Die Klimtbilder und ihre Rückgabe – ein sozialistisches Dilemma?

John Evers

Es ist ein – nur scheinbares – Dilemma für SozialistInnen: Die Restitution Millionen schwerer NS-Raubkunst an die gesetzlichen Besitzer, welche diese Kunstwerke gleichzeitig der Öffentlichkeit dauerhaft entziehen könnten.  
Selbstverständlich bekämpfen wir grundsätzlich die Privatisierung und Kommerzialisierung von Kunst und Kultur – wie sie neoliberale Regierungen ja vielfach betreiben. Nur warum sollte man hier als SozialistIn ausgerechnet bei der Rückgabe von enteignetem jüdischen Vermögen ansetzen, bei Terrormaßnahmen also, die im direkten Zusammenhang mit den Rassegesetzen der Nazis und den größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte stehen? Genau das tat und tut die Regierung aber, die alle Ansätze der Klägerin Maria Altmann auf eine außergerichtliche Einigung in den Wind schlug, Jahre prozessierte und so nebenbei vier Millionen Euro Steuergelder verprasste. Über die Sinnhaftigkeit der konkreten Form und Verteilung dieser Rückstellungen kann man sicher geteilter Meinung sein (200 Millionen Euro sollen die Klimtgemälde wert sein. Zum Vergleich:  Der gesamte Entschädigungsfonds für 19.000 NS-Opfer macht 210 Millionen Dollar aus). Über die Notwenigkeit der umfassenden Entschädigung aller NS-Opfer – im konkreten Fall der Gleichbehandlung mit jedem anderen privaten Kunstbesitzer dem etwas gestohlen wurde – selbst allerdings nicht.
Daneben stellen sich sicher auch noch andere Fragen: Was ist das für eine perverse Welt in der es offensichtlich Menschen gibt, die derartige Preise machen und welche, die es sich schließlich leisten können, diese zu bezahlen – nur um solche Werke vielleicht “exklusiv” zu besitzen?  Was hat die rasante Entwicklung der Kunstpreise mit der wachsenden Polarisierung von Armut und Reichtum zu tun (358 Milliardäre besitzen heute soviel wie 2.3 Milliarden Menschen)? Wer hat überhaupt Zugang zur “Kultur”? Und ist nicht zuletzt ein privater Kunstmarkt  überhaupt ein schlechter Sachwalter des Weltkulturerbes …

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