Bosnien, Kosova, Makedonien...

Kein Friede auf dem Balkan
Franz Breier jun.

Die nächste Etappe im Zerfall des Balkan ist angebrochen. Die Gefechte zwischen UCK und der makedonischen Armee können der Beginn eines weiteren großen Krieges sein. In Jugoslawien folgte der tiefen Krise des Stalinismus in den 80ern die kapitalistische Restauration. Mit der sozialen Katastrophe und dem Ausbleiben einer starken multinationalen ArbeiterInnenbewe- gung vollzog sich das Auseinanderbrechen an ethnischen Linien.

Für die folgenden Regimes war Nationalismus eine Quelle von Macht. Die Massen des Balkan gerieten in eine Spirale aus Armut, Bürgerkrieg und Hass. Jede Intervention des Westens verschärfte die Krisen. Der letzte Höhepunkt war der NATO-Krieg gegen Serbien und Kosova. Er löste kein einziges Problem. Kosova ist heute von der NATO besetzt. Die Konflikte in der Region spitzen sich wieder zu.
Makedonien ist eine der ärmsten Regionen. Die Bevölkerung setzt sich neben Minderheiten aus ca. einem Drittel AlbanerInnen (stieg durch Fluchtwelle aus Kosova) und zwei Dritteln slawischen MakedonierInnen zusammen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 40%, unter AlbanerInnen bei 60%. Das kleine Land steht im Brennpunkt historischer Großmachtinteressen. Entstanden nach den ersten kriegerischen Handlungen in den 90ern, wird die Region von Bulgarien, Griechenland (NATO-Mitglied!), Albanien und Serbien beansprucht. Zwar kommt für diese Staaten der unmittelbare Griff auf Makedonien aus Angst vor Eskalation nicht in Frage, aber jede Grenzverschiebung wird heftige Reaktionen hervorrufen. Den imperialistischen Mächten ist das klar. Der Westen ist in der gleichen Sackgasse, die zum Kosova-Krieg führte.

Die UCK

Die UCK in Makedonien ist ein Ableger der kosovarischen UCK, jedoch nicht ihr Ebenbild. Die makedonischen Paramilitärs haben nicht den Charakter eines Volksaufstandes gegen eine Besatzung; zumindest jetzt noch nicht. Die Unterdrückung der albanischen MakedonierInnen ist nicht mit der Verfolgung unter Milosevic (Raub und Vertreibungen) gleichzusetzen. Doch die soziale Krise und politisch-kulturelle Benachteiligung und die Nichtanerkennung als Staatsvolk setzen auch hier die Kettenreaktion des Zerfalls fort. Die beiden Haupttendenzen im albanischen Lager werden vom Führer der “moderaten” Konstitutionalisten um Rugova und den derzeit kämpfenden Einheiten markiert. Diese Teile können sich der NATO heute nicht mehr als Liebkind andienen.
Ungeachtet des reaktionären Charakters der UCK (und aller anderen nationalistischen Gruppen) verteidigen SozialistInnen das Recht auf Selbstverteidigung, wenn nötig auch mit Waffen. Es wäre die Aufgabe von ArbeiterInnenorganisationen, diese demokratisch zu organisieren und zu versuchen, in das gegnerische “nationale Lager” hineinzuspalten, die herrschenden Hetzer von den Massen zu trennen. Auch die slawischen Bevölkerungsteile sind kriegsmüde und verarmt. Es liegt an den Massen aller Bevölkerungsgruppen, sowohl mit den nationalistischen Kriegstreibern als auch der Ursache der Verelendung Schluß zu machen. Die Ursache heißt Kapitalismus.

Heuchelei des Westen

Dem Imperialismus geht es nicht um Menschenrechte. Am liebsten wäre ihm ein “Einfrieren” des Balkans. Jede Veränderung birgt die Gefahr von Eskalation in sich. Werden NATO-Truppen in den militärischen Konflikt hineingezogen, kann dies zu einem unkontrollierten und “ungewollten” Krieg führen. Die Besetzung des Kosova und die anhaltende Krise ließ das Ziel der NATO offener zu Tage treten: Nicht nationale Befreiung, sondern Unterdrückung und zwangsweise “Stabilisierung”. Die neue Parole heißt “UCK= Terroristen”. Der Imperialismus wechselt seine militärischen Partner.

Abspaltung oder Autonomie?

Eine staatliche Loslösung kann manchmal ein Fortschritt sein. In diesem Fall würde eine Abspaltung des mehrheitlich albanisch bewohnten Nordwest-Teils um Tetovo unmittelbar zu einem Krieg mit überregionaler Sprengkraft führen. Den Interessen der AlbanerInnen würde die volle Gleichstellung (z.B. bei Sprache, Zugang zu Ausbildung, Anerkennung als Staatsvolk) entgegenkommen. Das umfaßt auch das Recht auf Autonomie, wenn sie es wollen.
Die ArbeiterInnenbewegung muss sich von den Niederlagen erholen. Eine Wiederbelebung der großen jugoslawischen Tradition des Internationalismus ist möglich, wenn sie auch Hindernisse überwinden und Umwege in Kauf nehmen muß. Genauso wie Milosevic letzten Herbst von der serbischen Bevölkerung (und nicht von der NATO) gestürzt wurde, liegt auch die Befriedung des Balkans in den Händen der Massen.

  • Für den Aufbau einer multinationalen ArbeiterInnenbewegung
  • Für das Selbstbestimmungsrecht der Völker
  • Für das Recht auf Selbstverteidigung und die Sicherstellung aller Minderheitenrechte
  • Gegen Nationalismus und Imperialismus
  • Für eine sozialistische Föderation der Balkanländer auf freiwilliger und gleichberechtigter Grundlage
Erscheint in Zeitungsausgabe: