Eine Schule für das Leben – nicht bloß für die Wirtschaft

So stellen sich SozialistInnen eine echte Bildungsreform vor
Elisabeth Brahier

Stell dir vor… Du kommst morgens in deine Klasse und hast höchstens 15 MitschülerInnen. Ihr selbst bestimmt gemeinsam, was ihr an diesem Tag lernen wollt. In deiner Klasse ist es möglich, dass sich die Lehrerin oder der Lehrer die Zeit nimmt, deine Fragen ausführlich zu beantworten und die ganze Klasse traut sich dabei einfach mitzureden. Monologe der LehrerInnen gibt es nicht, stattdessen erarbeitet ihr alles in eurer Gruppe. Und das nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch: Immer wieder geht ihr in Betriebe, sei es eine Solarzellen-Fabrik, ein Stahlwerk, oder eine Softwarefirma.
Es gibt kaum Konkurrenz zwischen den MitschülerInnen, denn bei euch gibt es keine Noten und ihr braucht euch keine Angst um eure berufliche Zukunft zu machen. Du kannst jede und jeden fragen, ob er oder sie dir hilft, wenn du etwas nicht verstehst.

“Klassensystem” – auch im Schulwesen

Leider sieht die Wirklichkeit des österreichischen Schulsystems vollkommen anders aus. Statt uns zu mündigen, gleichwertigen Menschen zu erziehen, hat das Bildungssystem in einem Staat wie dem unseren primär die Aufgabe, die breite Masse auf den kapitalistischen Produktionsprozess vorzubereiten. Von Anfang an bekommen wir heute die Auswirkungen der Klassengesellschaft zu spüren. Wir sollen lernen, uns Autoritäten unterzuordnen – gelernt wird in Konkurrenz um bessere Noten.
Schule im Kapitalismus ist undemokratisch: Von oben wird bestimmt, was, wie und in welcher Zeit zu lernen ist, und auch, wer was lernen darf.
Die Teilung der Gesellschaft in Menschen, die umfassend gebildet sind und solche, die weniger oder gar keine Bildung haben, ist so alt wie die Teilung in Herrscher und Beherrschte. Die Geschichte des Bildungswesens ist daher ebenfalls Teil der Geschichte von Klassenkämpfen, die zu Veränderungen führten und führen. Um unserem mangelhaften Schulsystem aus dem Weg zu gehen schicken jene Eltern, die es sich leisten können, ihre Kinder auf eine Privatschule, damit diese dort eine ausgezeichnete Eliteausbildung erfahren können.  Laut “Euro Student Report” beträgt der Anteil der “Arbeiterkinder” unter den Studierenden in Deutschland 16, in Frankreich 18 und in Österreich neun Prozent.

Bildung muss Recht für alle sein, nicht Privileg für wenige.

Alle Kinder und Jugendlichen haben unabhängig von ihrer Herkunft und dem Einkommen ihrer Eltern das gleiche Recht auf die best mögliche Bildung! Bildung im Sozialismus bedeutet die Möglichkeit, sich nach seinen Interessen immer wieder neu orientieren zu können, ein lebenslanges Lernen ohne Grenzen.  Die SchülerInnen lernen in ganztägigen Gemeinschaftsschulen, in denen sie nicht in Klassen, sondern in Kurse und Stufen gemäß ihren Fähigkeiten und Vorlieben aufgeteilt sind. Natürlich muss jedes Kind lesen, schreiben und rechnen lernen. Dies dürfte in Kleingruppen am sinnvollsten umzusetzen sein. Es gäbe jedoch keine starren Unterrichtszeiten. Die Schule wäre ein Ort, an dem es ganztags möglich wäre zu lernen und zu lehren. Lerngruppen wären kleiner, der Lehrer Lernhelfer statt Autoritätsperson. Druck durch Noten wäre abgeschafft, vielmehr würde Wert gelegt auf individuelle Förderung und gegenseitige Hilfestellung. Abgesehen davon, sind auch “Außerschulische Lernorte” eine Verzahnung von Praxis und Theorie im Unterricht, im Sozialismus der Normalfall. Auch alle Zuzahlungen für Lernmittel, Mittagessen, Ausflüge oder Exkursionen gehören abgeschafft. Eine sozialistische Gesellschaft beruht darauf, dass jede und jeder sich in die Gesellschaft einbringt, sodass demokratisch über alle Lebensbereiche entschieden werden kann. Deshalb wird das Bildungssystem in einer sozialistischen Gesellschaft den Kindern und Jugendlichen nicht von oben verordnete Inhalte und Arbeitsweisen aufzwingen. Die Lehrinhalte und Lernmethoden würden gemeinsam demokratisch auf verschiedenen Ebenen von den Lehrenden, Eltern und SchülerInnen diskutiert und erstellt.  Es gäbe Interessensvertretungen mit politischem Mandat und Streikrecht. Außerdem würde dem wachsenden Einfluss der Konzerne auf Forschung und Lehre, durch Sponsoring und Privatisierung von Bildungsstätten, ein Ende gesetzt werden.

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