Widerstand lohnt sich! - Frankreichs ArbeiterInnenklasse stoppt die EU-Verfassung

Das Europa der Banken und Konzerne musste in Frankreich einen schweren Rückschlag hinnehmen. Jetzt gilt es, nachzusetzen. Gewerkschaftliche Aktionen für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und die Rücknahme des Sozialabbaus sind notwendig!
Sonja Grusch, SLP Wien

Das Referendum am 29. Mai in Frankreich hat Europa erschüttert. Millionen Euro haben die Herrschenden in eine Pro-Kampagne gesteckt. Aber eine Mehrheit hat gegen die EU-Verfassung gestimmt. Ist das der Anfang vom Ende eines geeinten Europas?

Es gab nie ein geeintes Europa

Die EU war und ist ein Wirtschaftsblock der nach innen und außen auftritt. Das Wirtschaftswachstum ist weltweit schwach. Gleichzeitig steigt die Überproduktion (gemessen an dem, was die Menschen sich leisten können, nicht daran, was sie brauchen). Die EU dient dazu, den europäischen KapitalistInnen auf dem Weltmarkt einen Vorteil gegenüber anderen zu verschaffen. Und damit diese Interessen im Ernstfall auch verteidigt werden können (und damit die Rüstungsindustrie verdient) verpflichtet die EU-Verfassung zu Aufrüstung und Beistand.

EU = Extrem unsozial

Um international wettbewerbsfähig zu sein, muss kostengünstig produziert werden. Hierfür tritt die EU nach innen auf: nämlich als Werkzeug, um Sozialstaaten zu zerschlagen und Reallöhne zu senken. Die geplante EU-Verfassung beinhaltet weitere Privatisierungen im öffentlichen Dienst, Post, Verkehr, Telekommunikation, Strom & Gas, aber auch Bildung und Gesundheit. Das schafft neue Gewinnmöglichkeiten. Dass dabei die PatientInnen draufzahlen, zeigen die Privatisierungen im britischen Gesundheitswesen. Die günstigen Routinebehandlungen werden privatisiert - und die Preise um bis zu 15% erhöht. Dem öffentlichen Gesundheitswesen bleiben die teureren Behandlungen und das steigende Defizit wird auf Kosten der PatientInnen reduziert.

Rot-Grün-Orange-Blau-Schwarzer Einheitsbrei

Die Abstimmung zur EU-Verfassung in Österreich hat die Verwechselbarkeit zwischen den Parlamentsparteien gezeigt. Alle Parteien sind sich einig und haben - als wären wir alle dumm oder unmündig - am 11. Mai einfach für uns entschieden. Schüssel argumentierte, die ÖsterreicherInnen wollen keine nationale Volksabstimmung, weil “52 Prozent der österreichischen Bürger sind für eine solche europaweite Volksabstimmung [sind], was ja auch heißt, dass damit eine nationale Volksabstimmung abgelehnt wird”. Obwohl BZÖ-Haider in einer kurzen populistischen Aufwallung eine Volksabstimmung gefordert hatte und FPÖ-Strache vom “Verfassungsputsch” sprach, haben doch die VertreterInnen beider Parteien (mit Ausnahme der Rechtsaußen Rosenkranz) der Ratifizierung im Parlament und der Verfassung selbst zugestimmt. Warum? Weil sie alle die Interessen der österreichischen KapitalistInnen vertreten - und die setzen auf die EU-Verfassung als Druckmittel gegen die österreichische ArbeiterInnenklasse. Die undemokratische Art, wie die Verfassung in einer Reihe von Staaten verabschiedet wird zeigt, dass es - entgegen vieler Behauptungen (z.B. Van der Bellen: “dass die Fundamente für eine europäische Demokratie tatsächlich gelegt werden.”) – nicht um Demokratie geht, sondern um die Profitinteressen europäischer KapitalistInnen.

Nein zum Europa der Konzerne

Als SozialistInnen lehnen wir die EU und die EU-Verfassung ab. Wir sind für ein vereinigtes, sozialistisches Europa, in dem nicht Profite, sondern die Bedürfnisse der ArbeiterInnenklasse im Vordergrund stehen. Wo es einen Mindestlohn von 1.100,– netto und einen garantierten Job für jedeN gibt, und nicht Hartz IV und Jobabbau. Unsere Ablehnung der EU ist grundsätzlich anders, als jene von rechten PopulistInnen und Rechtsextremen. Diese lehnen die EU aus rassistischen Gründen ab und/oder sie wollen das nationale Kapital stärken. Die ArbeiterInnenklasse ist ihnen nur als WählerInnen wichtig – tatsächlich stehen die Rechten für eine stärkere Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse. Für uns gibt es keine Gemeinsamkeiten mit rechten und nationalistischen EU-GegnerInnen. Wir treten für die vereinigten sozialistischen Staaten von Europa ein.

Das Ende der EU?

Das “Nein” aus Frankreich ist für die herrschende Klasse in Europa eine Katastrophe. Frankreich ist einer der wichtigsten imperialistischen Staaten in Europa, das Ergebnis kann nicht ignoriert oder die Abstimmung einfach wiederholt werden. Die französische herrschende Klasse gerät zunehmend unter Druck. Um Massenproteste im eigenen Land zu verhindern, wird sie einen Schritt weg von der EU-Verfassung machen müssen. Auch in anderen Staaten ist der Ausgang der Referenden unsicher - v.a. in Britannien. Die EU wird dadurch geschwächt. Das größte Problem dabei ist, dass die Gewerkschaften die Ablehnung der ArbeiterInnen und Jugendlichen gegen diese EU (die Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und Demokratieabbau bedeutet) nicht aufgreifen, sondern oft den Rechten überlassen. Der ÖGB schweigt bzw. stimmt im Parlament zu. Die EU wird an diesem Nein (noch) nicht zerbrechen. Aber es zeigt, dass die Kämpfe der ArbeiterInnenklasse etwas bewegen können. Am 10. März waren in Frankreich rund eine Million ArbeiterInnen und Jugendliche für ihre Rechte auf der Straße. Das ist das Europa der Zukunft. Eines, wo wir uns nicht länger alles gefallen lassen, sondern uns wehren. Widerstand ist machbar. Bei Abstimmungen, in Schule und Betrieb und auf der Straße. Dieser Widerstand von ArbeiterInnen und Jugendlichen ist der Grundstein für ein neues Europa.

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