Italien: Die Rechte im Aufwind

Philipp Fleischmann

Knapp gewann Berlusconis rechtsaußen Wahlbündnis “Haus der Freiheiten” mit 48,5% die italienischen Parlamentswahlen. Österreichische KommentatorInnen ergingen sich in Spott, dass die EU-Regierungen nun nicht auch gegen Italien “Sanktionen” verhängen.
Der “Tabubruch” durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ hat neue Seilschaften entstehen lassen. ÖVP-Generalin Rauch-Kallat unterstützte schon während des Wahlkampfs offen Berlusconi.
Bürgerliche Politiker benutzten die “Sanktionen” als Schaukampf gegen den Rechtsextremismus. Sie versuchten, ihr Image aufzupolieren, indem sie sich an der FPÖ rieben. Wie absurd diese Kritik werden kann, zeigt Belgiens Ministerpräsident, wenn er sagt: “Mussolini ist eben nicht Hitler”, um das Ausbleiben von Sanktionen gegen Italien zu erklären.
Zahnlos war der Charakter der Sanktionen: Kein Händeschütteln, kein Familienfoto. Beim G8-Mitglied Italien leistet sich die EU keine derartigen taktischen Geplänkel mehr. Die österreichische Regierung konnte sich durch die Opferrolle stabilisieren. Die Einbindung der extremen Rechten ist zum Gutteil von der EU-Bourgeoisie und ihren Strategen akzeptiert.

Italienische Wochen

Bereits 1994 gab es eine Regierung Berlusconi. Die geplanten Einschnitte ins Pensionssystem provozierten einen Generalstreik. Nach einer Großdemo mit 1,5 Mio. TeilnehmerInnen wurde ein zweiter Streiktag angekündigt. Am Abend davor gab Berlusconi gegenüber den Gewerkschaften klein bei.
Das war eine Niederlage für die Regierung. Die Lega Nord sprengte das Bündnis. Die Regierung brach nach 220 Tagen Amtszeit zusammen. Hunderttausende Menschen feierten spontan auf den Straßen. Das sogenannte “‘Mitte-Links-Bündni” (Ulivo) bildete ab 1996 die Regierung. Das Hauptziel: die EURO-Kriterien. Die Folgen: Massensteuern rauf, Sozialleistungen und Reallöhne runter.

Die wichtige Rolle der RC

Zuerst unterstützte die Rifondazione Comunista (RC) die Regierung, doch Spannungen kamen auf. Die kämpferischsten Schichten der italienischen ArbeiterInnenklasse sehen sie als Ihre Partei. 1997 hielt sie ihre Unterstützung der neoliberalen Ulivo-Regierung noch aufrecht. Mit dem Budget für 1998 konnte die RC ihren Kurs nicht mehr halten. Die Mehrheit der Partei beschloss, die Unterstützung zurückzuziehen, ein Teil der Führung spaltete sich nach rechts ab.
Der “Ulivo” nützte seine organische Verbindungen zu den Gewerkschaften, um diese stillzuhalten und damit ihre Kürzungspolitik durchzubringen. Das war von vornherein abzusehen. Durch ihre Politik schaffte die Führung der RC unberechtigte Illusionen in diese Regierung und diskreditierte sich in den Augen vieler als linke Opposition.
Die umgebildete Ulivo-Regierung machte sich in den Jahren seither noch unbeliebter. Neben dem Sozialabbau unterstützte sie aktiv die NATO-Intervention in Jugoslawien und provozierte eine Gegenbewegung, die in einer Demonstration in Rom mit 1 Mio. TeilnehmerInnen gipfelte.

Wackeliges Fundament

Die Rolle von “Mitte-Links” wird wohl durch den vor wenigen Tagen geäußerten Wunsch des italienischen Industriellenverbands, dass “die Opposition loyal mit der Regierung kooperieren” soll, sehr gut zusammengefasst. Ginge es nach ihm, sollten die Pole “Mitte-Links” und„Mitte-Rechts“ähnlich wie in den USA in ein Gleichgewicht gebracht werden: “Mitte-Links” kann die Gewerkschaften beruhigen, “Mitte-Rechts” betreibt radikaleren Kahlschlag, riskiert aber große Protestbewegungen wie 1994. Vielleicht steht Italien jetzt wieder am Anfang einer solchen Bewegung. 48,5% für die Regierung sind kein guter Polster. Die Parteien des Rechtsbündnisses kamen bei den Wahlen 1996 in Summe auf 52%. Sie haben ca. 1,1 Mio. Stimmen verloren. Das “Haus der Freiheiten” steht auf wackeligem Fundament. Zum Beispiel widerspricht der Regionalismus der Lega Nord dem Zentralismus der post-faschistischen AN.

Überwindung der Orientierungslosigkeit

Die Behauptung, die RC hätte durch ihre Eigenkandidatur den Sieg des “Ulivo” verhindert, ist falsch. Im Gegenteil: Die Unzufriedenheit mit dem Ulivo hat vor allem zu Orientierungslosigkeit auf der Linken geführt. Der Fehler der RC war, die erste Ulivo-Regierung zu unterstützen, anstatt vor den absehbaren Entwicklungen zu warnen und so der heutigen Orientierungslosigkeit vorzubeugen. Eine konseuente sozialistische Opposition ist nötig. Die RC könnte sich zu einer solchen entwickeln; wenn sie es schafft, nicht nur eine Basisopposition zur Regierung zu sein, sondern die Antworten dort zu suchen, wo sie zu finden sind: im System.

Erscheint in Zeitungsausgabe: