“Die braunen Umtriebe öffentlich machen”

Interview mit dem Rechtsextremismus-Experten Wolfgang Purtscheller, Autor mehrerer Bücher zum Thema Rechtsextremismus in Österreich.

Sie vertreten die These einer neuen Welle der Bedrohung durch rechtsextreme Organisationen. Woran machen Sie das fest und was ist wirklich neu daran?

Sie trauen sich wieder. Nach der Zerschlagung der VAPO des Gottfried Küssel haben sich die militanten Faschos eine Zeit lang ziemlich mausig verhalten. Aber jetzt wagen sie sich – im Windschatten der offen rassistischen Hetzkampagnen von BZÖ und FPÖ, aber auch Teilen der bürgerlichen Presse – wieder aus ihren Löchern. Das burschenschaftliche Element in der FPÖ tritt massiver zutage, Gruppen wie die offen terroristische Nazi-Skinhead-Gang „Blood & Honour“ haben sich konsolidiert und in manchen Regionen verankert, mit dem „Bund Freier Jugend“ hat sich erstmals seit eineinhalb Jahrzehnten eine relativ professionell agierende Neonazi-Jugendorganisation etabliert. Und auf muslimische Einrichtungen werden – getreu dem Motto „Daham statt Islam“ - Bombenattentate versucht. Da braut sich was zusammen, heizt sich was auf. Mich erinnert das Szenario stark an die frühen 90er-Jahre, als im Gefolge des FPÖ-Ausländervolksbegehrens ähnliche Entwicklungen zu beobachten waren.

Ein gutes Beispiel für dieses immer offenere und aggressivere Agieren der Hardcore-Szene bot Straches Wahl-Schlusskundgebung auf dem Victor Adler Markt in Favoriten. Da waren unzählige Glatzen dabei, teilweise in „Blood & Honour“-T-Shirts, andere kamen als in einheitliche „Gruppe Starhemberg“-Sweater gedresste Nachwuchs-SA daher. Und nach der Kundgebung wurde z.B. ein Freund von mir in der U-Bahn von einer Skinheads-Horde überfallen und schwerst verletzt, er erlitt u.a. einen Kieferbruch und einen Augenhöhlenbruch. Die fühlen sich von Strache und seiner Propaganda ermuntert.
Und nicht nur die militante Szene fühlt sich bestärkt. Ein anderer Freund von mir – er ist Österreicher nordafrikanischer Abstammung – wurde am selben Tag aus einem Beisl im fünften Bezirk geschmissen, weil dort Bier „nur an Österreicher“ ausgeschenkt wird. Der Rassismus hat viele Gesichter, militante und nicht ganz so militante: aber dass ich an ein und demselben Tag in meinem unmittelbaren Bekanntenkreis mit zwei Übergriffen konfrontiert werde, das ist schon recht symptomatisch für die politische Großwetterlage.

Die SLP beobachtet aufmerksam die Entwicklung der FPÖ nach der Parteispaltung und vertritt die Auffassung eines Rechtsrucks, der sich auch durch die Stärkung faschistischer Kräfte in führenden Strukturen ausdrückte. Welche Rolle spielen die Freiheitlichen Ihrer Meinung nach im Zusammenhang mit dieser neuen rechten Gefahr?

Von einem „Rechtsruck“ in der FPÖ würde ich nicht sprechen. Das war schon immer eine rechtsextremistische Partei, nur haben die sich früher nicht so offen, man kann auch sagen: unverfroren rassistisch und faschistisch aufzutreten getraut. Dass es jetzt so arg ist, hat mehr mit dem politischen Klima in Österreich zu tun als mit einem qualitativen Wandel oder „Rechtsruck“ dieser Riege. Sie trauen sich halt wieder. Sie getrauen sich sogar - wie in Straches Wahlprogramm – Forderungen zu erheben, die bisher zum Repertoire der NSDAP gehört haben. So zum Beispiel, wenn „Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei politischer Agitation“ oder die „Schaffung des Straftatbestandes der Anpassungsverweigerung“ gefordert werden. Es ist ja wohl klar, dass mit derartigen Gesetzen nicht nur der Willkür gegen MigrantInnen, sondern über kurz oder lang auch der gegen politische Gegner, also primär AntifaschistInnen, Tür und Tor geöffnet würde.

Auch nicht neu, aber in der Stadler-Strache-Ära verstärkt zu beobachten ist die Einbindung von Personen und Gruppen aus dem neonazistischen Bereich in die freiheitlichen Strukturen. Da gibt es gewisse Parallelen zur deutschen NPD, die ja auch zunehmend mit den „freien Kameradschaften“, also den autonom agierenden Faschohorden, verwoben ist. Das ist zwar bei der FPÖ eine langjährige Tradition (ich erinnere in diesem Zusammenhang immer an die Borodajkewicz-Demos und an die Südtirolterroristen der 60er-Jahre, die auch zu 90% Burschenschafter und RFS- und/oder FP-Mitglieder waren), aber es ist schon bemerkenswert, wenn der Organisator und Anmelder der Neonazidemo gegen die Wehrmachtsausstellung heute als „Generalsekretär“ des Ringes Freiheitlicher Jugend (RFJ) firmiert oder wenn Gottfried Küssel samt Kameraden bei einer FPÖ-Kundgebung in der Hitler-Geburtsstadt Braunau auftaucht – das hat Symbolcharakter.
Aber das Verhältnis der FPÖ zu diesen neonazistischen Gruppen und Zirkeln bleibt gleich: von den Nazis wird eine „Schutzfunktion“ der FPÖ eingefordert, und umgekehrt sind die Burschenschafter und Neonazis heute mehr denn je willkommener Ersatz für das zu Haider abgewanderte FPÖ-Kaderpersonal. Der Unterschied ist: was früher im Hinterstübchen, im Bierkeller oder auf der Burschenschafterbude geschah, passiert heute offen. Und das ist in erster Linie auf das politische Klima, das seit der Waldheim Affäre von sich stetig verstärkenden Tabubrüchen in Sachen Nationalsozialismus geprägt ist, zurückzuführen.

Drückt sich diese Radikalisierung auch in einer gewalttätigen Entladung gegenüber MigrantInnen aus?

Ganz klar. Sämtliche Antirassismus-Organisationen, aber auch Amnesty International und Flüchtlings-Hilfsorganisationen berichten von einer geradezu explosionsartigen Zunahme rassistisch motivierter Gewalttaten in den letzten Monaten. Der Rassismus-Wettbewerb zwischen BZÖ und FPÖ hat da eindeutig die Flutventile geöffnet.

Inwieweit und wenn ja warum stehen Kräfte wie die SLP heute im Fadenkreuz solcher Organisationen?

Man muss ganz klar sagen: Gruppen wie „Blood & Honour“ stehen für mörderischen Terror gegen Linke. Sowohl in England als auch in Schweden zeichnet B&H bzw. deren bewaffneter Arm „Combat 18“ verantwortlich für eine ganze Reihe von Schuss- und Bombenattentaten gegen linke GewerkschafterInnen und JournalistInnen. Erst vor ein paar Wochen wurde in Belgien die dortige B&H-Sektion ausgehoben, dadurch konnten buchstäblich in letzter Sekunde Anschläge verhindert werden.
Dazu kommt, dass die Faschos seit Jahren gezielt AntifaschistInnen ausspionieren. Diese „Anti-Antifa“ genannte Schnüffelei wird auch in Österreich mit großem Aufwand betrieben. Wir sollten nicht vergessen, dass es sich ja bei der sogenannten „Spitzelaffäre“ vor ein paar Jahren darum handelte, dass rechtsextreme Bullen Daten über Linke – u.a. über mich – gezielt an interessierte FPÖ-Politiker weiterleiteten. Erst in diesem Sommer hat sich „News“ mit Stadlers Festplatte im FPÖ-Parlamentsklub beschäftigt. Nachgewiesen wurde dabei u.a., dass Stadlers Sekretär, ein Recke aus dem BFJ-Umfeld, (neben allerlei verbotener neonazistischer Literatur) systematisch Daten über politische Gegner sammelte.
Diese „Anti-Antifa“-Arbeit betreiben die ja nicht aus Spaß an der Freude, sondern mit dem einzigen Zweck, die Resultate bei Bedarf gezielt und skrupellos gegen AntifaschistInnen einzusetzen. Ich habe dazu vor ein paar Jahren schon ein Buch geschrieben („Delikt: Antifaschismus“). So wie es aussieht und auch in diversen einschlägigen Gazetten nachzulesen ist, wird sich der Trend zu „Anti-Antifa“ mit zunehmender Härte der Auseinandersetzung verschärfen. Das betrifft alle exponierten Linken, und damit auch die SLP. 

Wo sehen Sie heute den inhaltlichen Schwerpunkt des Kampfes gegen Rassimus und Antisemitismus? Welche Aktionsformen schlagen Sie vor?

Wichtig ist: die braunen Umtriebe öffentlich machen. Nichts stört die Herrschaften mehr als die Aufdeckung ihrer Vernetzungen und Aktionen. Das gilt ganz besonders für die jetzige Phase, wo sowohl B&H als auch BFJ wieder mal versuchen, sich in Wien zu verankern und Strukturen aufzubauen. Insbesondere rund um das „Fritz-Stüber-Heim“ der AFP in der Koppstraße sind in letzter Zeit vermehrte Aktivitäten in Richtung auf die Rekrutierung Jugendlicher zu beobachten. Da ist die Antifa gefordert. Es ist höchste Zeit, diese Aktivitäten dort massiv zu behindern bzw. erschweren.