Do 10.06.2010
Sebastian Kugler führte ein Interview mit Holger Burner, deutscher Hip Hop-Künstler und Mitglied der SAV (deutschen Sektion des CWI).
Du bringst dieser Tage ein neues Album raus. Welche Themen sprichst du darin an?
Ich würde sagen, ein paar rote Fäden sind die Perspektivlosigkeit durch die Krise des Kapitalismus (Stichwort Generation Krise). Es finden sich ein paar Tracks darüber, wie Bewegung und Gegenwehr entstehen kann und ein paar Lieder, die uns das Gefühl geben sollen, dass wir etwas können, auch wenn uns der Kapitalismus täglich das Gefühl geben will, das wir nichts wert sind. Die Polizei kommt auch an ein oder zwei Stellen vor.
Ist es überhaupt möglich, in Songs politische Botschaften unverkürzt wiederzugeben?
Das ist eigentlich in keinem Medium möglich. Nicht mal im „Kapital“ von Marx steht alles, was mensch als politische/r AktivistIn wissen muss (zum Beispiel wie Kämpfe funktionieren oder wie Bewusstsein entsteht). Meistens kommt diese Kritik gegenüber Tracks (oder Flugblättern) auch eher von Leuten, die gar keine konkreten oder verständlichen Vorschläge für den Widerstand machen wollen.
Meistens wird in den Medien ein Bild von Hip-Hop gezeichnet, das aus fetten Autos und nackten Frauen besteht. Entspricht das der Wahrheit? Wie politisch ist Hip Hop heutzutage noch?
Das entspricht einem Teil der Wahrheit: Hip Hop ist eine Subkultur die, wie viele andere, von der offiziellen Kulturindustrie aufgenommen wurde. Seitdem bestimmt das die Außenwahrnehmung von Hip Hop, weil wir keine Fernsehsender oder Massenzeitungen haben. Aber auch in der Szene gibt es selbstverständlich (wie überall in der Gesellschaft) Sexismus oder Homophobie. Da gilt es, halt entgegen zu halten. Verlogen ist nur, wenn bürgerliche PoltikerInnen im Fernsehen über die Jugendgefährdung durch Hip Hop reden – unterbrochen von Werbung mit magersüchtigen Models und kurz, bevor sie ihre nächste Unterschrift unter ein Bildungskürzungspaket setzen. Und danach läuft vielleicht das Wort zum Sonntag (kirchliche Sendereihe im deutschen Fernsehen, Anm.) und niemand redet über die Jugendgefährdung durch die Kirche.
Musik steht heutzutage ja im Spannungsfeld zwischen übermächtigen Majorlabels und illegalen Downloadportalen. Wie stehst du dazu?
„Illegal“ ist ja vieles, was gegen die herrschenden Besitzverhältnisse läuft – das Internet nimmt jedenfalls den Majorlabels einen Teil ihrer Kontrollmöglichkeiten und macht es für Menschen ohne viel Geld möglich, trotzdem Musik zu hören. Das ist super! Als Strategie gegen eine kapitalistische Musikindustrie reicht das allein natürlich nicht, da müssen wir auch eigene Strukturen in der echten Welt aufbauen.
In deinen Songs rufst du oft dazu auf, sich nicht nur zu ärgern, sondern selber aktiv zu werden. Du selbst bist Aktivist in der SAV. Für wie wichtig hältst du es, sich zu organisieren und gemeinsam zu kämpfen?
Unverzichtbar! Ohne gemeinsamen Kampf werden wir den Kapitalismus nicht überwinden und ohne Organisierung sind in der Geschichte selbst die stärksten und entschlossensten Massenbewegungen niedergeschlagen worden. Der Investmentbanker Warren Buffet sagt ja öfter: „Es herrscht Klassenkampf und meine Klasse gewinnt.“ - sie ist hervorragend organisiert, das müssen wir auch sein, um eine Chance zu haben, das zu ändern!