Jung und Ausgebeutet

Miese Arbeitsbediungungen und Zukunftsangst: Normalzustand für Jugendliche

Interview mit einer jungen Kollegin (19) die in einem Wiener Standort eines internationalen Konzerns in der Metallindustrie arbeitet.

Du hast eine Lehre gemacht?

Ja, ich habe meine Ausbildung in dem Betrieb gemacht, mir wurde immer versprochen, wir übernehmen alle Lehrlinge die ihre Arbeit ordentlich machen. Ich bin seit Februar ausgelernt, habe immer noch keinen unbefristeten Vertrag und bin nun gezwungenermassen Springerin für die Schichtarbeiter*innen. Auch weil mir das mehr Zeit gibt, dass ich mir vielleicht einen anderen Job finden kann, aber das ist schwer, niemand will wen frisch ausgelernten. Gesucht werden Billige mit 40 Jahren Erfahrung… das geht natürlich nicht. Daher hab ich das “Angebot” angenommen, für die Schichtarbeiter*innen einzuspringen. Das wird aber nur ein halbes Jahr gehen, aber ich hab ja keine andere Wahl. Ich kann es mir ja nicht leisten, meinen Job zu verlieren.

Wie ist denn die Auftragslage im Betrieb?

Bei uns haben viele gekündigt, wir sind nur mehr wenige und haben seit einiger Zeit wieder sehr viel zu tun, wir gehen unter in Aufträgen, wir haben bis zu 200% Auslastung. Der Arbeitsdruck ist enorm. Und ich muss alles protokollieren, außer 7% am Tag, das ist die Zeit, wenn ich aufs Klo gehe! Es wird darauf geschaut, ich hab mir das ausgerechnet, ich arbeite 38 Stunden in der Woche - ich darf insgesamt im Monat knapp über 2 Stunden nicht buchen, der Rest muss genau verbucht werden. Das ist sehr anstrengend! Warum das nötig ist, ist nicht wirklich klar. Wir bekommen überhaupt keine Infos, wir wissen noch nichtmal was die Dinge dann kosten, die wir produzieren! Aktuell gibt es außerdem Gerüchte im Betrieb, dass Kolleg*innen falsch eingestuft worden sind!

Warum haben Kolleg*innen gekündigt?

Aktuell wird viel von der Produktion verlagert, da haben Leute Angst um ihren Job und rechnen damit, dass unser Standort keine Zukunft hat. Da versucht natürlich jedeR was anderes zu finden!

Unser Standort schreibt schwarze Zahlen, aber trotzdem steigt der Druck und Stress. Alle haben Angst. Uns wurde in meiner Abteilung gesagt, dass fast ein Drittel wird gehen müssen! Und gleichzeitig wollen sie, dass am Standort noch mehr gearbeitet wird - wir sollen die Lager aufstocken bis der neue Standort fertig ist und dann sollen wir gehen!

Wie fühlst du dich in der Situation?

Ich hab mir mehr erwartet, als ich angefangen hab, da gabs ein gutes Klima und da haben wir auch verschiedene Dinge gemacht, jetzt mach ich den ganzen Tag dasselbe. Eigentlich ist das spannend was wir machen könnten, aber ich bin ja kein Fließband! Ich hab als Lehrling schon ein Jahr in der Reihenfertigung, also am Fliesband, gearbeitet, aber das hält man ja psychisch nicht aus! Jeden Tag dasselbe, das ist nicht zum aushalten. Ich erwarte mir ja wohl von meinem Berufsleben mehr, als den ganzen Tag dasselbe zu machen. Und dann gibts auch noch vorgegebene Zeiten, wie lange man für einen Arbeitsschritt brauchen darf, und wenn man das mal nicht schafft steht schon der Vorgesetzte da. Das ist ein Dauerstress!

Vor einiger zeit war eine Arbeitspsychologin da, da wurden Kolleg*innen gefragt wie es ihnen geht. Nur waren bei den Gesprächen teilweise vorgesetzte dabei - da traut sich natürlich niemand was sagen, man will ja morgen den Job auch noch haben.

Wie sind denn so die Zukunftsperspektiven?

Da ist im Augenblick nicht so viel Perspektive zu sehen, die meisten Betriebe suchen nur Leute die viel Erfahrung haben, aber billig sind. Das geht ja gar nicht. Corona macht mir natürlich auch Sorgen, wegen meiner Familie! In der Firma wird das recht gut gehandhabt, aber in den Öffis zum Beispiel, wie soll ich da Abstand halten? Ich fahr fast eine Stunde pro Richtung, da ist alles gesteckt voll! 

Die Leute sagen ja oft, was bringt das was zu tun, aber man muss ja was machen, da muss ja auch mal wer anfangen. Wir wollen eine Veränderung, aber da muss man schon selbst auch was tun, da kann man nicht warten, bis die anderen was tun! Ich setz mich gern ein, weil ich ja auch was verändern will! Labern bringt nix, man muss schon was tun! Das schlimmste ist, nix zu tun!