Über Sinn und Unsinn des Sparens

Käthe Knittler

Jedes Jahr aufs neue, wenn es darum geht, das Budget für das nächste Jahr zu erstellen, hören wir es wieder und wieder: Wir müssen sparen. Oder die Alternativvariante: Wir müssen den Gürtel enger schnallen. Manchmal heißt das ganze aber auch "Strukturanpassung" oder "Strukturmaßnahmen". Das Ergebnis kennen wir: Kürzungen im Sozialbereich - und das ist nicht erst seit dieser Regierung so.
Zur Veranschaulichung der Situation folgendes Beispiel: A borgt sich von B Geld, anschließend verlangt A von C, dass er/sie das Geld an B zurückzahlt und C tut das auch, denn: wir müssen sparen. Eigentlich eine absurde Geschichte, denn eigentlich würde niemand einsehen, warum er/sie Geld zurückzahlen soll, dass er/sie nie bekommen hat. So verhält es sich aber, wenn es um die allgemeine Sparpolitik geht.

Wer ist "Wir"?

„Wir müssen sparen“. Es ist nur fraglich, wer dieses "Wir" sein soll. Es wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein gemeinsames "Wir" erzeugt, dass es bei genauerer Betrachtung gar nicht gibt. Dieses "Wir müssen sparen" ist eine Lüge. Ja, es gibt Staatseinnahmen und Staatsausgaben. Ja, wir alle zahlen ein, und wir alle bekommen etwas heraus. Der Irrtum ist nur, hier von "Gleichheit", "Gerechtigkeit" etc. auszugehen. Einige profitieren stark vom Steuer-, Abgaben-, Sozial- und Subventionssystem, andere nicht.

Warum sparen?

Als Argument für die Bekämpfung der Staatsverschuldung treten die Maastrichtkriterien und der EU-Stabilitätspakt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Beides sind keinesfalls fixe, sinnvolle, ökonomische Größen, sondern de facto Hausnummern, die durchaus verändert werden, wenn es politisch notwendig ist. Ein weiteres Argument: Wir müssen sparen, weil sonst der Staat nicht mehr handlungsfähig sei. Tatsächlich wurde erst vor einigen Jahren eine neoliberale Trendwende eingeläutet, die dieses Motto verkündet. Den Hintergrund dafür bildete der Fall der Profitrate in den 80er Jahren und die Schwäche der ArbeiterInnenbewegung nach dem Zusammenbruch des Stalinismus in Osteuropa in den 90ern.
Das Spar-Argument ist ein vorgeschobenes. Tatsächlich geht es darum, grundsätzliche politische Veränderungen vorzunehmen. Unter dem Deckmantel der "objektiven Spar-Notwendigkeit" werden neoliberale ökonomische Konzepte umgesetzt, die tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen. Es geht nicht um Sparen, sondern um Zerschlagung des Sozialstaates, um Privatisierung, um verstärkte Ausbeutung. Es geht nicht um den Staatshaushalt, sondern um politische Konzepte. Konzepte die bereits von der letzten Regierung umgesetzt wurden. Die Streichung des erhöhten Karenzgeldes, Aufnahmestopp im Öffentlichen Dienst, Streichung der Studierendenfreifahrt und Aufweichung des Berufsschutzes, um nur einige Maßnahmen zu nennen, sind alles Verschlechterungen, die noch unter der rot-schwarzen Regierung vollzogen wurden. Von der neuen Regierung wird das mit verstärkter Radikalität fortgesetzt.
Das zweite Lieblingsargument der Fraktion der Sparefrohe ist die Standortsicherung. Würden Löhne und (Unternehmer)Steuern nicht gesenkt, dann müssten Arbeitsplätze abgebaut werden - so lautet die Argumentation. Nur, das bisher mit niedrigen Löhnen neue (Vollzeit-)Arbeitsplätze geschaffen worden sind, läßt sich empirisch leider nicht belegen. Dass sich dadurch die Gewinne bzw. die Konkurrenzsituation des Unternehmens verbessert haben, hingegen schon.

Wer spart wo?

Dass es nicht wirklich ums sparen geht, zeigt das Regierungsübereinkommen: ArbeitnehmerInnen werden von den Gesamtmaßnahmen der Regierung mit 13,3 Milliarden öS belastet werden - Unternehmer, Bauern und Hausherren aber mit 20,65 Milliarden öS entlastet! Es geht um eine drastische Umverteilung. Es soll mehr gearbeitet werden - Anhebung des Pensionsantrittsalters. Es soll billiger gearbeitet werden - Senkung der Lohnnebenkosten. Das alles mit dem Argument, es sei „zu wenig Geld da“. Das ist angesichts der steigenden Unternehmergewinne nichts als blanker Hohn - Börsenkurse explodieren ebenso wie die Gewinne.
Die Verschuldung pro Kopf beträgt zur Zeit ca. 205.000 öS. Wenn man sich schon die Mühe macht, die angeblich gemeinsamen Schulden aufzuteilen, lohnt es sich vielleicht auch, beim Vermögen genauso zu verfahren. Würde das gesamte in Österreich existierende Geldvermögen ebenfalls pro Kopf aufgeteilt, dann würden Sie liebe Leserin, lieber Leser, stolzeR BesitzerIn von 1,8 Millionen öS sein. Ein durchaus lohnendes Projekt. Nur leider ist der derzeitige Trend genau umgekehrt - es wird von unten nach oben umverteilt.

Wo ist das Geld?

Wer von Armut spricht, soll vom Reichtum nicht schweigen. Wer von Staatsverschuldung spricht, sollte von den Steuerschulden der Unternehmen in Milliardenhöhe und den Steuergeschenken auch nicht schweigen. Was die Besteuerung von Vermögen angeht, zählt Österreich zu den Schlußlichtern Europas. Die Vermögenssteuer wurde 1994 abgeschafft. Mit dem Stiftungsrecht wurde eine sehr steuergünstige Variante geschaffen, Vermögen unterzubringen. Der Steuerrexperte Werner Doralt meint hierzu: "Unter Einschaltung einer Privatstiftung tendiert die Besteuerung eines Unternehmens gegen null: Das Unternehmen schüttet Gewinne an die Stiftung aus, die Stiftung veranlagt die Gewinne steuerfrei bei der Bank, die Bank führt dem Unternehmen die gleichen Beträge wieder als Fremdmittel zu." Weiters sind die steuerlichen Einheitswerte für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Grundvermögen vollkommen unterbewertet. In den letzten Jahren wurden drastische Veränderungen in der Steuerstruktur vorgenommen: Während wir über Lohnsteuer und v.a. über Mehrwertsteuer und Gebühren immer mehr in den Staatssäckel einzahlen, sinken die Abgaben der Unternehmer und der Wohlhabenden drastisch. Die durch die Regierung geplante Generalamnestie für Steuerverbrechen setzt dieser Entwicklung die Krone auf.

Wachsende Kluft

Das Einkommensgefälle zwischen Arm und Reich ist in den letzten Jahren weiter beträchtlich gestiegen. Es stehen sich also sehr unterschiedliche Interessen gegenüber. Es gibt kein einheitliches "Wir". "Wir" müssen nicht sparen, wir profitieren nicht überproportional von den Staatsausgaben, wir haben keine Steuerschulden in Milliardenhöhe. Beim "Sparen" geht es um neoliberale Wirtschaftspolitik, eingebettet in das Wirtschaftssystem Kapitalismus. Soll Ausbeutung und Unterdrückung abgeschafft werden, muß der Kapitalismus abgeschafft werden. Den sollten wir uns sparen!

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