Der Kampf von Frauen, der zur Revolution führte

Die Oktoberrevolution wäre ohne das Bewusstsein von Frauen, dass sich grundsätzlich etwas ändern muss, nicht möglich gewesen.
Theresa Reimer

Die russische Oktoberrevolution im Jahre 1917 gilt auch heute noch als wichtigstes Beispiel einer gelungenen sozialistischen Revolution. Lenin nennt Umstände, die charakteristisch für eine revolutionäre Situation sind: Die Unmöglichkeit der Bourgeoisie, ihre Herrschaft aufrecht zu erhalten und ihre Zerrissenheit über die notwendige Taktik, die verschärfte Not des Proletariats und damit einhergehende verstärkte Aktivität der Massen sowie das Gefühl, dass es einfach nicht so weitergehen kann.

Bereits im Jahr 1914 waren rund ein Drittel des russischen Industrieproletariats Frauen, 1917 waren es schon 40 %. Viele hunderte Frauen waren schon vor der Revolution in der bolschewistischen Partei organisiert. Dies nicht nur, weil sie konsequent für das Proletariat Stellung bezog, sondern auch, weil die Partei (wenn auch nicht alle ihre Mitglieder) die Forderungen und Rolle der Frauen verstanden hatte. Zum Beispiel begriffen die Bolschewiki, dass sowohl Männer als auch Frauen die Einheit der ArbeiterInnenschaft bildeten und entwickelten Forderungen wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Verbot von Zwangsehen, Schwangerschaftsurlaub, Recht auf Schwangerschaftsabbruch und Schutz vor Gewalt in der Ehe und Familie etc.

In der ArbeiterInnenbewegung gab es damals auch Stimmen, die die Arbeitslosigkeit bekämpfen wollten, indem alle arbeitenden Frauen, deren Ehemänner ebenfalls arbeiteten, entlassen würden. Die Bolschewiki stellten sich quer. Sie gründeten eine Frauenorganisation mit eigener Zeitung namens Rabotznika (Die Arbeiterin), die auch zu Massendemonstrationen gegen Krieg, gegen die weiter anhaltende Preissteigerung und für Brot, aufrief. Damit sprach sie ganz bewusst Frauen an. Am 23. Februar 1917 (8. März nach unserem Kalender) löste ein Streik von Textilarbeiterinnen die Februarrevolution aus. Die Bewegung führte weiter zur Oktoberrevolution und läutete radikale Veränderungen für das Proletariat, aber v.a. auch für Arbeiterinnen und Bäuerinnen ein. Frauen waren erstmals per Gesetz gleichgestellt und erhielten dieselben Rechte wie Männer, die Ehe wurde zum Verwaltungsakt, Scheidungen leicht möglich. 

Ohne die Bolschewiki als revolutionäre Partei wäre der Sieg der Russischen Revolution nicht möglich gewesen. Doch für die Revolution selbst war die Entwicklung des Bewusstseins notwendig, und dazu gehörte auch, dass viele Frauen und Männer die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes verstanden. Dieses Bewusstsein war nicht von Anfang an vorhanden, es hat sich entwickelt. Frauen unterstützten nicht nur Männer in ihrem Kampf, sondern leiteten die Revolution mit Massenprotesten ein und stellten eine wichtige Triebkraft der Bewegung dar. Für viele wurde so in der Praxis deutlich, dass Frauen ein wichtiger Teil der ArbeiterInnenklasse und der revolutionären Bewegung sind.

Schon immer haben Frauen für ihre Rechte gekämpft - und waren Teil von Protestbewegungen, Streiks und Revolutionen. Im spanischen BürgerInnenkrieg spielten gerade Frauen eine wichtige Rolle, sie beteiligten sich in den Milizen direkt an den Kämpfen gegen den Faschismus. In der Pariser Commune waren Frauen federführend beteiligt. Auch in Burkina Faso wurde ein gesellschaftlicher Umsturz durch das politische Bewusstsein von Frauen initiiert. Durch Militärputsch kam 1987 Blaise Compaoré an die Macht und konnte sich 27 Jahre im Amt halten. Er baute die Errungenschaften der Revolution von 1983 gänzlich ab. Von 1983-87 hat das linke Regime unter Sankara mit sozialistischer Rhetorik Verbesserungen für die Massen, und v.a. für Frauen gebracht. Im Jahr 2014 erfasste eine Protestwelle das Land, ausgelöst durch Demonstrationen von tausenden Frauen, die seinen Rücktritt und ein Ende der Korruption forderten. Compaoré floh daraufhin aus dem Land.

Frauen werden von Bildung und vom gesellschaftlichen Leben eher ausgeschlossen, es wird daher oft behauptet, Frauen hätten ein niedrigeres Bewusstsein. Doch Frauen sind aufgrund der Rolle, die ihnen in der Familie aufgedrängt wird, besonders sensibel für soziale Verschlechterungen. Die Folgen von Krieg und Krise betreffen sie sehr rasch und unmittelbar. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Frauen die Demonstrationen am 8. März angeführt haben und dass die Forderung der Bolschewiki „Land, Frieden, Brot“ gerade auch bei Frauen viel Unterstützung fand.

Das zeigt auch, wie notwendig der gemeinsame Kampf von Frauen und Männern für Verbesserungen ist. Die Kämpfe von ArbeiterInnen für eine freie, sozialistische Gesellschaft und der Kampf von Frauen für ein Ende von Diskriminierung und Gewalt bedingen einander. Gerade auch Proteste, die von Frauen angeführt werden, zeigen wie sprunghaft sich Bewusstsein in Bewegungen entwickeln kann. Der Kampf um Frauenbefreiung stellt eine Notwendigkeit für den Sieg und das Gelingen der Revolution dar, denn wie auch schon Alexandra Kollontai gesagt hat: „Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus, kein Sozialismus ohne Befreiung der Frau.“

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: