Griechenland: Beschäftigte besetzen staatlichen Sender

ArbeiterInnenkontrolle über die Medien ist möglich!
Laura Rafetseder

In der Nacht auf den 12. Juni schloss Regierungschef Samaras den staatlichen Fernsehsender ERT per Ministererlass. 2650 Angestellte sollten entlassen werden. Für diese Aktion holte er sich nicht mal Unterstützung von den Regierungspartnern PASOL oder Dimar (demokratische Linke, rechte Abspaltung von Syriza). Das Parlament konnte nichts dazu sagen, weil es bereits in der Sommerpause war. Die Schließung per Dekret steht symptomatisch für die Arroganz der Nea Demokratia – bis jetzt war der Kampf gegen die Sparpolitik nicht erfolgreich, Samaras fühlte sich stark. Alle Streiks der letzten neun Monate waren von der Regierung für illegal erklärt worden, Merkel und die Troika hielten ihm den Rücken frei.

Dabei hatte Samaras aber die Unterstützung für ERT in der Bevölkerung unterschätzt, ArbeiterInnen sind sofort auf die Straße gegangen. Am 13. Juni demonstrierten 80.000 gegen die Schließung von ERT. Die Angestellten von ERT besetzten den Sender und sendeten weiter. Die Regierung nutzte private Firmen um das Signal zu blockieren, aber die ERT ArbeiterInnen sind aufs Internet ausgewichen. Die Regierung setzte Hacker ein, um auch das zu sabotieren, die linken Parteien halfen daraufhin, das ERT-Programm über ihre Kanäle weiter zu verbreiten. Der Mediensektor ging für vier Tage in den Streik, es gab einen 24-Stunden Generalstreik im privaten und öffentlichen Sektor. Schon in der Vergangenheit war die größte Zeitung des Landes von deren Beschäftigten besetzt worden und als „ArbeiterInnenzeitung“ weiter geführt worden – ein kleines Beispiel dafür, welche Rolle Medien spielen können, wenn sie von den Beschäftigten anstatt der herrschenden Klasse kontrolliert werden.

Aufgrund des Drucks schied Dimar mittlerweile aus der Regierung aus, ND und Pasok haben eine neue Regierung mit nur knapper Mehrheit gebildet. Dazwischen war auch offen, ob es nicht überhaupt zu Neuwahlen kommt – ein Szenario dass alle Regierungsparteien vermeiden wollten.

Aber die Gewerkschaftsführung und die Linke, besonders KKE und Syriza haben den Kämpfen keine Führung gegeben. Die KKE hat den Streik de facto letzten Samstag gebrochen, als sie ihre größte Zeitung publizierte ohne die Gewerkschaften und die Streikenden davor zu konsultieren (die anderen linken Zeitungen in Griechenland wurden während dem Medienstreik nicht publiziert, um die Publikation einer eigenen Streikzeitung zu unterstützen). Darüberhinaus hat die Druckerei der KKE während der Streiks drei andere Zeitungen aus kommerziellen Gründen publiziert, inklusive einer rechtsgerichteten Zeitung. 

Syriza hat ihre Zeitungen, die täglich erscheinende Avgi sowie ihre beiden wöchentlichen Zeitungen, nicht publiziert, aber die Führung war über den ERT-Streik gespalten und schwankte immer wieder. Während der Treffen der linken Fraktion in der Journalistengewerkschaft haben führende Syriza-Mitglieder gegen Streikaktionen argumentiert, mussten aber dann dem Druck in Richtung Streik nachgeben. Aufgrund der Fehler der Linken sowie der Gewerkschaftsführung ist die Bewegung jetzt im Rückzug begriffen. Es ist aber nach wie vor offen wie sich die Situation weiter entwickelt.

Xekhinima, die griechische Schwesterorganisation der SLP, hat die Protestbewegung sofort unterstützt – durch unsere Positionen innerhalb der Gewerkschaft, durch die Teilnahme an den Protesten vor den ERT-Gebäuden auf täglicher Basis sowie durch die sofortige Produktion eines Massenflugblatts. Wir haben argumentiert, dass sieben Tage Streik im Mediensektor und ein neuer 48-Stunden Generalstreik durch die Gewerkschaften des öffentlichen und privaten Sektors nötig ist. Das hätte ein Lawine von Streiks losgetreten, viele Sektoren wären in den Kampf eingetreten. Wenn das keinen Erfolg gebracht hätte, hätten weitergehende Streikaktionen organisiert werden müssen, mit wiederholten Generalstreiks und einer sozialen Massenbewegung um Samaras zum Rückzug bezüglich ERT zu zwingen. Das hätte letztlich den Weg zum Fall der Regierung geebnet und die Frage einer Regierung der Linken unter der Führung von Syriza gestellt. Solch eine linke Regierung muss sich weigern die Schulden zu zahlen und alle von der Troika auferlegten Maßnahmen ablehnen. Stattdessen muss sie sozialistische Maßnahmen umsetzen und die großen Banken und multinationalen Konzerne in öffentliches Eigentum überführen sowie eine demokratisch geplante Wirtschaft einführen, um die soziale Misere und endlose Sparpolitik zu beenden.