"Atomkrieg" um den Iran?

Gegen Bush und Mullahs – Solidarität mit der iranischen Bevölkerung
Philipp Fleischmann

In den letzten Wochen drohten einige Mitglieder der US-Regierung mit einem Angriff auf den Iran. Aber die US-Administration verfügt zur Zeit über keine stabile Ausgangssituation für so ein Abenteuer.
Auslöser ist dabei das Projekt des Iran, Uran selbst anzureichern, um in der Kernkraft unabhängig zu werden. Das könnte ein Vorläufer für ein Atomwaffenprogramm werden. Bush sieht dies als "massive Bedrohung des Weltfriedens", obwohl er selbst noch vor wenigen Wochen die neueste Atomtechnologie an Indien verkauft hat, welches ganz offiziell Atomwaffen baut. Eine Invasion ist allerdings praktisch noch ausgeschlossen. Die US-Armee ist schon so verzweifelt auf der Suche nach potenziellen Rekruten für den Irak-Nachschub, dass sie SchülerInnen von den Schulen abwerben wollen. In zahlreichen Schulen gab es sogar Streiks dagegen. Paradoxerweise hat der Irak-Krieg den Iran gestärkt: Die USA sind dort auf die Zusammenarbeit mit den schiitischen Parteien angewiesen, die dem Iran nahe stehen. Sollte sich da das Verhältnis verschlechtern, könnten die Probleme der Besatzungsmacht noch wesentlich größer werden, als sie derzeit schon sind.  Bei einem Angriff würde auch der Ölpreis weiter sprunghaft ansteigen - eine gefährliche Bedrohung für die US-Ökonomie und die gesamte Weltwirtschaft. Das alles spricht zwar gegen einen Angriff. Andererseits gibt es in der US-Administration doch ein starkes Element der Unberechenbarkeit. Und Bush muss sich ein neues Thema suchen, um sein "starker Mann"-Image aufrechtzuerhalten und droht deshalb mit möglichen Lufangriffen, denen Taten folgen könnten. Das Ergebnis dieses Zwiespalts besteht momentan darin, dass die US-Regierung versucht die von ihnen selbst totgesagte UNO zu bemühen. Hier ist es relativ unwahrscheinlich, dass sich eine Mehrheit für einen Angriff findet - China und Russland haben jeweils Eigentumsrechte an großen Ölfeldern im Iran - und Bush kann starker Mann spielen.

Ahmadinejad – ein zweiter "starker Mann"

Aber in diesem Spiel gibt es noch einen zweiten "starken Mann": Mahmoud Ahmadinejad, den Präsidenten des Iran. Das iranische religiöse Mullah-Regime kämpft schon länger mit schwindender Unterstützung in der Bevölkerung. Ahmadinejad, ein besonderer Hardliner, versucht nun mit Populismus zumindest Teile der Bevölkerung wieder anzuziehen. Auch die Idee, der Iran könnte in ferner Zukunft einmal eine Atommacht werden, ist möglicherweise in einem Land, das von anderen Atommächten umgeben ist, nicht ganz unpopulär (Russland, Pakistan, Indien, Israel, evtl. US-Truppen im Irak). Ahmadinejad nützt aber auch sonst jede Gelegenheit, den so genannten "äußeren Feind" - oder was er dafür hält - anzugreifen. Massiv spielt er mit Themen wie dem Antisemitismus und der Verleugnung des Holocausts. Gleichzeitig werden ihm auch täglich neue Vorlagen für fundamentalistische Hetze - wie im so genannten "Karikaturenstreit" um die Darstellung Mohammeds - gegeben. Dass es auch ganz andere Kräfte im Iran gibt, die drohen in diesem "Atomstreit" völlig unter die Räder zu kommen, zeigte die jüngsten Busfahrerstreiks.  Die Busfahrergewerkschaft spielte eine sehr wichtige Rolle in der iranischen Revolution gegen den Schah 1978-79 und wurde später von den Mullahs verboten. Jetzt gibt es wieder erste Regungen in dem Bereich. Das Regime verhaftete deshalb mehrere Führungspersönlichkeiten. Ein Streik war für den 28. Januar geplant - das Regime kam dem zuvor, indem es über 500 Busfahrer am Tag vorher verhaftete. Armee und Polizei sprangen für sie ein und lenkten die Busse. Viele der Busfahrer sind noch immer nicht frei. Diese Ereignisse zeigen, wie stark sich das Regime vor Protesten fürchtet, und wie stark es auf populistische Ablenkungsmanöver angewiesen ist. In diesem Zusammenhang scheint es übrigens besonders absurd wenn selbst einige "Linke" nun Sanktionen gegen den Iran fordern - Maßnahmen welche die Masse der Bevölkerung  treffen und das Regime höchstens stärken.

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