Kärnten: Ein sozialer "Abwehrkampf" ist nötig!

Michael Gehmacher

Die Volksabstimmung über den Verbleib Südkärntens bei Österreich jährt sich heuer zum 90. mal. Die Feierlichkeiten werfen ihren Schatten voraus: FPK, Kärntner Abwehrkämpferbund und Burschenschaften mobilisieren was das Zeug hält. Gerade im nationalistischen Trubel ist es notwendig, den gemeinsamen Kampf der slowenischen und deutschsprachigen Jugendlichen und ArbeitnehmerInnen zu betonen. Die Überwindung der nationalistischen Spaltung ist wichtig um den Kampf für gleiche Rechte und gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit erfolgreich zu führen.

Der "Abwehrkampf" ist ein nationaler Mythos...

Der erste Weltkrieg wurde durch militärische Niederlagen und durch revolutionäre Erhebungen (wie der Oktoberrevolution 1917) der Soldaten und Arbeiter beendet. In Teilen Österreichs entstanden Arbeiter und Soldatenräte. Die verschiedenen nationalen Eliten bemühten sich um eine rasche Staatenbildung. Serbien bildete unter Einschluss von Kroatien und Slowenien den SHS-Staat, am 5.11.1918 marschierten SHS-Truppen in Südkärnten ein. Daraufhin formierten sich verschiedene Kärntner zu einem militärischen Widerstand. Einige Gebiete (wie etwa Arnoldstein) konnten zurückerobert werden. Bei den Friedensverhandlungen von St. Germain wurde schließlich eine Volksabstimmung beschlossen. Als Reaktion besetzten SHS-Truppen weite Teile Kärntens, inklusive Klagenfurt. Sie mussten sich aufgrund des Drucks der Alliierten bald wieder nach Südkärnten zurückziehen. Laut offiziellen Angaben starben bei den militärischen Auseinandersetzungen 260 Menschen (später als "Abwehrkämpfer" bezeichnet). Am 10. Oktober 1920 wurde die Volksabstimmung durchgeführt. Obwohl das Gebiet der Abstimmung damals zu rund 70 % slowenisch war, entschied sich eine Mehrheit von rund 60% für den Verbleib bei Österreich. Dieses Ergebnis wird von herrschender Seite national interpretiert. Als Sieg der "Deutschkärntner". Tatsächlich hat ein großer Teil der Kärntner SlowenInnen damals für Österreich gestimmt.

Gemeinsamer Kampf der ArbeiterInnen statt nationalistische Spaltung

Das Ergebnis lässt sich nicht nationalistisch schlüssig erklären. Slowenische Grundbesitzer und vor allem weite Teile der Kirche predigten den Anschluss an den SHS-Staat. Die Präsenz der SHS-Truppen tat ihr übriges. Die SHS-Monarchie hatte ganz offensichtlich keinen fortschrittlichen Charakter. Jugendliche, Landarbeiter und andere Teile der Arbeitenden vermuteten demgegenüber in der Republik Österreich die attraktivere Variante: Dort existierte keine Monarchie mehr, in Teilen des Landes gab es Arbeiter und Soldatenräte, und um den ArbeiterInnen den revolutionären Wind aus den Segeln zu nehmen, beschloss die Regierung eine Reihe sozialer Gesetze. So wurden Sozialversicherung für alle, Urlaub, Betriebsrätegesetz uvm. beschlossen. Der gemeinsame Kampf der ArbeiterInnen gegen die Herrschenden, egal ob deutsch oder slowenisch, war für viele die logische Konsequenz aus dem ersten Weltkrieg und der Oktoberrevolution.

Gemeinsamer Kampf ist heute nötiger denn je

Später wurden den SlowenInnen stets elementare Grundrechte verwehrt.Unter dem Faschismus wurden sie brutal verfolgt. Der heldenhafte Kampf der vielen PartisanInnen blieb unbedankt. Bis heute werden sie von den Rechtsextremen als "Banditen" gebrandmarkt. Auch der Kärntner SPÖ war die Integration ehemaliger Nazis wichtiger als die Rechte der Kärntner SlowenInnen. Bei der Volkszählung 1971 bekannten sich rund 20.000 KärntnerInnen zur slowenischen Sprache, 2001 waren es "nur" mehr 13.100. Diese Entwicklung kennzeichnet weniger den Rückgang der Volksgruppe, als vielmehr den hohen Assmilierungsdruck. In den 60er und 70ern führte der Kärntner Heimatdienst u.a. rechtsextreme Kampagnen zur Abmeldung vom Slowenischunterricht durch. Statt der Gewährung der im Staatsvertrag garantierten Grundrechte wurde die permanente Stimmung gegen angebliche "groß slowenische" Pläne betrieben. Der Umgang mit den zweisprachigen Ortstafeln ist nur ein Zeichen, dass den SlowenInnen bis heute zentrale Rechte verwehrt bleiben. Slowenische ArbeiterInnen und Jugendliche sind verstärkt von sozialen Problemen betroffen. Und diese steigen. 91.000 KärntnerInnen sind arm, 21.000 sogar obwohl sie regelmäßig einer Arbeit nachgehen. Schlechte Jobmöglichkeiten und die hohen Energiepreise treiben die Verarmung weiter. Nach dem 10. Oktober droht ein großes Sparpaket der Bundesregierung und Einsparungen durch die hoch verschuldete blaue Landesregierung. 2010 hat es mit dem Widerstand der KABES-Beschäftigten und den Freitagsdemos viel Widerstand gegeben. Daran gilt es nach dem 10. Oktober anzuknüpfen.

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