Wie stabil ist die neue ÖVP?

Der nächste Machtkampf in der ÖVP ist nur eine Frage der Zeit.
Nicolas Prettner

Im Vorfeld zur Nationalratswahl hat sich die ÖVP mit Sebastian Kurz ein neues Gesicht und eine neue Farbe verpasst. Wie Trump in den USA oder Macron in Frankreich verkauft er eine alte und etablierte Partei als neue Bewegung. Der Plan ging vorübergehend auf. Kurz hat die Wahlen für sich entschieden und führt auch weiterhin in den Umfragen. Doch wo liegen die Unterschiede zwischen der alten, schwarzen, und der neuen, türkisen, ÖVP?

Die ÖVP ist in Bünden, wie Wirtschafts-, Bauern- oder ArbeitnehmerInnenbund, gegliedert. Die einzelnen Bünde haben viel Macht, da sie organisatorisch und finanziell weitgehend unabhängig agieren können. Das bringt Probleme mit sich. Es gibt unterschiedliche Interessen und Begehrlichkeiten nach Macht und Positionen zwischen den Bünden, oder einem Bund und der Gesamtpartei. So hat ein großes Agrarunternehmen (Wirtschaftsbund), gegensätzliche Interessen zu Kleinbauern (Bauernbund).

Der Unterschied zur neuen ÖVP liegt v.a. in der Zentralisierung. Kurz will die Widersprüche durch Zentralisierung überdecken und setzt in alle wichtigen Posten seine Leute aus der Jungen Volkspartei (JVP). Dies liegt auch im Interesse des Großkapitals. Die nächste Wirtschaftskrise ist nur eine Frage der Zeit und das Kapital braucht eine „moderne“ Partei, die die aus seiner Sicht notwendigen Maßnahmen ohne interne Querschüsse umsetzt. Wobei sich modern nur auf die Organisationsstruktur bezieht. In gesellschaftspolitischen Fragen vertritt die ÖVP weiterhin reaktionäre Standpunkte.

Im Moment scheint es zwar so, als ob Kurz die ÖVP im Griff hat, doch die momentane Stabilität kann von mehreren Seiten unter Beschuss kommen. Interne Machtkämpfe werden wieder ausbrechen, wenn Kurz auf Grund von Kürzungen an Popularität verliert bzw. wenn die Gemeinden und Länder diese Maßnahmen umsetzen müssen. Von dort kommt schon Kritik. Auch die beinahe täglichen Skandale der FPÖ kann Kurz nicht ewig schweigend aussitzen. Und nicht zuletzt können auch externe Proteste die Regierung, und damit auch die ÖVP, destabilisieren.

Die ÖVP unter Kurz: Neu sieht anders aus:

  • Die meisten ÖVP-Chefs seit 1945 waren Mitglied im Cartellverband (CV), einem rechtskonservativen Männerbund. Unter Kurz wurde der CV als Aufstiegshilfe und Karriereleiter durch die JVP ersetzt. Das beste Beispiel ist Blümel. Er begann seine Karriere in der JVP und ist jetzt Kanzleramtsminister und seine Kandidatur als Spitze der ÖVP bei der nächsten Wien-Wahl steht auch schon fest.
  • Unter Kurz geht der antidemokratische Staatsumbau voran. Neben den geplanten Einschränkungen beim Vereinsrecht soll auch der Überwachungsapparat ausgebaut werden (z.B. Big-Data-Analysen). Viele dieser Maßnahmen sollen sich zwar angeblich gegen islamistische TerroristInnen richten, doch die Regierung wird nicht zögern, sie gegen Linke und GewerkschafterInnen einzusetzen.
  • Zwar sitzen in der neuen Regierung von Kurz auch einige Frauen, doch die Politik der ÖVP bleibt frauen- und LGBT-feindlich. Gudrun Kugler, die neue Menschenrechtssprecherin der ÖVP, ist ein Beispiel dafür. Ihre Kandidatur wurde von radikalen AbtreibungsgegnerInnen unterstützt, sie ist eine christliche Fundamentalistin und fordert u.a. die Abschaffung der gleichgeschlechtlichen Ehe.
  • Ein neues Mietrecht, das Immobilienhaien zu Gute kommt, steht ganz oben auf der Agenda von Kurz. Kein Wunder, immerhin haben Immobilienunternehmer über 200.000 € für den Wahlkampf gespendet. Schon lange kritisiert deren Interessensvertretung Verbesserungen für MieterInnen, wie die Mietrechtsnovelle 2015. Alleine der Chef der Immobilienfirma Colliers International machte 80.000€ für Kurz locker.

 

 

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