Interview mit einer Freizeitpädagogin: “Wir wissen wie Streik geht!”

Interview mit Uschi Müller, Freizeitpädagogin und Betriebsrätin bei "Bildung im Mittelpunkt"
TERMINHINWEIS: Komm zur öffentlichen Betriebsversammlung / Demo! - MORGEN, 24.10. * 10 Uhr * Sigmund-Freud-Park * Wien

Im Mai wurde dem Betriebsrat der Freizeitpädagog*innen von “Bildung im Mittelpunkt” (BiM, Freizeitpädagogik an Wiener Schulen) eine geplante Gesetzesnovelle zugespielt. Diese sieht vor, aus Freizeitpädagog*innen „Assistenzpädagogen“ zu machen und sie mit Matura, aber nur einem Semester Ausbildung, den Lehrkräften zu unterstellen. Für mehr Arbeit sieht der Entwurf zudem Einkommensverluste von bis zu 19% vor. VORWÄRTS sprach mit Uschi Müller, Freizeitpädagogin und Betriebsrätin bei BiM.

Was glaubst du steckt hinter dem aktuellen Angriff auf die Freizeitpädagogik?

Die Regierungen haben den Bildungsbereich jahrzehntelang kaputtgespart. Jetzt ist alles am Zusammenbrechen und sie versuchen, billig Kitt in die riesigen Löcher zu schmieren.

Würde die Gesetzesänderung so kommen wie geplant, würden dann in Zukunft Lehrkräfte in der Klasse stehen, deren „Ausbildung“ aus Matura und einem zusätzlichen Semester besteht?

Schon jetzt werden Unterrichtsstunden in Freizeitstunden umgewandelt, wenn nicht genug Lehrer*innen da sind. Wieso sollten Direktor*innen dann nicht die Assistenzpädagog*innen in die Klasse stellen, wenn sie keine Lehrer*innen haben?

Welche Folgen hätte das für die Kinder?

Ich glaub nicht, dass Maturant*innen automatisch Ahnung von Didaktik oder Pädagogik haben. Es ist viel Verantwortung. Das kann nicht innerhalb von einem Semester gelernt werden. Ich befürchte, dass es dann keine qualitative Freizeitgestaltung mehr gibt und qualitätsvollen Unterricht erst recht nicht. So werden billige Lehrkräfte eingeführt und das ist absolut nicht in Ordnung!

Wie hast du die Kämpfe und die Stimmung nach Bekanntwerden der Pläne erlebt?

Nach dem Leak der Novelle hat es einen kurzen Schockmoment gegeben. Existenzängste und Angst um die Qualität unserer Arbeit waren groß. Gleichzeitig haben wir innerhalb von 2 Tagen 1.000 Kolleg*innen zu einer Betriebsversammlung mobilisiert. Ein Aktions- und Streikkomitee mit über 50 Kolleg*innen hat sich gebildet. Die erste Protest-Betriebsversammlung am 1. Juni hat schon deutlich gemacht: Wir sind kampfbereit! Die Protestwoche von 12.-16. Juni wurde an den Schulen eigenverantwortlich organisiert und zusätzliche Streiktage, Kundgebungen, Demos oder Infotische durchgeführt. An ca. 50 Schulen gab es zusätzliche Streiks! Der ganztägige Streik am 15. Juni war flächendeckend und von viel Solidarität begleitet.

Wie wichtig ist für Euch Solidarität?

Das ist schon sehr wichtig und hat uns alle sehr gestärkt. In der Protestwoche haben wir Unterschriften gesammelt und viele Gespräche an den Schulen und auf der Straße geführt. Gerade die Gespräche mit Eltern und die Reaktionen der Kinder haben uns gezeigt, wie sehr wir geschätzt werden. Unsere Petition hat mittlerweile über 13.000 Unterstützer*innen!

Nach euren beeindruckenden Widerstandsaktionen wurden endlich Gespräche angeboten. Was sind die nächsten Schritte und wann sind eure Ziele erreicht?

Wir haben unsere Ziele erreicht, wenn in der Gesetzesnovelle alle unsere Forderungen enthalten sind. Es wird noch viel Druck und wahrscheinlich Aktionen brauchen. Wir sind jedenfalls weiterhin streikbreit und wir wissen wie Streik geht!

Ihr habt einige Offensivforderungen drinnen - Verbesserungen zu jetzt. Wie denkst du, könntet ihr die durchbekommen?

Viele der Forderungen betreffen nicht nur uns. Auch die Situation der Lehrer*innen ist dramatisch. Und im Gesundheits- und Sozialbereich schaut es nicht besser aus. Würden die Gewerkschaften diese Bereiche organisieren und die Kämpfe zusammenführen und miteinander verbinden, könnten wir mit Sicherheit in allen Bereichen viele Verbesserungen durchsetzen. Außerdem kämpfen die Beschäftigten in diesen Branchen nicht für sich allein. Es geht uns nicht zuletzt um die Kinder und Menschen, für die wir da sind. Hier gibt es ein riesiges Solidaritätspotential.

Danke für das Gespräch!

 

Info: Was kannst du tun?

Der Arbeitskampf der Freizeitpädagog*innen geht uns alle an. Die Proteste und Streiks der Kolleg*innen von BiM können auch zu einem Vorbild für andere Berufsgruppen, sowie Eltern und Schüler*innen im Kampf um ein anderes Bildungssystem werden. Ihr Arbeitskampf braucht die Unterstützung von uns allen: Du hast ein Kind an einer Schule mit betroffenen Freizeitpädagog*innen? Sprich die Kolleg*innen an und lasse sie wissen, dass du Streiks und Aktionen gut findest. Diskutiere mit Kolleg*innen, Nachbar*innen, Freund*innen, um sie zu informieren und für Aktionen zu mobilisieren.

Organisiere Dich! Lass uns gemeinsam mit allen Beschäftigten und Betroffenen im Bildungswesen eine Bewegung aufbauen. Egal ob Lernende oder Lehrende - nur organisiert und gemeinsam können wir grundlegende Veränderungen durchsetzen, die wir brauchen. Mitglieder der ISA im Bildungsbereich sind Teil der aktuellen Bildungsproteste und setzen sich dort unter anderem für gemeinsame Bildungsstreiks im Herbst ein. 

 

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: