Es gibt weit mehr als Schnitzel und FPÖ!

Lukas Kastner

Oft hört man von zu wenig Protestbereitschaft in Österreich. Doch so einfach ist die Realität nicht.

Oftmals hat man das Gefühl, es würde hierzulande nur bei den Rechten was weitergehen. Im internationalen Vergleich ist das Niveau der Klassenkämpfe tatsächlich noch gering. Doch das ist kein Naturgesetz. Die österreichische ArbeiterInnenklasse ist nicht weniger kampffähig, als die anderswo. Dies hat sie immer wieder gezeigt: u.a. in den großen Streiks gegen die Lohn-Preisabkommen und die Sozialpartnerschaft in der Nachkriegszeit (mit dem Oktoberstreik als größten in der Geschichte der 2. Republik), mit wilden Streiks in den 1970ern, Massenprotesten gegen Privatisierungen und dem de facto Generalstreik gegen die Pensionsreform von Schwarz-Blau 2003. Auch in den letzten Jahren gab es immer wieder Massenproteste gegen Kürzungen. So protestierten 2011 Zehntausende in der Steiermark gegen Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich. In Salzburg setzten sich die Landesbediensteten 2012 erfolgreich gegen eine Nulllohnrunde zur Wehr. Dabei ließen sie sich nicht von der Zurückhaltung der Führung der Gewerkschaft GÖD, die die Nulllohnrunde akzeptierte, bremsen. Betriebsversammlungen und zwei de facto wilde Streiks mit mindestens 5.000 TeilnehmerInnen wurden von den Beschäftigten selbst organisiert. Die Landesregierung von SPÖ und ÖVP war zunächst nicht einmal zu Verhandlungen bereit. Nach den Protesten mussten sie einer Lohnerhöhung um 50 Euro monatlich zustimmen. Im selben Jahr starteten Flüchtlinge eine Protestbewegung gegen die miese Unterbringung, die Abschiebepolitik, sowie für den Zugang zu Arbeits- und Wohnungsmarkt. Diese konnte sich bis 2013 halten. Schon im Frühjahr 2013 streikten alle acht Ordensspitäler in Oberösterreich (mit 10.000 Beschäftigten) für eine Gehaltsanpassung an die Inflation. Allein in Linz gingen am 20. Februar 2013 2.000 KollegInnen auf die Straße. Auch 2015 kam es zu Protesten im Gesundheitsbereich mit mehreren hundert TeilnehmerInnen in Wien. Auch bei SchülerInnen, LehrerInnen und im Metallbereich gab es Mobilisierungen.

Dies sind einige Beispiele, die die Kampfbereitschaft österreichischer ArbeiterInnen zeigen. Ein beträchtlicher Teil der österreichischen ArbeiterInnenklasse kann und will sich Lohnkürzungen und Verschlechterungen bei Arbeitszeit sowie Arbeitsbedingungen nicht leisten.

Doch die Gewerkschaftsführung klammert sich immer noch an die Rockschöße der SPÖ und die längst tote Sozialpartnerschaft. Der ÖGB hatte sich schon bei seiner Gründung mit dem Kapitalismus abgefunden und seitdem eine Politik der Klassenzusammenarbeit betrieben. Streiks waren dabei nicht vorgesehen. „Gehts der Wirtschaft gut, geht’s den ArbeiterInnen gut“ ist das reale ÖGB-Motto. Damit wurde aber nicht nur erreicht, dass seit Jahrzehnten eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet, sondern auch, dass den ArbeiterInnen wichtige Möglichkeiten, Kampferfahrung zu sammeln, genommen wurden. Auch wenn die Erfahrung fehlt, ist der Wunsch, endlich was zu tun, groß. Als die GPA zur kleinen Aktion im Sozialbereich rief, wurde ein großer Protest daraus. Beim Metallerstreik 2013 waren die KollegInnen wütend, dass die Gewerkschaft zu früh und für einen faulen Kompromiss den Arbeitskampf beendet hat. Auch diesmal wurde viel Säbel gerasselt, dann aber ein lauer Deal geschlossen, ohne die Beschäftigten darüber zu befragen. Viele KollegInnen sind von den symbolischen Dampf-Ablass-Aktionen genervt. Mit echten Kampfmaßnahmen, wie bundesweiten Streiks, wäre wesentlich mehr als 1,6% Lohnerhöhung drinnen gewesen. Doch dafür braucht es eine kämpferische und demokratische Gewerkschaft.

Überdeutlich ist auch, dass die etablierten Parteien nicht auf der Seite von Beschäftigten, Arbeitslosen und ihren Familien stehen. Der Wunsch nach Alternativen zur herrschenden Politik war dadurch bei allen Protesten breit vorhanden. Solange eine linke Alternative fehlt, kann es der FPÖ gelingen, diesen Unmut durch pseudosoziale Rhetorik für sich zu nutzen. Wenn wir also kämpferische und flächendeckende Proteste fordern, dann hat das zwei Gründe: Diese sind nötig, um die ständigen Verschlechterungen endlich zu stoppen UND um FPÖ & Co. zu stoppen. Dies gilt ebenso für eine neue ArbeiterInnenpartei. „So etwas wie eine Linke in Deutschland bräuchte es ja eigentlich.", brachte es ein Landesbeschäftigter bei den Protesten in Salzburg auf den Punkt. Derzeit haben die Unternehmen sechs Parteien im Parlament, die ihre Interessen vertreten und unseren Lebensstandard angreifen – wir haben keine! Daher brauchen wir unsere eigene Organisation, mit der wir uns gegen diese Angriffe wehren und für Verbesserungen kämpfen können. Eine neue ArbeiterInnenpartei mit sozialistischem Programm kann eine entscheidende Rolle bei der Vernetzung und Ausweitung von Protesten spielen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass dies immer notwendiger wird. Also stecken wir den Kopf nicht in den Sand! Organisieren wir den Widerstand gegen Sozialabbau, Rassismus und die Politik für Superreiche. 

 

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