Bedrohung aus dem rechtsextremen Lager nimmt zu

Bericht der Pressekonferenz vom 18.09.2006

Am 18. September fand die hochkarätig besetzte Pressekonferenz der SLP anlässlich des versuchten Attentates auf die Muslemische Jugend Österreichs und die zunehmenden Drohungen gegen die SLP statt. Zu Gast waren:

  • Heribert Schiedel, Rechtsextremismus-Experte und Mitarbeiter des Dokumentationsarchiv des Österreichischen  Widerstands – DÖW
  • Wolfgang Purtscheller, Rechtsextremismus-Experte, Buchautor und Journalist
  • Franz Breier jun., Rechtsextremismus-Experte der SLP

Die Übergriffe häufen sich...

... leitete Sonja Grusch ein. So wird zum Beispiel ZARA, wo u.a. Berichte über rassistische Übergriffe dokumentiert werden, zunehmend bedroht und im Sommer direkt durch eine Gruppe Neonazis. Das DÖW sowie die SLP dokumentieren eine Häufung von Drohanrufen, Drohmails etc.. Die Kultusgemeinde berichtet von einem Anstieg von Drohmails/anrufen zwischen April und August 2006 um mehr als 50%. Jüngster Höhepunkt war der Anschlagsversuch auf die Muslimische Jugend Österreichs. Der Charakter dieser Drohungen hat sich geändert: Während diese früher anonym waren, wird heute öfter selbstbewusst der Namen genannt. Ein Phänomen dass durch das politische Klima, welches Strache, Westenthaler & CO. schaffen, zu erklären ist.

BFJ – gefährliche Organisation v.a. in Oberösterreich

Die SLP tritt schon lange aktiv gegen die Nazi-Szene auf. Vor allem in OÖ, wo es in Ried im Frühjahr die größte faschistische Demonstration seit Jahrzehnten gab, ist die Arbeit gegen den Bund Freier Jugend – BFJ eine zentrale Aufgabe.

Franz Breier jun., Experte der SLP über die rechtsextreme Szene, berichtet, dass der BFJ nicht nur die de facto Jugendorganisation des rechtsextremen AFP (gilt als Schnittstelle zwischen rechtsextremen Gruppen und der FPÖ) ist, sondern auch aktiv politische Kontakte mit z.B. Neonazis in Deutschland hat.

Der BFJ geht aggressiv gegen antifaschistische Organisation vor: Angriffe auf das Austrian Social Forum in Linz, und Einschüchterungsversuche von SLP-AktivistInnen sind hier nur einige Beispiele. Sie verteilen homo-phobes und rassistisches Material (auch Material des RFJ). Sie haben bereits mehrmals versucht, Veranstaltungen der SLP zu sprengen. Und AntifaschistInnen in Oberösterreich, wo der BFJ seine Basis hat, waren nicht nur mit rassistischen Aufklebern auf der Wohnungstür, sondern auch mit Belagerungen vor der eigenen Wohnung konfrontiert.

Im BFJ befinden sich nicht nur „ junge Schläger“ so Breier. Die Bewegung darf politisch nicht unterschätzt werden. Der BFJ besteht auf einer „völkischen Theorie“  und hat den Plan des Aufbaus einer faschistischen Kaderorganisation. In der Arbeit gegen den BFJ ist auf die Justiz, Polizei und die etablierten Parteien kein Verlass, wie die bisherige Praxis gezeigt hat – BFJ-Treffen wurde durch antifaschistische Massenmobilisierungen, nicht durch die Polizei verhindert.

Wichtig ist internationale antifaschistische Arbeit und eine starke Mobilisierung gegen den BFJ, so kann der rechtsextremen Gefahr entgegengewirkt werden, ist Breier überzeugt.

Der Experte des DÖW für Rechtsextremismus, Heribert Schiedel, erklärte, dass Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt untrennbar sind, da die rechtsextreme Ideologie an sich gewalttätig sei, weil sie Menschen, die nicht in ihr Herrenmenschenkonzept passen das Lebensrecht absprechen.

Ist rechtsextremen Organisationen in Österreich ein Anschlag zuzutrauen?

„Ja!“, betont Schiedel eindeutig. Die Szene sei nicht nur zur Gewalt bereit und bereite sich – u.a. in Trainingslagern – darauf vor, erklärt Schiedel, sondern auch der Hass, hat sich als Grundlage, stark entwickelt. Der Rechtsextremismus ist auf dem Weg zu vermehrten terroristischen Aktivitäten.

Zum einen nimmt rassistische, rechtsextreme „spontane“ Gewalt – auch von Unorganisierten - auf der Strasse zu (es gibt inzwischen fast wöchentlich Verletzte, aber es gab auch schon Todesopfer). Und zum anderen haben wir es in den letzten zwei bis drei Jahren mit einer qualitativen Veränderung zu tun. In der rechtsextremen und Neonaziszene findet nach einer Periode der Rekrutierung nun eine Vertiefung und ein Ausbau von Strukturen statt, bringt Schiedel die derzeitige Entwicklung auf den Punkt. Eine Schicht von jungen Aktivisten besitzt bereits dass politische „Know-How“ und den Wunsch, endlich „loszuschlagen“.

Wenn Strache in einer Rede meint, er wäre bereit „den Kampfanzug“ anzuziehen, dann wird das von dieser Szene als Bestärkung gesehen. Der rassistische Wahlkampf – nicht nur, aber v.a. von FPÖ und BZÖ – bereitet das Klima, in dem sich solche rechtsextremen Schläger dann bewegen.

Gefahr „Normalisierung und Verharmlosung“

Ein weiterer hochkarätiger Gast, Wolfgang Purtscheller (Verfasser einiger Bücher zur rechten Szene in Österreich) fügte hinzu, dass in Österreich seit Mitte der neunziger Jahre der Rassismus mehr und mehr „normal“ geworden ist. Die Neonazis sind quasi der bewaffnete Arm der Stammtische. Seit 1999 ist eine weitere Verharmlosung und Normalisierung zu beobachten. Es ist heute kein Skandal mehr, rechtsextrem zu sein, erläutern die Experten. So wurde vor gut einem Jahrzehnt einschlägig bekannten Personen verboten, mit einer eigenen Partei bei Wahlen anzutreten, da sie u.a. mit dem Begriff „Überfremdung“ agierten. Heute wird dieser Begriff offen z.B. von der FPÖ verwendet.

Wie schon in den 90er Jahren wird auch jetzt wieder aus dem rechten Lager versucht, die Täterschaft für die Anschläge (damals Briefbomben – heute der Anschlagsversuch auf die MJÖ) in verleumderischer Art AntifaschistInnen in die Schuhe zu schieben. Purtscheller wies auch auf eine Reihe von paramilitärischen Übungen der Naziszene und die Versuche, durch die Bildung von „Bürgerwehren“ offen aufzutreten, hin.

Legal, Illegal, Scheißegal?

Parallel zur zunehmenden „Normalität“ von Rassismus verwischen sich auch die Grenzlinien zwischen illegalen Strukturen der rechten Szene und legalen rechtsextremen Gruppierungen. Bei den jährlichen rechten Aufmärschen beim Grab des Nazi-Fliegers Nowotny treten, wie es in einem Bericht auf einer deutschen Neonazi-Homepage heißt, "Soldatenkameradschaften, die Landsmannschaften, studentische Korporationen, Freiheitliche und Nationalsozialisten" gemeinsam auf. Phillip Hasselbach, ein neonazistischer Kader aus Deutschland mit besten Kontakten nach Österreich, spricht davon, dass sich "in der FPÖ […] nicht wenige Nationalsozialisten [tummeln]" würden. Und über den FP-Nachwuchs meint er: "In der FPÖ-Jugend, dem Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ), sind sogar führende Funktionäre im Bundesvorstand intern als Nationalsozialisten bekannt“. Diese würden „auch in den entsprechenden Kreisen verkehren."

„Blood and Honour“ wieder vor der Tür

Auch wird der Versuch beobachtet, die konspirativ arbeitende Nazi-Struktur „Blood and Honour“ in Ostösterreich, speziell in Wien aufzubauen. Verbindungen gibt es hier offensichtlich zur AFP und ihrem „Stüber-Heim“ in Wien 16. Es werden dort seit einiger Zeit spezielle Jugendabende organisiert um Blood & Honour aufzubauen, gibt Purtscheller einen Einblick. In z.B. England und Schweden ist Blood and Honour für die Ermordung einer Reihe von AntifaschistInnen, GewerkschafterInnen und JournalistInnen verantwortlich. Auch in Belgien wurde jüngst eine Blood and Honour Zelle aufgedeckt, die vermutlich ähnliche Ziele verfolgte. Die Zunahme rechter Aktivitäten ist in Wien deutlich zu sehen. Insbesondere in den Wiener Bezirken nördlich der Donau sowie in den Randgebieten von Wien gibt es einen massiven Anstieg rechtsextremer Propaganda und Jugendgewalt. In Floridsdorf gab es vor einer Zeit z.B. einen Angriff von Nazis auf ein Gruppenlokal der Sozialistischen Jugend.

Mit einer Verharmlosung der Situation muss Schluss sein, fordert der Experte Schiedel. Bekannte Rechtsextreme, die einige Jahre untergetaucht waren sind wieder vermehrt aktiv und versuchen gezielt bei u.a. Skinheads und Fußballfans politische Ideologie hineinzutragen. In verschiedenen Organisationen wird ein bewusster Kaderaufbau organisiert, ein deutliches Zeichen der Vorbereitung für eine politische Offensive.

Franz Breier jun. erzählt, dass nach der Zurückdrängung des BFJ aus Linz, dieser in das Mühlviertel und südliche Oberösterreich auswich. Vor allem kleine Provinzstädte wie Freistadt, Braunau, oder – in NÖ – die Region um Mistelbach sind von einer Verstärkung der rechtsextremen Szene massiv betroffen. Purtscheller erklärt, dass am Land die rechte und Skinhead Szene am gefährlichsten ist. Das aber viele Gemeinden die Augen vor den zunehmenden rechtsextremen und neonazistischen Aktivitäten verschließen, nach dem Motto „das sind ja nur blöde Buam“.

Blick in die Zukunft

In Hinblick auf die EM 2008 müsse man wachsam sein, warnt Wolfgang Purtscheller. In Deutschland konnte man bereits Ansätze des „großen Auftritts“ der rechtsextremen Bewegung sehen. Es muss damit gerechnet werden, dass die Naziszene für die EM 2008 sich v.a. in Wien und Salzburg rüstet und ein massives Auftreten plant.

Rechtsextremismus kann gestoppt werden

In Zukunft sind AntifaschistInnen und MigrantInnen mit einer zunehmenden Gefahr, auch physisch, aus der rechtsextremen Bewegung konfrontiert, erklärt Breier. Aber durch massive Mobilisierungen ist es möglich (siehe Beispiel BFJ in Linz) diese Bewegung zurückzudrängen.

Franz Breier fügte aber hinzu, dass der Rechtsextremismus keinen unaufhaltsamen Aufstieg haben wird. Durch antifaschistische Mobilisierungen konnten schon in der Vergangenheit Naziaufmärsche gestoppt werden, jüngst z.B. ein NPD-Aufmarsch in Deutschland. Der Aufbau der Rechtsextremen kann nur durch eine anti-faschistische Massenbewegung, die auch soziale Themen aufgreift, gestoppt werden.