Ein Ausblick auf das 21. Jahrhundert

Düstere Zukunft
David Mum

Im Vergleich zum Optimismus, der am Beginn dieses Jahrhunderts innerhalb großer Teile der sozialistischen bzw. kommunistischen Bewegung herrschte, ist die Stimmung Ende des 20. Jahrhunderts nicht von unerschütterlichem Fortschrittsglauben geprägt. Die ArbeiterInnenbewegung kann in den letzten 100 Jahren auf Errungenschaften, aber auch auf Enttäuschungen und Niederlagen zurückblicken.
Viel von dem, was heute als „selbstverständlich” gesehen wird, geht auf die revolutionären Bewegungen nach dem 1. Weltkrieg zurück. Aber auch nach dem 2. Weltkrieg konnte die ArbeiterInnenbewegung dem Kapital weitere Reformen abtrotzen. Diese waren jedoch weniger das Resultat von Arbeits- und Klassenkämpfen; als vielmehr der Angst der Bürgerlichen vor der potentiellen Stärke der ArbeiterInnenklasse.
Wie die Errungenschaften der ArbeiterInnenbewegung, die in der revolutionären Situation nach dem 1. Weltkrieg durchgesetzt wurden (8-Stundentag, Betriebsräte, Arbeitslosenversicherung) Ziel der Reaktion und des Faschismus waren, so stehen auch heute immer mehr Rechte der ArbeiterInnenklasse auf der Abschussliste des Kapitals, oder sind schon zumindest aufgeweicht: 8-Stundentag und geregelte Arbeitszeiten, soziale Absicherung, Betriebsräte und Gewerkschaften. Die ideologische Offensive des Kapitals nach dem Zusammenbruch des Stalinismus in Verbindung mit der schwierigen Situation der Weltwirtschaft macht die Lage der Lohnabhängigen global immer prekärer. Dem ideologischen folgte ein realer Angriff auf den „Luxus” des Wohlfahrtsstaates. Die Politik orientiert sich daran, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sicherzustellen - auf Kosten der ArbeitnehmerInnen, der Löhne und Sozialleistungen.

Grenzen des Kapitals

Fortschritt nicht im Sinne von gesteigerten Chancen für die Verwertungsmöglichkeiten des angelegten Kapitals und der Profite, sondern im Sinne gesteigerter Chancen für die breiten Teile der Bevölkerung ist heute nur möglich, wenn die Auseinandersetzung mit dem Kapital gesucht wird. Von alleine kommen nur Verschlechterungen. Jede technologische Neuerung, die eigentlich den Lebensstandard erhöhen könnte, und bei gleichem Einkommen die Arbeitszeit verringern könnte stellt unter kapitalistischen Bedingungen für die Lohnabhängigen heute auch eine Gefahr dar.
Die Krisen in Asien, Rußland und Lateinamerika zeigen, wohin die Herrschaft des Kapitals und im speziellen des Finanzkapitals geführt hat: die Lebensbedingungen von Millionen Menschen sind abhängig von kurzfristig orientierten Kapitalströmen, die ihrer Jagd nach hohen Renditen fluchtartig ganze Kontinente verlassen und dazu führen, dass Volkswirtschaften zusammenbrechen. Die ArbeiterInnenklasse muss aus diesem Stadium des Kapitalismus neue Schlüsse ziehen. Eine Politik, die sich den Sachzwängen beugt, läuft auf eine immer höhere Verfügbarkeit und Unterwerfung der Menschen unter das Kapital hinaus und ist daher eine Sackgasse. Nur wenn sich die sozialistische ArbeiterInnenbewegung auf internationaler Grundlage organisiert, und der kapitalistischen Globalisierung die internationale Solidarität entgegenstellt, kann die Dynamik der letzten Jahre wieder gebrochen werden.
Was jetzt ansteht, ist wie am Beginn der ArbeiterInnenbewegung, ihre unabhängige politische Organisierung. Hier gibt es, wie in diesem Magazin angeführt, einige Beispiele für eine Neuorganisierung und Neuformierung der Linken. Linke Parteien sind dort erfolgreich und eine wirkliche Alternative, wo sie ihre Politik nicht im Rahmen budgetpolitischer und wettbewerbspolitischer selbst auferlegter Sachzwänge und Rahmenbedingungen orientieren, sondern an den Problemen und Lebenslagen der arbeitenden und arbeitslosen Menschen und an dem, was gesellschaftlich möglich sein könnte.
Im Kapitalismus werden die vielen gesellschaftlich vorhandenen Ressourcen nach zumindest seltsamen Schwerpunkten vergeben: enormer Reichtum und Befriedigung von Luxusbedürfnissen auf der einen Seite, Mangel und Armut, Nichterfüllung von Grundbedürfnissen auf der anderen: diese gesellschaftliche Ordnung kann nicht das Ende der Geschichte sein. Damit würde sich die Menschheit ein schlechtes Zeugnis ausstellen.