Junge Grüne: Zurück, Einsam oder Gemeinsam?

Der Ausschluss der Jungen Grünen aus der Grünen Partei hat Wellen geschlagen. Die Aufmerksamkeit, die objektive Situation und die politische Heimatlosigkeit der AktivistInnen birgt auch Verantwortung. Wohin soll es gehen? Eine Diskussion zwischen Marcel Andreu von den Jungen Grünen und Sebastian Kugler von der SLP.

Junge Grüne: Wir machen weiter! von Marcel Andreu, Bundesvorstandsmitglied der Jungen Grünen

Die österreichische Gesellschaft wird immer autoritärer. Die ÖVP betreibt fleißig den Abbau der sozialen und der Grundrechte. Die SPÖ mischt leider erfolgreich den neoliberalen Dritten Weg mit der Abschiebung in der Herkules-Maschine. Die FPÖ steht vor dem Luxus-Problem, dass es sie für die Durchsetzung ihres Programms gar nicht mehr zu brauchen scheint. Und die Grünen? Die suhlen sich – leider! – in der politischen Wirkungslosigkeit und leisten den eindrucksvollen Offenbarungseid, dass sie voll und ganz in jenem Parteiensystem integriert sind, das radikal zu verändern sie einmal angetreten waren.

Diese Radikalität lässt sich noch im sehr erhellenden und doch noch ziemlich linken Parteiprogramm von 2001 nachschlagen. Wer einen Blick reinwirft, kommt dem Knackpunkt der ganzen Misere um einiges näher: Die Jungen Grünen sind das schlechte Gewissen einer Parteispitze, die von den grünen politischen Ansprüchen von gestern nichts mehr wissen will. Die umfassende Demokratisierung der Gesellschaft steht nicht mehr auf der Tagesordnung – stattdessen die Selbsterhaltung eines selbstzufriedenen Apparats, der politische Ziele durch Parteilogik ersetzt hat. Deswegen mussten wir ausgeschlossen werden.

Als Junge Grüne haben wir in den letzten sieben Jahren Beachtliches geleistet: Wir sind zur größten ehrenamtlichen Teilorganisation der Grünen Bewegung geworden. Wir waren in ganz Österreich vertreten, haben erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsarbeit mit einem klaren linken Profil geleistet. Die Jungen Grünen haben die grünen Grundwerte beim Wort genommen und verfolgen das Projekt eines demokratischen Aufbruchs. Wir wollen Gesellschaft verändern, indem wir so viele Menschen wie möglich motivieren, selber politisch aktiv zu werden für die Welt, in der sie leben wollen.

Das halten wir auch für das beste und eigentlich einzige Mittel gegen den Rechtsruck: Möglichst viele Menschen für ihre eigenen Interessen organisieren, den Kampf um eine bessere Gesellschaft vor Ort zu führen und die Perspektive einer befreiten Gesellschaft mit dem Kampf gegen die alltäglichen Zumutungen zu verknüpfen. Dieses Projekt verbindet vieles mit den Grünen Grundwerten, aber nichts mit dieser autoritären Parteiführung. Wir machen weiter. Nun eben mit den Herausforderungen der Parteiunabhängigkeit, aber auch mit ihren politischen Chancen. Die politische Motivation, die Lernerfahrungen und den Ideenreichtum unserer hunderten Aktivist*innen kann uns auch Eva Glawischnig nicht nehmen.

Höchste Zeit für eine neue Linke! von Sebastian Kugler, SLP-Bundesleitungsmitglied

Die Jungen Grünen sind nicht die ersten kritischen Jugendlichen, die ausgeschlossen werden. Auch die „Vorwärts“-Strömung, aus der die SLP hervorging, wurde Anfang der 1990er Jahre aus der SJ ausgeschlossen. Solche Entwicklungen sind immer auch Chancen, neue Kräfte aufzubauen.

Politische Organisationen sind kein Selbstzweck, sondern Mittel. Bildungsarbeit ist gut, Seminare wichtig und Medienaktionen sinnvoll – aber nur, wenn sie Teil einer größeren Perspektive sind und darauf abzielen, soziale Kämpfe zu stärken. Von diesen gibt es derzeit genügend: Vom Widerstand gegen die Kürzungspolitik aller etablierten Parteien bis zum Kampf gegen Rechtsextremismus. Wir müssen Bewegungen aufbauen, in denen Betroffene sich selbst organisieren und Verbesserungen erkämpfen können.

Viele in den Jungen Grünen verstehen sich als AntikapitalistInnen und manche sogar als MarxistInnen. Durch den Hinauswurf muss keine Rücksicht mehr auf die Mutterpartei genommen werden. Denn diese kann auch mit Geld (und dessen Entzug) nicht mehr erpressen. Der Weg für ein konsequentes, antikapitalistisches Programm, das sich in Wort und Tat gegen jede Form von Unterdrückung und Ausbeutung stellt, ist frei. Das ist auch notwendig, weil die kapitalistische Krise langfristige innersystemische Verbesserungen verunmöglicht, gerade in grünen Kernbereichen wie Umweltpolitik. Eine neue Linke wird nicht durch „konstruktive Mitarbeit“ im Politzirkus entstehen, sondern durch aktive, kämpferische Opposition und eine Systemalternative als Programm.

Es braucht eine neue Partei der ArbeiterInnen und Jugendlichen – und mit ArbeiterInnen meinen wir alle, die gezwungen sind, in diesem System ihre Arbeitskraft zu verkaufen und unter seinen Krisen leiden. Ziel dieser Partei kann es nicht sein, den Kapitalismus im Parlament mit Grünen etc. mitzuverwalten, sondern ihn zu stürzen.

Mit Aufbruch gibt es einen Versuch, eine konsequente antikapitalistische Kraft links von SPÖ und Grünen aufzubauen. Aufbruch spielt – auch ohne viel Geld - eine führende Rolle in dem aktuellsten umweltpolitischen Kampf gegen das Murkraftwerk in Graz. Wir schlagen daher den AktivistInnen von Aufbruch und von den Jungen Grünen vor, einen Diskussionsprozess über gemeinsame Schritte zu starten und in der Praxis zusammenzuarbeiten. Dafür gibt es genug Anknüpfungspunkte, etwa gegen das Murkraftwerk und Schwarz-Blau in Graz oder in der aktuellen Aufbruch-Kampagne für leistbares Wohnen. Es ist höchste Zeit für eine linke Offensive – gehen wir‘s gemeinsam an!

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