Das Herz schlägt links

Buchkritik
Sascha Stanicic - CWI-Deutschland

„Halt´s Maul“, hat ihm Günter Grass geraten. Diesen Rat hat Oskar Lafontaine nicht angenommen und mit seiner Buchveröffentlichung „Das Herz schlägt links“ den Zorn der SPD-Führung auf sich gezogen. Doch die Angriffe von SPD-Führern auf die Person Lafontaines sind genauso heuchlerisch wie die Selbstbeweihräucherung, die er der Leserin und dem Leser in seinem Buch zumutet. Die Attacken gegen den zurückgetretenen Finanzminister dienen jedoch vor allem zur Ablenkung von den politischen Fragen, die er in seinem Buch aufwirft.
Lafontaine legt den Finger in die Wunden der Bundesregierung und der SPD. Er spricht Millionen von ArbeitnehmerInnen und Arbeitslosen aus der Seele, wenn er das Sparpaket geisselt oder den Bruch von Wahlversprechen anprangert. Zurecht beklagt er die schier ungebremste Macht der Wirtschaft und fordert mehr soziale Gerechtigkeit ein.
Doch Oskars Herz mag, wie bei jedem Menschen, auf der linken Seite seines Öberkörpers beheimatet sein, seine politischen Ideen sind alles andere als links. Zu dieser Schlußfolgerung muss man kommen, wenn man als linke Politik den konseqenten Einsatz für die Rechte, Lebensbedingungen und die Zukunft der Masse der Bevölkerung versteht.

Oskar ist nicht links

Osker Lafontaine wendet sich gegen den Neoliberalismus und gegen die unkontrollierte Dominanz der Finanzmärkte. Er fordert mehr gesellschaftliche Kontrolle. Er wendet sich aber nicht grundsätzlich gegen die Logik der kapitalistischen Profitwirtschaft, sondern verteidigt klar und deutlich, dass die Unternehmer nach möglichst hohem Profit streben. Er wendet sich zwar auch verbal und allgemein gegen eine weitere Belastung von ArbeitnehmerInnen und sozial Schwachen, schlägt aber keine wirklichen Verbesserungen im Sinne der Masse der Bevölkerung vor.
Anstatt die Folgen von 16 Jahren arbeiterInnenfeindlicher Politik der Kohlregierung wirklich rückgängig machen zu wollen, hat Lafontaine ein paar Mini-Reformen im Angebot. Auch hat sich die SPD-Politik unter Ministerpräsident Lafontaine im Saarland kaum von der Gerhard Schröders in Niedersachsen unterschieden.
In seinem ganzen Buch wird an keiner Stelle die Privatisierungsorgie der letzten Jahre thematisiert. In der Rentenfrage fordert er statt Rente ab 60 ein höheres Renteneinstiegsalter! Seine Vorschläge von Flexibilisierung und Lohnverzicht aus den 80er Jahren verteidigt er.

Profit-Oskar

Lafontaine ist kein Linker. Er ist ein bürgerlicher Politiker, der nur andere Vorstellung über die Lösung der Krise der bürgerlichen Gesellschaft und der kapitalistische Wirtschaft hat, als die zur Zeit vorherrschenden. Lafontaine ist Keynesianist. Der Keynesianismus hat in der Vergangenheit die Grundwidersprüche der kapitalistischen Gesellschaft nicht aufheben können und wird es in der heutigen Phase kapitalistischer Depression erst recht nicht können. Der Kapitalismus kann die Bedürfnisse der Menschheit nicht befriedigen, weil diese bei den ökonomischen und politischen Entscheidungen keine Rolle spielen, sondern der höchstmögliche Profit für eine kleine Minderheit von Kapitalisten und Großaktionären das Maß aller Dinge ist.
Daran kann und will Lafontaine nicht rütteln.. Er kann es nicht, weil er auf der Grundlage bürgerlicher Politik denkt und er will es nicht, weil er im kapitalistischen System ein hervorragendes Auskommen gefunden hat. So hat er für sein Buch vom Econ-Verlag (einer Tochter des Springer-Konzerns!) 800.000 DM Garantiesumme bekommen und, Berichten der ZEIT zufolge, im Vorfeld den kleinen Dietz-Verlag gründlich über den Tisch gezogen. Heiner Lindner, Chef des Dietz-Verlages, der sich selber als politischen Unterstützer Lafontaines bezeichnet und als persönlichen Freund wähnte, meinte in Anspielung auf den Buchtitel „Sein Herz schlägt link“.

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