“Parteien sind altmodisch” - Warum wir trotzdem eine sind

Warum es 2021 nicht nur eine Partei, sondern eine revolutionäre Partei braucht, um eine Zukunft zu erkämpfen
Stefan Brandl, Alec Jakolic

Die Vergangenheit zeigt uns viele Beispiele für das Scheitern, aber einige für den Erfolg von Revolutionen. Einer der wichtigsten Faktoren für den Erfolg ist die eigene Partei der Arbeiter*innenklasse, ausgestattet mit revolutionärem Programm und ebensolcher Methode. In vielen Ländern kommt es zu großartigen Massenbewegungen und -demos, die Erfolge bleiben aber im Wesentlichen aus. Kürzungen können manchmal zurückgedrängt werden, aber wirkliche Verbesserungen werden bestenfalls schleppend erkämpft bzw. sind nicht von Dauer. Die Arbeiter*innenklasse ist die zahlenmäßig größte Klasse, sie ist die einzige Klasse, die fähig ist, die Gesellschaft zum Wohl der ganzen Menschheit zu verändern. Aber die bloße Existenz und potentielle Macht reichen nicht: Es herrscht große Verwirrung darüber, was die wichtigsten Kämpfe sind, wie sie organisiert werden sollen und wie Verbesserungen am besten erkämpft werden können.

Vorstellungen über Organisationsformen gibt es viele: Da gibt es “ultralinke” Ansätze, die RAF-mäßig mit Individualterrorismus gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen wollen. Diese Taktik isoliert eine Gruppe von der Restbevölkerung. Stellvertretend können vielleicht Diktator*innen beseitigt werden, aber es fehlt die aktive Massenbasis, die nötig für den Aufbau einer demokratisch-solidarischen Gesellschaft “danach” ist.

Häufig sind basisdemokratische Ansätze (“grassroot”) wie Fridays For Future (FFF). Aus der Bewegung selbst soll ein politischer Rahmen entstehen, jede*r kann sich einbringen. Der Gedanke, möglichst alle einzubinden ist gut - die Umsetzung meist nicht. Schnell bildet sich eine eingespielte Führungsgruppe, die nur Arbeitsaufträge nach “unten” verteilt. Weil demokratische Strukturen fehlen, ist sie meist nicht gewählt. Wer am längsten bei Besprechungen bleiben kann, um seine/ihre Vorstellungen durchzubringen, setzt sich durch - Alleinerzieher*innen, Berufstätige und andere mit wenig Zeit sind das nicht! So besteht die Führung solcher Bewegungen dann weder aus einem breiten Querschnitt noch aus einer demokratisch gewählten Vertretung.

Der Wille, “was zu tun”, ist groß, was oft fehlt ist, die vielen einzelnen Aktivist*innen zusammenzufassen, ein gemeinsames Ziel zu definieren, sich auf eine Kampfmethode zu einigen und sie gemeinsam umzusetzen. Wenn wir von politischer Führung einer Bewegung sprechen, meinen wir eine gewählte Struktur, die das organisiert. Gibt es keine, eine schwache, eine sich widersprechende oder eine bürgerliche Führung, wird Potenzial vergeudet, sich mit kleinen Zugeständnissen zufrieden gegeben oder ein Kurs eingeschlagen, der nicht zum Erfolg führt.

Der Kampf für Klimagerechtigkeit, gegen Sexismus und Rassismus, für ein ausfinanziertes Gesundheitswesen oder Jobs, von denen man leben kann - um das zu erkämpfen müssen wir den Kapitalismus an sich bekämpfen. Dafür brauchen wir eine Organisation, die die kämpferischsten Teile der Bewegungen verbinden kann, mit dem gemeinsamen Ziel, den kapitalistischen Wahnsinn zu überwinden und eine demokratisch geplante Gesellschaft zu erkämpfen. Die Proteste in Hong Kong, Chile, Belarus, Myanmar, Kolumbien, Libanon etc. zeigen die Bereitschaft: Aus der Arbeiter*innenklasse kommt unglaublicher Kampfgeist, trotz schwierigster Bedingungen. Doch Teile der Klasse und Jugend haben schon weitergehende Schlüsse gezogen als der Rest. Aktuell sind z.B. die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie Frauen und Jugendliche aus der Arbeiter*innenklasse an der Spitze vieler Kämpfe. Eine revolutionäre Partei versucht, genau diese fortgeschrittensten Schichten um sich zu sammeln. Durch ihre Aktivität wird auch die beste Basis dafür gelegt, das Bewusstsein breiterer Schichten der Klasse zu entwickeln. 

Deswegen sind wir nicht nur ein “loser Haufen” von “Linken”, sondern ein Kollektiv von Revolutionär*innen mit der Bereitschaft, in unserer Freizeit, aber auch am Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz für eine bessere Gesellschaft zu kämpfen. Um ein bestmögliches Verständnis von Bewusstsein und Kämpfen von Arbeiter*innen und Jugend zu entwickeln, ist lebendige Demokratie in der Partei nötig. Nur durch unsere Aktivität in Kämpfen und Bewegungen schaffen wir es, Programm und Aktion zu entwickeln, die tatsächlich mit der Stimmung in den fortgeschrittensten Schichten der Klasse übereinstimmen. Um aber auch historische Erfahrungen in aktuelle Bewegungen hineinzutragen und die Kämpfe mit einer Systemalternative zu verbinden, braucht es ein geschlossenes Vorgehen. In Seattle konnte unsere Schwesterorganisation Socialist Alternative in führender Rolle den Mindeststundenlohn von 15$ (~12,50€) erkämpfen. In Irland konnten 2014 die Wassergebühren für Haushalte durch eine Kampagne unserer Schwestersektion Socialist Party zurückgeschlagen werden.

Die revolutionäre Partei ist nicht nur eine Organisationsform von vielen, sie ist DIE Organisationsform, die zwischen Sieg und Niederlage von Bewegungen entscheidet. Sie ist das beste Mittel, um unmittelbare Kämpfe zu gewinnen, für den Wiederaufbau der breiteren Arbeiter*innenbewegung und letztlich für eine neue, eine demokratische sozialistische, Gesellschaft.

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