FPÖ/BZÖ: Das letzte Gefecht?

John Evers

“Das BZÖ ist die letzte Chance” (BZÖ-Vize-Chefin Heike Trammer, 19.4.2005).Tatsächlich hält Haider selbst in einer OGM-Unfrage beim Rekordwert von minus (!) 69 Prozent –  er ist inzwischen der mit Abstand unbeliebteste Spitzenpolitiker des Landes. Die SLP stellt dazu in einer aktuellen Stellungnahme fest “Zu ihrem Höhepunkt hat die FPÖ 27 % erreicht, vor Haider mit einer Ausrichtung auf das deutschnationale Lager 4-6%. Nach einem letzten Test bezüglich der Kräfteverhältnisse in der FPÖ angesichts der Abstimmung über den Ausschluss Mölzers hat sich Haider für die Trennung entschieden. Haiders Vorstellung ist folgende: er überlässt Strache&Co mit der FPÖ diese 4-6% und holt sich die restlichen 21-23%. Diese Rechnung wird nicht aufgehen.”

Eine katastrophale Bilanz

Den Auslöser der Spaltung der FPÖ stellt zweifellos ihre katastrophale Performance in der Regierung dar. Das Kabinett Schüssel I war 2002 am Rücktritt der gesamten freiheitlichen Führungsriege zerbrochen. Auch die letzten sieben Regierungsumbildungen in nur zwei Jahren (Kabinett Schüssel II, seit Februar 2003 im Amt) gingen - mit der prominenten Ausnahme Ernst Strassers - praktisch ausschließlich auf das Konto der Freiheitlichen. Unprofessionalität - vor allem gegenüber einer sehr machtbewussten ÖVP-  bzw. allzu offensichtliche Korruption sorgte für Unmut und zuweilen nur mehr Kopfschütteln. Letzte Meldung: Wie erst jetzt bekannt wurde erhielt der Ex-Mandatar Gaugg angeblich für sein Verschwinden von der politischen Bühne,  200.000 Euro Riess-Passer und Karl Schweitzer zugesichert, die er nun einklagen möchte (Standard, 20.4.2005). Bereits 2001 meinte die SLP, dass die FPÖ zum eigentlichen Schwachpunkt des Wendeprojekts mutiert ist. Der Sinkflug der Freiheitlichen hat allerdings einen handfesten Hintergrund: Der hemmungslose Populismus der Haider-Ära wurde vor allem durch die neoliberale Regierungspraxis schnell entzaubert.

Verzweifelter Befreiungsschlag alt: Knittelfeld

Die FPÖ gilt heute als normale “Altpartei” - als Partei der Nehmer, der gebrochenen Versprechen, der Kürzungs- und Sozialabbaupolitik. Die Schnelligkeit mit der ihr Absturz erfolgte, die binnen weniger Monate wieder zusammengeschmolzenen Mandate und öffentlichen Ämter,  sorgten seit ihrem Regierungseintritt, für die permanenten inneren Spannungen, Spaltungen, Personalrochaden und nicht zuletzt die immer neuen Kapriolen des Kärntner Landeshauptmannes. Haiders eigene Positionierung seit 2000 drückt diese innere Zerissenheit gut aus:  In der ersten Phase versuchte er die Arbeitsteilung als zwischenrufende Opposition zur eigenen Regierung. Nach den permanenten Niederlagen für die siegesgewohnte Partei, erfolgten “Klub Jörg”-Gründung und “Knittelfeld”. Es war der erste Versuch eines Befreiungsschlages, einer Neupositionierung, damals gegenüber dem freiheitlichen “Kuschelkurs” in der Regierung und just mit jener “Basis” von der er sich jetzt trennte.  Der Zusammenbruch bei den Nationalratswahlen 2002 (die FPÖ sackte auf ein gutes Drittel ihrer Stärke von 1999 ab), ließen den Verbleib in der Regierung gegenüber der relativen politischen Bedeutungslosigkeit als 10% Oppositionspartei, alternativlos erscheinen.  Doch statt einer erhofften Konsolidierung kam 2003 die größte Streikwelle in der Nachkriegsgeschichte. Für die Regierung setzte es Niederlage um Niederlage;  weiterhin erwies sich die FPÖ als hauptsächlicher “Nettozahler” für den allgemeinen Unmut. Wichtige Ausnahme war lediglich die Kärntner Landstagswahl 2004: Hier versank die ÖVP im Sumpf, während Haider mit Unterstützung der SPÖ (die vorher schon seinen Wahlsieg zu verantworten hatte), erneut Landeshauptmann wurde.

Verzweifelter Befreiungsschlag neu: BZÖ

“weg von starren ideologischen Konventionen, schwerfälligen Strukturen und korsettartigen Parteiapparaten, abseits von kurzsichtiger Interessenpolitik, von gruppendynamischem Destruktivismus und der Kapitulation vor globalen Herausforderungen” (aus der BZÖ-Präambel).
  Die Neupositionierung als inhalts- und ideologielose “Antipartei” BZÖ, war nun der zweite Versuch eines verzweifelten Befreiungsschlages; diesmal ohne, bzw. gegen die (FPÖ) - “Basis”. Der Verzicht auf Strukturen und Apparat, ist zunächst vorgegeben: Vielmehr als die 564 zum Gründungskonvent mühsam angekarrten UnterstützerInnen dürfte das “Bündnis” zur Zeit nicht besitzen.  Der tatsächlich aber stattfindende Streit um Schulden, Parteibüros und deren Türschlösser, verspricht allerdings noch spannend zu werden. Das eigentliche Problem des “neuen” Bündnisses besteht allerdings darin, dass sich am grundsätzlichen Dilemma von Haider und Co. nichts verändert hat: Nämlich dem bisher gescheiterten Versuch, sich als mit den Methoden des Populismus einst groß gewordenen Kraft, in einer unbeliebten Regierung zu behaupten.

Zwei rechtsextreme Parteien

An den Spitzen der Landes- und Bundesorganisation geht der personelle Riss tatsächlich quer durch jene Kräfte, welche die FPÖ ausmachten. Die Aussagen des “BZÖ-Bundesrates” Kampl - Wehrmachtsdeserteure seien Kameradenmörder und Nazis brutal verfolgt worden - weisen lediglich darauf hin, dass ideologische Komponenten bei dieser Spaltung eine absolut zweitrangige Bedeutung gespielt haben. Das Grosz der Regierungs-, Parlaments- und  Bundesratsmitglieder hält sich aus nackter Angst vor dem Verlust von Posten und Privilegien am seidenen, orangenen Faden an. In den Landesorganisationen - mit Ausnahme Kärntens - zeichnet sich aus demselben Grund ein umgekehrtes Bild. Dieser “Klärungsprozess” wird nicht nur personell noch länger andauern: Auch wenn das BZÖ sich jetzt stärker für den “Mittelstand” positionieren will (wie die Haider-FPÖ in ihrer ersten Phase), umkämpfen beide Parteien dasselbe, grundsätzlich für rechtsextreme Kräfte ansprechbare, WählerInnenpotential. Es ist durchaus möglich, dass es hier in den “typischen” Fragen – Stimmungsmache gegen Asylwerber, Sicherheitspolitik, oder  rechte Globalisierungskritik – zu einer Art Wettlauf der rechten Hetzer kommt.

Perspektiven

Zur Zeit ist das politische Überleben des BZÖ keineswegs gesichert, auch das weitere Abrutschen der FPÖ ist die unmittelbar wahrscheinlichste Variante. Die Instabilität der Regierung hat sich dadurch insgesamt dramatisch erhöht: Neben der Angst vor Neuwahlen, hält sie im Grunde nur die die Alternativlosigkeit der Opposition am Leben. Es dauerte immerhin zwei Wochen bis sich die Bundes-SPÖ endlich zu Neuwahlforderungen für Kärnten durchrang - ganz abgesehen von den Bussis die der Rechtsextremist John Gudenus von einer SPÖ-Mandatarin für seine Stimme im Bundesrat gegen die Regierung erhielt.
    Ausgeschlossen ist allerdings, dass das derzeit gepflegte harmonische Bild - hier die väterliche ÖVP, da ihr nunmehr braver Mehrheitsbeschaffer - lange anhält:  Neben den “inneren” BZÖ/FPÖ Kämpfen, werden vor allem Haider und Co. versuchen, sich in jeder erdenklichen Weise (neue Staatsbesuche?) zu  profilieren. Umgekehrt sind Abwanderungstendenzen vom BZÖ zur ÖVP nicht unwahrscheinlich.
Eine zusätzliche Frage betrifft die Zukunft der “FPÖ-Alt”: Dort erscheinen heute die ultrarechten Kräfte wie Mölzer und Stadler als wesentlicher Stabilitätsfaktor mit einer gewissen sozialen Basis und Verankerung. Mölzer erhielt immerhin 22.000 Vorzugstimmen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit so etwas wie den gesamten harten, rechtsextremen Kern in Österreich repräsentieren. Angesichts der Tatsache, dass  die wesentlichen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche, rechtsextreme Kraft weiter fortbestehen, könnte sich hier mittelfristig ein besonders gefährliches Bedrohungspotential entwickeln (siehe auch Kasten). Gleichzeitig finden in der “FPÖ-Alt”, weitere Auseinandersetzung um die strategische Ausrichtung - z.B. die Frage einer weiteren Regierungsbeteiligung/ Unterstützung - bereits hinter den Kulissen statt.

Die Rolle der ArbeiterInnenbewegung und der SLP (aus unserer Stellungnahme)

   Die jetzige Situation ist auch Ausdruck für das Fehlen einer ArbeiterInnenpartei, die die sozialen und politischen Interessen der ArbeiterInnenklasse im Parlament aber v.a. auf der Strasse vertritt. Seit der Verbürgerlichung der Sozialdemokratie gibt es in Österreich keine ArbeiterInnenpartei mehr - gerade jetzt wäre sie aber wichtig. Eine solche Aufzubauen, ist daher eine dringende Aufgabe.
Ein wichtiger Faktor für die kommende Entwicklung wird die Rolle der ArbeiterInnenbewegung sein. Sie hat 2003 ein deutliches Zeichen gesetzt. Unter dem Einfluss der Gewerkschaftsbürokratie wurden die Kämpfe damals aber nicht erfolgreich zu Ende geführt und die Regierung gestürzt, sondern im Gegenteil seither weitere Angriffe hingenommen. Im Kampf für ihre sozialen Rechte kommt der ArbeiterInnenewegung die zentrale Rolle zu - diese Fragen werden nicht bei Wahlen, sondern auf der Strasse und in den Betrieben gelöst werden. Die momentane demokratiepolitische Farce kann die Ablehnung in das Establishment weiter erhöhen (insbesondere da die Opposition nicht in der Lage ist, sich als Alternative zu präsentieren) und bei kommenden Wahlen (neben wahrscheinlicher Zugewinne für die SPÖ) v.a. das Lager der nicht-WählerInnen verstärken.
Die Aufgabe von SozialistInnen wird es nicht nur sein, bei kommenden Wahlen eine wählbare Alternative, eine ArbeiterInnenpartei bzw. eine sozialistische Partei, anzubieten sondern v.a. klar zu machen, das es Politik jenseits der etablierten Parteien gibt und das sich die ArbeiterInnenklasse in ihrem Kampf für soziale und demokratische Rechte nicht auf die etablierten Parteien verlassen kann, sondern nur auf sich selbst.
Dass sich der ÖGB angesichts einer solchen Regierungskrise in Schweigen hüllt, ist ein Armutszeugnis. Jetzt wäre es nötig, nicht nur Neuwahlen zu fordern, sondern Proteste und Widerstand zu organisieren, die dieser Regierung ein Ende bringen und jeder neuen klar machen, dass künftiger Sozialabbau auf massiven Widerstand seitens der ArbeiterInnenbewegung treffen wird.
Der ÖGB braucht ein Sozial- und Wirtschaftsprogramm, dass nicht in der neoliberalen Logik des Kapitalismus stecken bleibt, sondern sich an den Bedürfnissen der ArbeiterInnenklasse orientiert. Das bedeutet u.a. die Rücknahme der Pensions”reformen”, der Zerschlagungen bei Postbus und Bahn, sowie des Sozialabbaus der letzten Jahre.
Der ÖGB muss umgehend zu einer Großdemonstration zum Ende der Regierung aufrufen. In den Betrieben und Dienstellen müssen Aktionsgruppen gebildet werden deren Aufgabe die Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen gegen Sozialabbau und Privatisierung sind: Kundgebungen, Demonstrationen und Streiks. Im Rahmen dieser Aktionsgruppen sollte auch über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten für eine politische Alternative diskutiert werden. Damit nach Neuwahlen die österreichische ArbeiterInnenklasse nicht mit einer neuen, neoliberalen Regierung (mit ähnlichem Programm aber unterschiedlichen Akteuren) konfrontiert ist, ist der Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei mit sozialistischem Programm notwendig. Weder SPÖ noch Grüne können diese Aufgabe erfüllen, die Impulse dafür müssen aus der Gewerkschaftsbewegung und von kämpferischen KollegInnen kommen.

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