ÖGB-neu: Augen zu und durch?

Harald Mahrer

Der ÖGB wird offener, demokratischer, wendet sich neuen Zielgruppen (Prekär Beschäftigten, MigrantInnen, etc.) zu und bindet mehr Frauen in seine Führungsstrukturen ein. All das wurde im Zuge des nach dem BAWAG-Schock eingeleiteten Reformprozesses versprochen. Doch wie sieht der ÖGB neu aus?

Basisbeschlüsse wurden unterschlagen!

Die ersten Maßnahmen waren ja nicht gerade ermutigend: Der ÖGB-Kongress wurde zuerst auf Juni 2006 vorverlegt, um wenig später angesichts der Wut an der Basis auf Jänner 2007 zurück verlegt. Die Spitze bracuhte Zeit, um die Wogen zu glätten. Sprich: Um hinter den Kulissen dafür zu sorgen, dass sich nicht zu viel ändert.

Das Ergebnis dieser Strategie: Viele Mitglieder resignierten und glaubten nicht daran, dass jetzt etwas zum Besseren verändert wird. Die Beteiligung an der Mitgliederbefragung und den Regionalkonferenzen blieb äußerst bescheiden. Die ZweiflerInnen sollten Recht behalten: Reden durfte man/frau zwar, mitreden war nicht so gefragt. Zwei Regionalkonferenzen in Wien stimmten für einen Antrag, der sehr konkrete Vorschläge für Veränderungen in die richtige Richtung machte (siehe Seite 2). Diese Anträge werden von der “Reformkommision” nicht einmal erwähnt. Am Ende machen die Oberen im ÖGB wieder was sie wollen.

Organisationsreform statt Politikwechsel?

In der Debatte, deren Ergebnisse ohnehin alles beim möglichst Alten belassen, dominieren organisatorische Fragen, wie mit welchen Quotenregelungen oder Service-Angeboten welche Zielgruppe besser in den bestehenden Apparat integriert werden könnte. In Wirklichkeit happert es aber bereits bei den einfachsten Dingen. Zum Beispiel bei der Information: Es soll in Zukunft noch 9 Gewerkschaften geben, erfährt man/frau en passant bei einem Gewerkschaftsseminar. Die Artikel zur Reform auf der ÖGB-Homepage bleiben so vage, dass so ziemlich alles hineininterpretiert werden kann, außer ein grundlegender Politikwechsel. Dabei wäre genau das notwendiger denn je.

Will der ÖGB Mitglieder gewinnen, muss er in seinen Kernbereichen etwas erreichen. Das würde aber einen kämpferischen Kurs bedingen. Bei den heurigen KV-Verhandlungen wurde zwar das Säbelrasseln lauter, die Ergebnisse bleiben aber genauso schlecht wie in den Jahren davor. Damit holt die Gewerkschaft keine Katze hinterm Offen hervor.

Notwendig wäre eine Lohnpolitik, die gemeinsam auf Betriebsversammlungen beschlossen, durch Kampfmaßnahmen durchgesetzt und mit Urabstimmungen legitimiert wäre. Das wäre ÖGB neu. Die neuen Mitglieder kämen dann fast von selbst.

Dieser Artikel stammt aus der Zeitung "Gewerkschaft 2010 - Alternative Gewerkschaftszeitung für Kritik von Innen" der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften