Die NGO-“Bedrohung”

Die Rolle von “Nichtregierungsorganisationen”
Khalid Bhatti, SMP/CWI Lahore/Pakistan

Das NGO-Phänomen (NGO = Non-Governmental Organisation) ist auf dem indischen Subkontinent nicht neu. Es trat erstmals während der Kolonialzeit auf, als religiöse, sprachliche und ethnische Gruppen sich in ihrer kulturellen, sozialen und religiösen Identität bedroht fühlten. Diese Organisationen werden als NGOs vom alten Typ bezeichnet. Der neue NGO-Typ entstand in den 1980er und 1990er Jahren durch das Versagen des postkolonialen Staates, die Probleme der Bevölkerung zu lösen. Es gab ein Machtvakuum, das von linken Parteien nicht gefüllt wurde. Somit versuchten die ‚neuen’ NGOs dieses Vakuum zu besetzen, aber auch sie haben dabei versagt.

Das Jahrzehnt der NGOs

Die 1990er Jahre, das Jahrzehnt der NGOs, brachten ein explosionsartiges Wachstum von Nichtregierungsorganisationen. Zufolge einer Studie existieren derzeit mehr als 30.000 NGOs in Pakistan. Alle sozioökonomischen Indikatoren zeigen die elenden sozialen Bedingungen der Massen auf. In den letzten zehn Jahren ist die Armut von 34% auf 51% gestiegen. Gesundheit und Bildung sind mittlerweile Luxus, immer mehr Menschen leben ohne Zugang zu Trinkwasser und sanitären Entsorgungseinrichtungen. Die NGOs befassen sich hauptsächlich mit Fragen von Demokratie, Menschenrechten, Frauenrechten, Kinderarbeit, Arbeiterrechten und Bildung oder nachhaltiger Entwicklung. Ohne Zweifel sind diese Fragen von enormer Bedeutung und sollten gelöst werden. Aber NGOs versuchen diese Fragen auf kapitalistischer Basis mittels Wohltätigkeitsprogrammen zu lösen, was so nicht möglich ist. NGOs beschränken ihren Anspruch ausschließlich auf die Schaffung eines “sozialen Bewusstseins”, weil es nämlich weder im Interesse der Spender noch der NGOs selbst liegt, mit autoritären, diktatorischen oder nicht gewählten undemokratischen Regierungen in Konflikt zu geraten. Menschen aus der ArbeiterInnenklasse wird man übrigens kaum an der Spitze irgendeiner der großen NGOs finden.

Strukturen von NGOs

Es gibt keine innere Demokratie in diesen “zivilgesellschaftlichen Organisationen”. Die Geschäftsführer handeln wie Firmenbesitzer. Sie haben die Entscheidungsgewalt und agieren oft nach dem Prinzip “hire and fire”(Heuern & Feuern). Darunter gibt es 15 führende NGO-Direktoren - die “Könige” der NGOs”, die nicht nur in der eigenen NGO Geschäftsführer sind, sondern auch in anderen NGOs in führenden Positionen sitzen. Diese Organisationen wurden zu einer Art NGO-Mafia, einer privilegierten Klasse von NGOs. Sie sprechen zwar tagtäglich über Demokratie, das gilt selbstverständlich nicht für ihre eigenen Organisationen. Mittlerweile hat eine Unternehmenskultur in den NGOs Einzug gehalten. Nicht Verantwortung und Engagement zählen, sondern der unternehmerische Ansatz. Das bedeutet, geht die Finanzierung zurück, werden Projekte gestoppt. Der Unterschied in Einkommen und Sonderzulagen zwischen Topmanagement und gewöhnlicher/m Arbeitnehmer/in ist sehr groß, in manchen Fällen liegt das Verhältnis bei 1 zu 30. Auch Gelegenheitsjobs werden von diesen Organisationen angeboten, jedoch gelten weder grundlegende Arbeitsgesetze noch existiert das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung. Die NGOs verzichten absichtlich auf ehrenamtliche Tätigkeiten, finanzielle Abhängigkeiten werden ganz bewusst erzeugt.

Starke Auswirkungen auf die Politik

Eine ganze Generation von Linken und GewerkschaftsaktivistInnen hat zu NGOs gewechselt, sie arbeiten nun für die Interessen dieser Organisationen und ihrer multinationalen Spender. NGOs unterhalten enge Beziehungen zum Staat, ihr verstärktes Wachstum reflektiert den Rückzug des Staats und die Privatisierung des Sozialsektors. Diese Organisationen befürworten die Grundidee, dass Menschen sich selbst helfen sollten um Schulen, Spitäler, Strassen und andere Projekte zu bauen, statt auf die Unterstützung des Staats zu hoffen. Das bedeutet letztlich, dass der Staat aus der Verantwortung genommen wird, die Grundbedürfnisse der Menschen abzudecken. Das ist die Ideologie der NGOs, von denen viele auch mit IWF und Weltbank zusammenarbeiten.

Bangladesch ein Staat “betrieben von NGOs”

Obwohl 11.347 Nichtregierungsorganisationen in diesem Land arbeiten, sind die Probleme nach wie vor ungelöst. Von IWF und Weltbank kommt Lob für die positive Rolle der NGOs. Es ist nicht schwer, sich diese “positive Rolle” vorzustellen. Diese Organisationen sind nicht nur korrupt, sondern arbeiten auch ineffizient und in die eigenen Taschen. Das Wachstum der NGOs in Pakistan und Bangladesch beruht auf der Schwäche und mangelnden Alternative linker Parteien. Sobald jedoch die ArbeiterInnen als Klasse in Bewegung kommen und in politische Kämpfe eingreifen werden, wird das Phänomen der NGOs zurückgedrängt werden und verschwinden.

Gekürzte Übersetzung von Wolfgang Fischer

Erscheint in Zeitungsausgabe: