickzackkurs. Zwischen Russland und dem Westen entbrennt ein Wirtschaftskrieg mit globalen Rückwirkungen. In den Schwellenländern, insbesondere in China, dem Motor der kapitalistischen Weltwirtschaft, gerät das Wachstum ins Stocken. All jene Probleme, die der Kapitalismus schon bisher produzierte, wie Umweltzerstörung, Hunger, Seuchen und Krieg, die Millionen Menschen töten bzw. zur Flucht zwingen – all das wird weiter zunehmen. Begleitet ist der ökonomische Verfall des Kapitalismus immer öfter von einer Hinwendung zu autoritären, polizeistaatlichen Methoden der Regierungen, um mit Repression auf die schwindende Zustimmung der Regierten zu antworten. Doch immer häufiger sehen sich die Regierungen auch mit Widerstand konfrontiert.

Klar ist: Wir stehen am Beginn einer Zeit schwerer Kämpfe und radikaler politischer Veränderungen. Das kapitalistische System steckt global in einer tiefen Krise, der tiefsten seit der großen Depression in den 1930er Jahren. Überall zeigt sich, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht das Wohlergehen der Menschheit zum Ziel hat, sondern das Erzielen maximalen Profits, auch wenn dafür Millionen leiden müssen. Niemals zeigt sich das deutlicher als in schweren Krisenzeiten, in denen der ruhige Gang der Bereicherung der Bosse stockt. Wenn wir die aktuelle Weltkrise mit früheren globalen Großkrisen des Kapitalismus wie 1917-21 oder nach 1929/30 vergleichen, sehen wir, dass solche schweren Krisenzeiten einerseits zu barbarischen Versuchen des Kapitals führen, seine wankende Herrschaft zu befestigen, andererseits aber auch zu wachsender Politisierung und Organisierung der von ihnen nun verschärft Unterdrückten und Ausgebeuteten. Phasen der Reaktion sind somit gleichzeitig auch Phasen der Revolution. Die ArbeiterInnenklasse kann es sich nicht leisten, stillzuhalten – wir leben in einer Periode von Revolution und Konterrevolution.

In Europa wird das Scheitern des Euro immer offensichtlicher. Das wirtschaftliche Schönwetterprogramm gerät in Zeiten der Krise zwingend an seine Grenzen. Während das deutsche Kapital (und im Schlepptau das Österreichische) davon profitieren, sind die sozialen Kosten in Südeuropa enorm. Griechenland ist schon schwer ramponiert, andere vom Spardiktat betroffene Länder wie Italien, Spanien, Portugal und Irland folgen nach. Frankreich erreicht eine neue Rekordarbeitslosigkeit und die höchste Zahl von Unternehmensbankrotten seiner Geschichte.

Auch Österreich muss die höchste Arbeitslosigkeit seit 60 Jahren eingestehen, und sogar in Deutschland, dem Kernstaat der europäischen Wirtschaftsordnung, gerät das "Exportwunder" ins Schlingern. Der Euro erreicht den tiefsten Kurs seit knapp einem Jahrzehnt. Für die Eurozone droht Deflation. Diese ist ein Merkmal chronischer Krisen wie der von 1873-96 oder der ab 1929/30. Erste mündete in die Gründung der modernen Kolonialimperien, um die Verluste durch globale Räuberei wettzumachen, zweitere wurde erst durch einen Weltkrieg gelöst. Überall leiden ArbeiterInnen, Arme und Jugendliche unter den aggressiven Angriffen des Kapitals. Errungenschaften, die in 150 Jahren ArbeiterInnenbewegung aufgebaut werden konnten, wie ArbeiterInnenrechte oder Sozialleistungen, werden über Nacht vernichtet. Dieser ökonomische Niedergang geht unweigerlich mit politischer Instabilität einher. Auf immer schwächeren Füßen stehende Regierungen finden berechtigterweise immer weniger Vertrauen in der Bevölkerung.

Doch immer stärker wächst auch der Widerstand. Seit den 1970er Jahren, aber v.a. in den letzten Jahren, nehmen weltweit die Proteste und Massenbewegungen zu. Die Stärke von Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien zeigen eine neue Qualität. In eben jenen Ländern wurden noch vor wenigen Jahren Organisationen in den Protesten abgelehnt, nun haben sie die stärksten linken Parteien in Europa. In Italien wächst der Widerstand gegen den Sparkurs des technokratischen Brüsseler Befehlsempfängers Renzi zu massiven Klassenkämpfen.

Die europäischen Arbeiterinnen stehen dabei nicht allein. In den USA mit ihren ungeheuer scharfen, immer weiter wachsenden Klassengegensätzen breitet sich mit unserer Schwesterorganisation Socialist Alternative gerade in rasanter Geschwindigkeit die größte marxistische Organisation aus, die es in Nordamerika seit dem frühen 20. Jahrhundert gegeben hat. Und deren vornehmlich proletarische Basis lässt es nicht bei der Theorie bleiben. Sie geht gleich zum Kampf über, wie gerade im kraftvollen Arbeitskampf der amerikanischen Fast Food-Arbeiterinnen oder bei den Massenprotesten gegen die rassistische Praxis der amerikanischen Polizei und Justiz nach dem Mord in Ferguson.

Der Vormarsch des IS und des islamischen Fundamentalismus ist nur eine Seite – die andere sind die Massenbewegungen in Nordafrika und auch der Türkei. Die arabischen Revolutionen sind nicht vorbei, eine neue Welle ist wahrscheinlich. In Osteuropa und auf dem Balkan spitzt sich die soziale Lage zu und es kommt immer wieder zu sozialen Protesten. In Ländern wie Pakistan, Indien, Malaysia, aber auch Russland sitzen die Herrschenden auf einem Pulverfass.

In China spitzen sich die sozialen Konflikte im Zuge des fiebrigen, dem Kollaps entgegen treibenden kapitalistischen Booms immer weiter zu. Die Massenproteste in Hongkong gegen den bürokratischen, sich zum Hohn "sozialistisch" nennenden Pekinger Polizeistaat zeigen, wie gespannt die politische Lage ist. Auch im chinesischen Kernland ist es alles andere als ruhig.

Auch in Südamerika rumort es - an die heftigen Proteste anlässlich der im Land abgehaltenen Fußball-WM, für die tausende Arme enteignet und vertrieben worden waren, wird sich noch jeder erinnern. Dabei zeigte sich auch, dass geringfügige Anlässe – in diesem Fall eine Erhöhung der Buspreise – sich zu großen Protestbewegungen entwickeln können, wenn die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich ausreichend zugespitzt haben. Im seit 2001 von Krise und Kürzungen erschütterten Argentinien konnte ein trotzkistisches Bündnis weit über eine Million Stimmen erzielen und mit mehreren Abgeordneten ins Parlament einziehen, um auch dort den Kampf gegen die Sparmaßnahmen zu führen.

Sicher - die nächsten Jahre werden schwer werden und immer zugespitztere Kämpfe sehen. Doch gleichzeitig wird die Unfähigkeit des Kapitalismus immer sichtbarer. Die Suche nach Alternativen ist allgegenwärtig und auch die Bereitschaft „etwas zu tun“ ist gegeben. Notwendig ist der endgültigen Sturz des Kapitalismus und der Sieg der einzigen menschenwürdigen Alternative: Des Sozialismus, einer demokratischen Gesellschaft, wo die Bedürfnisse der Menschen im Zentrum stehen. Werde Teil dieses Kampfes in den Reihen des CWI.

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