Israel/Palästina: Die Rückkehr des größeren Übels

Christian Steiner

Israel/Palästina hat die 5. Wahl in drei Jahren hinter sich, und auf den ersten Blick scheint alles beim Alten. Seit November 2022 ist Benjamin Netanjahu wieder Premierminister, diesmal in einer Koalitionsregierung mit ultra-rechten und ultra-orthodoxen Parteien.

Diese rufen zu jüdischem Terrorismus gegen Palästinenser*innen auf, sind für eine Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit und religiöse Bekleidungsvorschriften, sprechen sich gegen die Finanzierung von Organisationen für Menschen mit Behinderungen aus und befürworten Therapien, die darauf abzielen, die sexuelle Identität von Personen zu ändern.

2021 wurde Netanjahu von einer breiten Koalition an Parteien abgelöst. Diese Koalition war sehr brüchig und zerstritten und hatte als einzige Gemeinsamkeit – auch mit den Wähler*innen - Netanjahu um jeden Preis los zu werden. Doch die “Regierung des Wandels” erfüllte ihre Versprechung nicht und versagte auf ganzer Ebene. Dieses Versagen bereitete den Weg für Netanjahus Comeback und sorgt wahrscheinlich für langanhaltende Probleme.

Die neue rechte Regierung führt die Siedlungspolitik fort und intensiviert die Gewalt gegen Palästinenser*Innen. So droht eine weitere Eskalation im Nahen Osten, die alle Menschen in der Region gefährdet.

Netanjahus Comeback ist das jüngste Beispiel dafür, was uns droht, wenn der alleinige Fokus in einer Wahl darauf liegt, Kandidat*innen oder eine Partei zu verhindern (Stichwort: Kleineres Übel). Daher ist der Aufbau einer Arbeiter*Innen-Partei als echte Alternative so wichtig.

Für Generalstreik gegen die Regierung

Die rechtsextreme Regierung plant, demokratische Rechte abzubauen, um ihre Angriffe auf das Streikrecht sowie Frauen- und LGBTQI+ -Rechte durchzubringen. Dazu wurde ein Gesetzesentwurf eingebracht, der es einer Mehrheitsregierung erlaubt, das Veto des Obersten Gerichtshofs auszuschalten.

Aus Angst vor den Schritten in Richtung autoritärem Regime demonstrieren hunderttausende Menschen, in hunderten Städten und Dörfern seit Jänner auf den Straßen und es ist die größte Bewegung seit Jahren.

Weil die Gewerkschaftsführung trotz Druck von unten nichts tut, kommt die Führung der Bewegung aus Establishment und Staatsapparat. Sie wollen keine grundlegende Änderung der Lage, kein Ende der Besatzung, sondern die Beruhigung der Situation und einen stabilen Rahmen für ihre wirtschaftlichen Interessen. Die Bewegung selbst setzt sich aus sehr verschiedenen Menschen zusammen. Umso überraschender war es, als bei Protesten in Tel Aviv der Slogan “Wo wart ihr in Huwara?” aufkam. Dieser bezieht sich auf das Pogrom in Huwara, wo israelische Siedler*innen palästinensische Häuser in Brand steckten, während das israelische Militär nichts unternahm. Bei einer Rede in der Stadt Beer Sheva wurde gesagt, dass es keine Demokratie geben kann, solange die Besatzung anhält. Das sind wichtige Schritte, die zeigen, wie sich das Bewusstsein bei vielen Aktivist*innen verändert. Socialist Struggle (ISA in Israel-Palästina) Aktivist*Innen sind vor Ort an den Protesten beteiligt und bringen Programm und Forderungen ein. Sie treten für einen Generalstreik ein – ansetzend an den palästinensischen Lehrer*innenstreiks, den Protesten von Gesundheitsbeschäftigten und Lehrer*innen gegen die Justizreform. Sie fordern die Gewerkschaften auf, einen solchen Generalstreik zu organisieren, die Judikative und Polizei unter demokratische Arbeiter*innen Kontrolle zu bringen, ein Ende der Besatzung und ein Ende der systematischen Diskriminierung von Palästinenser*Innen. Sie verbinden das mit der Notwendigkeit, die steigenden Lebenshaltungskosten zu bekämpfen und fordern echte Rechte für Arbeiter*innen oder wie auf den Plakaten steht „Schluss mit den Angriffen auf unsere Rechte, mit der Herrschaft des Kapitals und mit der Besatzung!“

 

https://socialism.org.il/maavak/

 

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