14.8.: Solidarität mit Frauenprotesten in Russland

Sotsialisticheskaya Feministskaya Alternativa (SFA) aus Russland ruft gemeinsam mit International Socialist Alternative (ISA) und ROSA - International Socialist Feminists zu Protesten und Solidaritätsaktionen am 14. August auf.

Der Aufruf folgt den Ereignissen am 27. Juni, wo in Moskau 40 Aktivist*innen von SFA und weitere drei in St. Petersburg von der Polizei verhaften wurden, weil sei gegen die anhaltenden Angriffe auf Yulia Tsvetkova protestierten. Obwohl die meisten von ihnen später freigelassen wurden, wurde Anastasia Rezyuk für 15 Tage in Polizeigewahrsam festgehalten.

Der Fall von Yulia Tsvetkova

Am 24. Oktober 2019 wurde in Komsomolsk-Na-Amur, einer Stadt im fernen Osten Russlands, einer der absurdesten Untersuchungen des 21. Jahrhunderts begonnen. Der Kriminalfall konzentriert sich auf eine Zeichnung von weiblichen Sexualorganen. Yulia Tsvetkova, Künstlerin und aktive Feministin, wurde verhaftet und unter Hausarrest gestellt. Grund dafür war die Anklage der “illegalen Vorbereitung und Verbreitung von pornographischem Material über das Internet” wegen ihrer Rolle in der Verwaltung der feministischen Seite „Vagina Monologues“. Yulia sieht sich nun mit sechs Jahren Gefängnisstrafe konfrontiert weil sie ein positives Bild und Verständnis von weiblichen Körpern (auf)gezeichnet hat.

Yulia steht nun seit ungefähr einem Jahr unter Hausarrest und während dieser Zeit wurden weitere zwei Anklagen vorgelegt, die den verfassungswidrigen und verpönten Akt der „Propaganda von nicht traditionellen sexuellen Beziehungen an Minderjährigen mittels des Internets“ inkludieren. Sie wurde dafür bereits für schuldig gesprochen und mit einer Strafe von 1.630 US-Dollar belastet. Das wird auch bei Gericht vorgebracht werden, wenn die anderen Anklagepunkte behandelt werden, um Yulia als Wiederholungsstraftäterin darzustellen und ihre Chancen auf eine mildere Strafe zu reduzieren.

Yulia wurde wiederholt sowohl von Vertreter*innen von homophoben Gruppen wie auch des russischen Staates schikaniert. Beispielsweise war es ihr solange nicht gestattet, eine*n Ärzt*in zu besuchen, bis ihre Mutter sich einem Verhör stellte. Yulia hat mindestens einmal von der homophoben Gruppe Pila Morddrohungen erhalten. Die dafür Verantwortlichen wurden nicht angeklagt.

Am 9. Juni fand die offizielle Anklageverlesung gegen Yulia statt. An diesem Tag wurden sowohl in Moskau wie in St. Petersburg eine Reihe von Demonstrationen von Einzelpersonen von SotsFemAlternativa und anderen feministischen Aktivist*innen organisiert (Anmerkung: Demonstrationen wie wir sie kennen werden in Russland kaum legal genehmigt, die Aktivist*innen müssen daher auf auf das Mittel von Einzalprotesten zurückgreifen). Trotz der Proteste blieben die offiziellen Anklagepunkte unverändert – die Verbreitung von Pornographie.

Am 27. Juni schlossen sich mehr als 50 kulturelle, journalistische und bildungspolitische Projekte in einem gemeinsam organisierten und durchgeführten medialen Solidaritätsstreik „#ЗаЮлю“ (Für Yulia) zusammen. Am selben Tag wurden weltweit Protestaktionen organisiert – in Zusammenarbeit mit SFA und anderen feministischen Aktivist*innen. Abgesehen von Protesten in 19 russischen Städten gab es auch Aktionen in Ottawa, Berlin, London, Madrid, Köln, Tel Aviv und einer Reihe von Städten in den Niederlanden. Hunderte haben auch in Russland ihre Solidarität mit Yulia ausgesprochen, obwohl der Fall gänzlich von den staatlichen Medien ignoriert wurde.

Aktuell gibt es leider keine positiven Entwicklungen in Yulias Fall und jetzt sieht sich auch noch ihre Mutter Anna Khodyreva mit polizeilichen Ermittlungen konfrontiert.

Trotzdem werden feministische und sozialistische Aktivist*innen nicht nachgeben und trotz des Drucks der Behörden und der trotz der Verhaftungen mit der Kampagne zur Verteidigung von Yulia Tsvetkova und den Khachaturyan Schwestern fortfahren.

Der Fall der Khachaturyan Schwestern

Die Situation rund um Yulia Tsvetkova ist kein Einzelfall. SFA führt auch die Kampagne zur Unterstützung der Khachaturyan Schwestern fort.

Im Juli 2018 wurde der 57 Jahre alte Mikhail Khachaturyan tot in seiner Wohnung aufgefunden - mit über 30 Messerstichwunden. Er ist von seinen drei Töchtern – die damals 17, 18 und 19 Jahre alt waren – ermordet worden. Während der Ermittlungen kam heraus, dass sie viele Jahre sexuellen, physischen und emotionaen Drucks hinter sich hatten und wie Sklavinnen gelebt hatten wo von ihnen erwartet worden war, dass sie die sexuellen Bedürfnisse ihres Vaters befriedigen. Trotz all dem wurden die Schwestern der vorsätzlichen Tötung angeklagt und sie sahen sich mit 8-20 Jahren Haft bedroht.

Die löste eine Welle von Protesten aus – Aktivist*innen haben oft versucht die Erlaubnis für diese Proteste zu bekommen, aber ohne Erfolg. Zur selben Zeit wurden sie häufig von Khachaturyans männlichen Verwandten und von Organisationen wie der „männliche Staat”, der den „islamischen Staat“ imitiert und angeblich die Rechte der Männer verteidigt, angegriffen.

Die Informationsblockade wurde gebrochen, als am 31. August SFA Aktivist*innen in eine unerlaubten Protestdemonstration ein Transparent in Solidarität mit den Schwestern ausbreiteten und die Demonstration anführten. Dem folgte ein – diesmal legaler - massiver Protest gegen häusliche Gewalt, wo Opfer über ihre Erfahrungen berichteten und deren Worte von Teilnehmer*in zu Teilnehmer*in weitergegeben wurden.

Am 13. Mai 2020 wurde deutlich, dass das Untersuchungsgericht seine Arbeit abgeschlossen hatte: doch sie weigerten sich, die Anklage von vorsätzlichen Mord auf Selbstverteidigung herab zu stufen.

Die Spitze des Eisberges

Diese zwei sind nur die bekanntesten von vielen tausend Fällen an häuslicher Gewalt und Übergriffen gegen feministische und LGBT Aktivist*innen in Russland. SFA steht in der vordersten Linie dabei, all das öffentlich zu Thematisieren und rufen auch zu internationalen Protesten am 14. August (bzw. rund um diesen Tag) auf.

https://www.rosainternational.org/

 

Kommt zum Protest am 14.8.: https://www.slp.at/termine/solidarit%C3%A4t-mit-frauenprotesten-in-russland