Griechenland im Ausnahmezustand

Die soziale Krise und der Klassenkampf haben in Griechenland eine neue Qualität erreicht.
Laura Rafetseder

Griechenland hat 15 Generalstreiks gegen mehrere Runden drakonischer Sparpakete hinter sich, davon drei 48-Stunden-Generalstreiks. Die verhasste PASOK-Regierung musste nach dem Generalstreik im Oktober zurücktreten. Die neue Bankerregierung der „Nationalen Einheit“ (die sozialdemokratische PASOK, die konservative Neue Demokratie und zu Beginn die rechtsextreme LAOS) hat in Übereinkunft mit der Troika bereits das nächste Sparpaket verabschiedet, das u. a. eine Senkung des Mindestlohns im privaten Sektor um 25% beinhaltet. Auch gegen dieses Sparpaket gab es im Februar einen 48-Stunden-Generalstreik. Die soziale Situation ist desaströs, viele Menschen konnten im Winter ihre Wohnungen nicht heizen. Schwangere werden in Spitälern abgewiesen, weil sie sich eine Geburt dort nicht leisten können. Die Selbstmordrate steigt, ebenso die Obdachlosigkeit. PensionistInnen leben von Obst, das von den Märkten weggeworfen wird. In vielen Bereichen werden seit Monaten keine Löhne ausbezahlt.

Die Medien trommeln von den „Pleitegriechen“ und die Herrschenden in Europa behaupten, die „faulen“ griechischen ArbeiterInnen seien schuld. Alles Lügen - offizielle EuroStat-Zahlen zeigen, dass griechische ArbeiterInnen die längsten Arbeitszeiten haben und weniger Lohn erhalten als die meisten Beschäftigten in Europa. Das Problem liegt ganz woanders, der Kapitalismus ist international in der Krise. 2007 platzten Immobilienblasen in den USA und Spanien, 2008 brach die „Finanzkrise“ mit dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers, dem andere folgten, aus. Eine Vielzahl von Finanz- und Industrieunternehmen mussten weltweit mit staatlicher Hilfe gerettet werden. Seit 2009 befindet sich das Zentrum der Krise in Europa, wo eine Reihe von Staaten zunehmend Probleme haben, ihre Staatsschulden zu bezahlen. Griechenland – eine traditionell schwache Ökonomie – bildet den Brennpunkt. Doch die wirtschaftlichen Fundamente sind in einer Reihe von europäischen Staaten ähnlich wackelig.

Es ist also eine Krise des Kapitalismus. In der Hoffnung, den Zusammenbruch weiterer Banken zu verhindern, werden nun überall harte Kürzungspakete geschnürt. Die Banken haben sich billiges Geld von der Europäischen Zentralbank geborgt und mit hohen Zinsen an den griechischen Staat verliehen – damit sie ihre Gewinne machen können, sollen nun griechische ArbeiterInnen bluten! Auch österreichische Banken hoffen auf fette Gewinne. Der Staat Österreich hat bisher über 62 Millionen Euro an der Krise in Griechenland verdient!

Bei der Sparpolitik geht es auch darum, das Lohnniveau nachhaltig zu senken. Die griechische Regierung könnte mit ihrem Budget die Ausgaben für Soziales, Bildung, Gesundheit und die Löhne im Öffentlichen Dienst abdecken. Was das Budget sprengt, ist (neben Militärausgaben) die Bezahlung der Zinsen. Auch der Schuldenschnitt ändert daran nichts Grundlegendes.

Aber die griechischen ArbeiterInnen nehmen die Situation nicht kampflos hin. Im Oktober gab es während des Generalstreiks einen Moment, wo nicht nur die Regierung gestürzt, sondern auch die Frage einer sozialistischen Gesellschaftsveränderung und einer Regierung im Interesse der ArbeiterInnenklasse und Jugendlichen auf die Tagesordnung gesetzt werden hätte können. Im Moment liegt der Fokus stärker auf den Wahlen, die im Frühjahr stattfinden sollen. Für die kommenden Kämpfe braucht es eine linke Führung, die einen Plan vorlegen kann, wie sie gewonnen werden können. Das müsste ein Programm gegen die Spardiktatur durch die Troika beinhalten – und gegen die kapitalistische Krise sein.

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