Gewerkschaften aus der Geiselhaft der SPÖ befreien!

Albert Kropf

Die derzeitige Krise der SPÖ betrifft auch die Gewerkschaften. Seit 30 Jahren sind sie in der ungebrochenen Treue ihrer Führung zu dieser durch die „Verbürgerlichung“ verstümmelten SPÖ gefangen - einer SPÖ die sich nur in ihrer Geschichte, nicht ihrer Politik von den anderen bürgerlichen Parteien unterscheidet. In der Hoffnung auf Belohnung durch gute Jobs (Parlament, Landtage, Gemeinderäte, Aufsichtsräte etc.) und ein paar Brosamen für die Beschäftigten versucht die ÖGB-Bürokratie die SPÖ ungebrochen als einzige wählbare Alternative für uns zu präsentieren. Das Resultat ist ernüchternd: die SPÖ an der Regierung nimmt nicht nur die Angriffe der vorigen Regierungen nicht zurück, sie geht sogar deren Weg weiter. Die Gewerkschaften bringen der SPÖ zwar viele Stimmen bei Wahlen, erhalten aber demgegenüber kaum mehr politische Zugeständnisse. Ganz im Gegenteil, der Einfluss der SPÖ dämpft die Gewerkschaftsaktivitäten und schadet uns damit massiv!

ÖGB-Führung hat keinen Plan für die Krise

Wir sehen das derzeit konkret in der Hilfslosigkeit von sowohl SPÖ als auch ÖGB bei der Preisexplosion in Österreich. Beide fordern im Gleichklang „Preissenkungen“, allerdings hören wir nichts von Lohnerhöhungen, die die ureigenste Aufgabe der Gewerkschaften wären. Alle Kollektivvertragserhöhungen liegen deutlich sogar unter der offiziellen Inflationsrate. Bis auf Presseaussendungen rührt der ÖGB keinen Finger im Kampf weder für höhere Löhne noch für Preissenkungen. Eine Alibi-Mobilisierung zum Dampfablassen im Herbst 2022 wurde so zum fürchterlichen Rohrkrepierer. Stattdessen vertrösten sie uns mit Forderungen auf „Almosen“ in Form von Sozialhilfe, Einmalzahlungen und Unterstützungen für jene, bei denen es sich finanziell gar nicht mehr ausgeht und die sich das Leben nicht mehr leisten können. Das ist kein Zufall, sondern politischer Ausdruck der Geiselhaft, in der sich die Gewerkschaften befinden. Die SPÖ kann sich damit der Wirtschaft als Garant für sozialen Frieden und als gemäßigte, kontrollierbare Kraft präsentieren. Mit den Gewerkschaften an der kurzen Leine, kann sie die Arbeiter*innenklasse ruhig halten und soziale Explosionen wie in Frankreich verhindern. Das ist ein großes Versprechen an die Unternehmen, aber keins für die Beschäftigten! Das zeigt, dass die ÖGB-Führung außer ein abstraktes „verhandeln“ kein Konzept hat.

Gewerkschaften sind mehr als ihre Führung!

Gewerkschaften können aufgrund ihrer Rolle und ihrer Verankerung in der Arbeiter*innenklasse nicht 1:1 verbürgerlichen wie etwa Parteien. Sie können aber an Bedeutung verlieren und von anderen Organisationen überholt und an den Rand gedrückt werden. Grundsätzlich vertreten wir als Marxist*innen eine größtmögliche gewerkschaftliche Einheit. Wir verstehen aber auch, wenn sich Beschäftigte wegen der Politik des Nichtstuns und Vertröstens von den Gewerkschaften abwenden. Oft sind es die kritischen Kolleg*innen, die nicht mehr bei- oder sogar austreten. Mit ihnen gemeinsam müssen wir eine Perspektive für eine kämpferisch, demokratische Gewerkschaftspolitik entwickeln, gemeinsam kämpfen und gemeinsam die Gewerkschaften zurückgewinnen. Unserer Forderungen nach “Urabstimmungen für Verhandlungsergebnisse”, “keine Verhandlungen hinter geschlossenen Türen” und “Durchschnittslohn für Gewerkschaftsfunktionär*innen” sind auch dabei zentral, wieder ein Vertrauen in die Gewerkschaften als „unsere“ Organisation aufzubauen.

Zentral ist dafür auch, die Gewerkschaften von der SPÖ zu trennen, da kämpferische Gewerkschaftspolitik sich laufend gegen die Politik der SPÖ, wo immer sie an der Macht ist und Kürzungspolitik betreibt, richten muss. Gewerkschaften sollten nicht “unpolitisch” sein, sondern sie brauchen politische Bündnispartner, die 100% auf Seiten der Arbeiter*innen stehen. Die Auseinandersetzung rund um eine andere, kämpferische Gewerkschaftspolitik und Überwindung der Geiselhaft durch die SPÖ ist auch der Schlüssel hin zum Aufbau einer neuen Arbeiter*innen-Partei.

 

Info:

Trotz ihrer bürgerlichen Führung haben bis zu in die 1990er Jahre soziale und gesellschaftliche Kämpfe tief in die SPÖ hineingewirkt und ihre Politik und Programmatik mitbestimmt. Die Reformpolitik der 1970er Jahre unter Bruno Kreisky waren keine bloßen Reformen von oben für die vielen Menschen da unten. Sie standen im Austausch mit einer sich seit Ende der 1960er Jahren zunehmend politisierenden Gesellschaft, vor allem der Jugend. Aktivist*innen aus Bewegungen, den Betrieben und Gewerkschaften brachten die Forderungen und Ideen der Menschen in die SPÖ ein. Sie war damit eine lebende Partei mit aktiven Gliederungen in viele Lebensbereiche der Menschen: von den Kinderfreunden, unterschiedlichen Berufs- und Freizeitvertretungen, den Gewerkschaften bis hin zum Sterbeverein. Ausdruck findet die „Verbürgerlichung“ der SPÖ heute in den entleerten Parteistrukturen, dem Absturz der Mitgliederzahlen von 700.000 auf knapp über 120.000 heute und dem Bedeutungsverlust vieler ihrer Vorfeldorganisationen.

 

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