Isolation durch Falle Homeoffice

Stefan Brandl

Über die negativen Folgen von Homeoffice wird viel berichtet: Angefangen von den vielen “Nebenbei”-Aufgaben wie Kinderbetreuung oder dem Abschieben von Kosten für Strom und Internet auf Privatpersonen bis hin zur Überwachung am Arbeitsplatz zu Hause und ein Eindringen in die Privatsphäre. Wegen des wirtschaftlichen Nutzens geben auch mehr als 80% aller befragten Unternehmen an, nach Corona mehr auf Homeoffice zu setzen. Hier geht es aber um eine weitere negative Folge des Homeoffice.

Die Isolierung und das Dezentralisieren der Arbeit erschwert die gewerkschaftliche Organisation und die Betriebsratsarbeit enorm: Zu Hause ist man schwerer erreichbar als beim Haupteingang der Firma. Erfahrungen werden isoliert voneinander von Einzelpersonen gemacht und es fehlt der Austausch mit Arbeitskolleg*innen, um festzustellen, dass es anderen genauso geht. So kann ungleiche Bezahlung viel einfacher vertuscht werden, Überstunden können leichter “übersehen” werden etc. Es fehlen kollektive Erfahrungen und das dadurch entstehende Bewusstsein, dass das alles mit System geschieht. Durch Homeoffice werden wir ins 18. und 19. Jahrhundert zurückversetzt, eine Zeit der Heimarbeit und bevor es starke Gewerkschaften gab.

In Deutschland wurden 2019 65,6% aller Bürojobs von Frauen ausgeübt; eine doppelte Verschlechterung durch Homeoffice und Betreuungspflichten. Und gerade für Frauen ist das „Rauskommen“ aus Wohnung und Familie besonders wichtig, um sich der eigenen Unterdrückung, aber auch der eigenen Stärke bewusst zu werden.

Seitens des ÖGB wird argumentiert, dass viele Beschäftigte sich für Homeoffice aussprechen und man sich nur nach den Bedürfnissen richten würde. Der Wunsch nach Homeoffice sollte angesichts der Alternativen nicht überraschen: Steigender Arbeitsdruck für alle, die NICHT in Homeoffice sind; hygienetechnisch unzureichend gesicherte Arbeitsplätze; Zeitverluste durch stundenlanges Pendeln (mit Ansteckungsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln) oder Corona-bedingtes Ausfallen mancher Öffis. Dass trotz der anfangs genannten Problemfelder Homeoffice immer noch eine so “beliebte” Option ist, unterstreicht nur das Versagen des ÖGB, die Arbeitsumstände hygienisch zu sichern und Arbeitsverhältnisse Corona-gerecht zu organisieren.

 

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