Für eine neue sozialistische ArbeiterInnenpartei!

Nach der Rechtsentwicklung der Sozialdemokratie
Gustav Nowotny

Tony Blair und Lionel Jospin werden von den Medien zu den Superstars der europäischen Sozialdemokratie hochgejubelt. Sie sind vor allem modern. Läuten sie einen neuen Frühling für die Sozialdemokratie ein oder sind sie nur bessere Showmaster in der Show, die sich Politik nennt?
In Frankreich schlugen die SozialdemokratInnen (die nunmehr mit „KommunistInnen“ und Grünen die Regierung stellen) mittels linker Versprechungen die Bürgerlichen vernichtend. Die französische Arbeiter-Innenklasse hat Lionel Jospin beim Wort genommen. Aber wie weit wird das Versprochene (35-Stunden-Woche, 700.000 neue Arbeitsplätze, Anhebung des Mindestlohns um 4%) auch verwirklicht? Tatsache ist, daß Jospin seine Versprechen zurückgenommen, dann aber wegen massiver Proteste wieder, aber in abgeschwächter Form bekräftigt hat. Wahrscheinlich ist, daß die Versprechungen in ersten Ansätzen erfüllt und dann langsam „schubladisiert“ werden. Das Vertrauen in Jospin ist offensichtlich nicht allzu groß, die Gefahr eines weiteren Erstarkens der Front National bei Wortbruch Jopins groß.
Und in Britannien? Dort errang die New Labour Party unter Blair ihren Wahlsieg hauptsächlich deshalb, weil die ArbeitnehmerInnen die 18jährige Tory-Herrschaft satt hatten - nicht für die New Labour, sondern gegen die Tories wurde gewählt. Blair, der eine offen bürgerliche Linie vertritt, will in Sachen Gewerkschaften, Sozial- und Gesundheitswesen etc. den Kurs seiner konservativen Vorgänger im wesentlichen weiterfahren. Die Reste des linken Parteiflügels sind mundtot gemacht und das Parteiprogramm von fortschrittlichen Inhalten gesäubert worden (z.B. wurde die Verpflichtung zur Verstaatlichung von Schlüsselindustrien im Falle des Wahlsiegs ersatzlos gestrichen). Die Unterstützung von New Labour durch bürgerliche Medien wie etwa vom Revolverblatt „Sun“ rundet das Bild ab.
Doch mit der Umkrempelung der britischen Labour Party ist es noch nicht getan. So hat etwa die deutsche SPD Blair zu ihrem ideologischen und wahlstrategischen Vorbild ernannt und will es „in 72 Wochen genauso machen“.

Österreich voll im Trend

In Österreich dasselbe in Rosarot: SPÖ-Geschäftsführer Rudas will „sozialdemokratische Dogmen“ im Sinne der Bürgerlichen durchbrechen, Bundeskanzler Viktor Klima lamentiert, daß „wir uns ans Abschaffen (von Sozialleistungen, ArbeitnehmerInnenrechten etc.) gewöhnen müssen“ usw..
Anhand der genannten Beispiele ist die Tendenz der europäischen Sozialdemokratie klar ersichtlich. Die sozialdemokratischen Parteien sind längst keine Vertreter der ArbeiterInnen mehr; sie sind willfährige Diener und Ausführungsorgane des Kapitals. Aber gibt es linke Alternativen zur Sozialdemokratie?
Unter den etablierten Linksparteien wohl kaum. Zum Beispiel unterstützte die italienische „Rifundazione Communista“ das Wahlbündnis „Ulivo“, an dem auch bürgerliche Parteien teilnahmen. Damit nicht genug, duldete die RC einen bürgerlichen Ministerpräsidenten, stimmten nicht gegen Sparpakete und unterstützte auch das „Arbeitsbeschaffungspaket“. Damit soll 100.000 Jugendlichen aus dem Süden des Landes für ein Jahr Arbeit verschafft werden (bei ca. 6000 öS Lohn). Die Tatsachen, daß das Paket das Arbeitsrecht schwerst verletzt und die Jugendlichen nach Ablauf des Jahres vor dem Nichts stehen, scheint die RC-Führungsriege nicht sonderlich zu beeindrucken. Proteste des linken Basisflügels werden nicht einmal ignoriert.
Und in anderen Ländern? Im Fall der deutschen PDS (Nachfolgeorganisation der SED) darf bezweifelt werden, daß diese Partei tatsächlich den Aufbau des Sozialismus im Sinne hat. Im Programm: “Sozialismus mit marktwirtschaftlichen Elementen”. Der Stalinismus sei im wesentlichen an einem Mangel an „selbstregulierenden Mechanismen“ gescheitert, weshalb  im Sozialismus ein System von „Betrieben in  Privat-, Kooperativen-, Kommunal- und Staatsbesitz im Interesse der Menschen“ errichtet werden müsse. Die explizite Forderung nach Verstaatlichung und Kontrolle der Betriebe durch die ArbeiterInnen fehlt. Was jedoch weit schwerer wiegt, ist die Tatsache, daß die PDS faktisch keinen revolutionären Anspruch hat. Sie klinkt sich allenfalls in regionalen Bewegungen ein und ist ansonsten lediglich mit den politischen Tagesaufgaben beschäftigt. Die grundsätzliche Bereitschaft der PDS zur Integration in das bürgerliche Staatssystem äußert sich u.a. auch daran, daß in jenen kommunalen Bereichen wo die PDS regiert, ebenfalls Kürzungespolitik betrieben wird.
So weit, so schlecht. Aber noch ist nicht aller Tage Abend:  Es gibt Ansätze für neue linke Parteien, welche Sozialabbau und Angriffe auf ArbeitnehmerInnenrechte grundsätzlich ablehnen und dadurch den Kampf mit dem Kapital aufnehmen. Zu diesen gehört u.a. auch die britische „Socialist Labour Party“, gegründet und geführt von Arthur Scargill, dem Vorsitzenden der Bergarbeitergewerkschaft. So begrüßenswert die Neugründung linker Parteien ist, so muß im Fall der SLP auch Kritik geübt werden. Arthur Scargill hätte mit seiner Neugründung den Anstoß zu einer linken Massenbewegung geben können. Statt dessen legte er im Rahmen der SLP-Gründung ein fixfertiges Organisationskonzept mit starrer Linie vor und erklärte, daß SLP-Mitglieder nirgendwo sonst Mitglied sein dürften. Somit dürfte die SLP mittelfristig kaum mehr als eine linke Labour-Abspaltung bleiben. Die Chancen für eine eine neue sozialistische Massenpartei sind bis auf weiteres zunichte gemacht. Andererseits hat sich aber in Britannien und Irland die „Socialist Party“ (SOV-Schwesterorganisation) konstituiert und kann bereits auf einen Erfolg verweisen: Joe Higgins von der Dubliner Socialist Party hat einen Parlamentssitz errungen. Auch die Wahlerfolge, die Gruppen links von der französischen KP - LO, LCR - erzielten, beweisen das Potential für eine neue sozialistische Partei.
Damit die Linke einen relevanten politischen Faktor darstellt, bedarf es der engen Zusammenarbeit linker Gruppierungen, die den Widerstand gegen Privatisierungen, Sozialabbau und Abbau von ArbeitnehmerInnenrechten als ihre vordringlichste Aufgabe sehen. Das bedeutet eine Absage an Sektierertum und politische Eigenbrötlerei. Beispiele, wie man es besser macht, sind etwa die ÖDP in der Türkei und die „Scottish Socialist Alliance“. Diese Formationen bringen nicht nur verschiedene linke Organisationen und Parteien auf gleichberechtigter Grundlage zusammen. Hier wurde erkannt, daß in der Akzeptanz der eigenständigen Identität von Organisationen (richtig angewandt) in der jetzigen Situation neue Einheit entstehen kann.

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