Di 08.05.2018
Die Frauen der 1968er-Bewegung sahen ihre Forderungen nach Frauenrechten teilweise durch den gut gemeinten, bevormundenden Ton linker Massenparteien, aber auch kleiner „revolutionärer Gruppen“ beantwortet. Die theoretische Auseinandersetzung zur Unterdrückung der Frauen wurde nicht in die Praxis übertragen. Immer noch galt, was Clara Zetkin in ihrer Rede im Jahr 1900 in Mainz auf der sozialdemokratischen Reichs-Frauenkonferenz ausgeführt hatte: "In der Theorie sind die Genossinnen schon gleichberechtigt, in der Praxis aber hängt der Philisterzopf den männlichen Genossen noch ebenso im Nacken wie dem ersten besten Spießbürger". Damit betont sie, dass Sexismus genauso innerhalb der ArbeiterInnenklasse bekämpft werden muss. Auch die 68er Linken waren in einer kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft geprägt worden und hatten Sexismus verinnerlicht.
Die maoistischen bzw. stalinistischen Gruppen hatten zudem ein mechanisches Verständnis vom Marxismus. Das erste und wichtigste Ziel sei es, den „Hauptwiderspruch“, den die Gegenüberstellung von Proletariat und Bourgeoisie bildeten, zu lösen. Daneben ergaben sich eine Reihe von „Nebenwidersprüchen“, wo die Frauenbefreiung einen darstellte. Sie sahen zwar, dass beide sich in Abhängigkeit von einander bestimmten, doch sahen sie eine Rangordnung. Erst wenn der Hauptwiderspruch gelöst sei, könne man sich den anderen zu wenden. Beziehungsweise geschehe dies dann von selbst.
Dadurch ignorierten sie die enorme Dynamik, die gerade die Proteste von Frauen in revolutionären Protesten hatten: kaum eine Revolution, wo die Frauen nicht am Beginn und an der Spitze gestanden hatten. Und sie wollten – zu Recht – nicht auf später vertröstet werden.
Marx und Engels sprachen nie von Haupt- und Nebenwiderspruch. Engels legte in seinem 1884 veröffentlichten Buch „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ die dialektische Verbindung der Entstehung von Klassengesellschaften und Unterdrückung von Frauen dar. Er betonte, dass das eine nicht ohne das andere überwunden werden kann, leitete daraus aber nicht ab, dass die Frauen auf „nach der Revolution“ warten sollten. Auch die Auffassung, dass sich sexistische Diskriminierung in einem modernen Kapitalismus oder auch nach einer Revolution von selbst löst, ist ein Fehlglaube. Die verschiedenen Unterdrückungsmechanismen stehen in einer dialektischen Verbindung, es gibt keinen Kapitalismus ohne Frauenunterdrückung. Doch eben weil wir im Kapitalismus geprägt worden sind, braucht es auch nach einer Revolution bewusste Schritte für Frauenrechte.
Auf Grund des oft sexistischen Verhaltens und der Theorie von Haupt- und Nebenwidersprüchen hat sich in der 68er-Bewegung die autonome Frauenbewegung von den sozialistischen Organisationen getrennt. Die falsche Politik von Teilen der „revolutionären Linken“ hatte das revolutionäre Potential langfristig geschwächt. August Bebel schreibt in „Die Frau und der Sozialismus“ 1879: „Es gibt keine Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter.“ Ein geeinter Kampf der ArbeiterInnenbewegung, von Frauen und Männern, ist dafür am effektivsten, denn der Kampf für die Frauenbefreiung ist in seiner Wurzel Teil des Klassenkampfes.