Wenn die Weltwirtschaftskrise über Südasien hereinbricht

Eine neue wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Krise droht
Clare Doyle, CWI

Bis vor kurzem wiesen die „aufstrebenden“ Volkswirtschaften der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) – ein stabiles Wachstum auf. Vor allem China schien immun zu sein gegen die ökonomischen Gravitationskräfte oder die Folge von Auf- und Abschwüngen, denen die kapitalistischen Volkswirtschaften ansonsten unterliegen. Viele argumentierten, dass diese Länder dabei helfen würden, die Weltwirtschaft am Laufen zu halten, wenn die sich vertiefenden Krisen Südeuropa und die USA heimsuchen. Die dramatische Abkühlung der brasilianischen Wachstumsraten (von 7,5 Prozent im Jahr 2010 auf 0,9 Prozent im letzten Jahr) und die massiven Revolten von jungen Leuten und ArbeiterInnen im Juli dieses Jahres haben diese Illusion jäh beendet.

Die derzeitige Abkühlung in China, das mit seiner „Turbo-Wirtschaft“ Japan auf Rang zwei der Liste der Länder mit dem größten Bruttoinlandsprodukt hinter den USA abgelöst hat, sorgt nun sowohl bei der herrschenden Elite in China als auch international für großes Kopfzerbrechen. Während China sich aus strategischen wie wirtschaftlichen Gründen in großem Umfang an enormen Investitionsprojekten in einigen Ländern beteiligt, hat das weitere Zusammenschrumpfen seiner Ausfuhren bereits Auswirkungen auf Volkswirtschaften, in die bestimmte grundlegende Produktionen ausgelagert worden sind und von wo das Land die Rohstoffe bezieht, die nötig sind, um die eigene Wirtschaft anzukurbeln.

Indien, die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens, die gerade erst im Begriff ist, sich dem Weltmarkt zu öffnen, verzeichnet ebenfalls sinkende Wachstumsraten. 2010 wurden diese noch auf 10,5 Prozent beziffert und 2012 lagen sie nur noch bei 3,2 Prozent. Die Volkswirtschaft Malaysias hängt stark vom Handel mit China ab und fiel in diesem Jahr auf ein Wachstum von 4,1 Prozent ab.

Viele asiatische Länder profitierten anfänglich vom Abflauen der Investitionen im produktiven (profitablen) Sektor, zu dem es außerhalb des Kontinents kam. Aufgrund der Geldpolitik der Zentralbanken in Europa und den USA, die als „Quantitative Lockerung“ bekannt wurde, flossen große Mengen an „unbeschäftigtem“ Kapital, das nur geringe oder gar keine Zinsen mehr abwarf, als spekulative „Investition“ nach Asien.

Die „Financial Times“ kommentierte dazu, dass Asiens Staatsanleihen-Markt „seit dem Zusammenbruch der weltweiten Finanzmärkte im Jahr 2008 aufblühte, weil man dadurch viel leichter an Kapital kam […] das aus den USA und Europa herüberschwappte. Was geschieht, wenn vor allem in den USA die Zinsen wieder steigen sollten? Wie viel von diesem Geld wird dann wieder kehrt machen und fliehen?“. Bis zu 50 Prozent der indonesischen Staatsanleihen befinden sich in ausländischem Besitz. Im Falle Malaysias und der Philippinen handelt es sich um rund 40 Prozent.

Wird es nun zu einer neuen „Asienkrise“ kommen, die so schwerwiegend – oder womöglich noch dramatischer – ist wie die von 1997/98? Werden die Regierungen Südasiens in der Lage sein, die heraufziehenden stürmischen Zeiten zu durchzustehen?

Ein historisch beispielloser Fall

In der „Asienkrise“ von 1997/98 stürzte die Währung von Ländern wie Thailand ab und hunderttausende Arbeitsplätze und Lebensgrundlagen wurden zerstört. In Indonesien führten revolutionäre Aufstände gegen die vom „Internationalen Währungsfonds“ (IWF) durchgesetzte Politik zum Sturz des verhassten Diktators Suharto. In Malaysia wurde eine Massenbewegung für demokratische Reformen zur Bedrohung für die seit Jahrzehnten regierende BN („Nationale Front“), die von der „United Malays National Organisation“ (UMNO) dominiert wird. Südkorea erlebte neue Generalstreiks, die denen ähnelten, die 1997 gegen die damals durchgesetzten neoliberalen Angriffe geführt wurden. Das letzte Mal vergab der IWF den bedrängten Staaten immense Kredite, um Zusammenbruch und Revolution zu verhindern. Im Falle Südkoreas waren es sage und schreibe 57 Milliarden US-Dollar.

Keine der genannten Bewegungen fand eine Stimme und eine politische Linie, mit der die bereits begonnenen revolutionären Prozesse hätten zu Ende geführt werden können. In Indonesien hegten einige linke Gruppierungen Illusionen in die demokratische Qualifikation von Megawati Sukarnoputri, die am Ende nur die Herrschaft im Namen des großen und internationalen Kapitals im Bündnis mit den Generälen des alten Regimes fortführte. In Malaysia wurde der zuvor beliebte Kopf der „Reformasi“-Bewegung, Anwar Ibrahim, Teil der UMNO-Regierung mit Mahathir Mohammed. Als in den USA ausgebildeter neoliberaler Ökonom wollte und will er bis heute keine Bewegung, die den Weg bis zum Ende geht und sich zur Beendigung des Kapitalismus organisiert.

Zur damaligen Zeit vertrat das CWI die Position, dass diese Bewegungen mit aller Kraft unterstützt werden müssen und dass man sich voll und ganz an ihnen beteiligen muss, um für grundlegende demokratische Rechte und Freiheiten zu kämpfen. Wir argumentierten allerdings auch und gemäß Leo Trotzkis Schriften zur „Permanenten Revolution“, dass diese neokolonialen Volkswirtschaften von der Dominanz des inländischen und des multinationalen Kapitalismus befreit werden müssen. Nötig war eine klare sozialistische Politik, begründet auf dem Verständnis, dass nur die Arbeiterklasse mit Unterstützung der Armen in Stadt und Land für echte Demokratie sorgen und die Lebensumstände der überwältigen Mehrheit der Bevölkerung in der Region umgestalten kann.

Wenn die kalten Winde der weltweiten Rezession auch asiatische Länder heimsuchen werden, dann werden sich ähnlich turbulente Bewegungen entwickeln. Aufgrund der immer stärker miteinander verwobenen Wirtschaften der Welt ist es möglich, dass auch Indien und Pakistan, die in der Krise von 1997/98 mit einem blauen Auge davon kamen, diesmal mit in den Strudel hineingezogen werden. Es ist unwahrscheinlich, dass der IWF im selben Maß einschreiten wird wie damals, als er den Regierungen beistand, die mit revolutionären Erhebungen zu tun hatten. Es ist möglich, dass sich anfängliche Wut- und Verzweiflungsausbrüche zu verallgemeinerten Bewegungen entwickeln, in denen verarmte junge Menschen und ArbeiterInnen revolutionäre Lösungen suchen. Kein asiatisches Land kann derzeit von sich behaupten, mit einer funktionsfähigen, selbstsicheren und stabilen Regierung aufwarten zu können.

Das Beispiel Indien

Indien wird als „die am wenigsten leistende Volkswirtschaft unter den aufstrebenden Märkten seit Jahreswechsel“ charakterisiert („The Guardian“, 7. August 2013). Im zweiten Quartal ist das Wachstum ins Stocken geraten. „Die Investoren fürchten eine Neuauflage der Krise, die Indien 1991 getroffen hat“.

Massenarmut und Entbehrung – das sind die Synonyme für Indien. „Vierhundert Millionen Inder sind ohne Strom […]. Die Hälfte aller Inder verrichtet ihre Notdurft immer noch im Freien. […] Die Impf-Rate liegt niedriger als in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Doppelt so viele Kinder wie in Afrika leiden in Indien an Hunger (43 Prozent). […] Jährlich werden pro Kopf und Jahr erbärmliche 39 US-Dollar für die Gesundheitsversorgung [ausgegeben]. In China sind es 203 Dollar und in Brasilien 483 Dollar“ („The Economist“, 29. Juni 2013).

Die Mehrheit der indischen Frauen erlebt unermessliches Leid und Elend. Die brutale Gruppenvergewaltigung und der Mord an einer Studentin in Neu Delhi im letzten Dezember führte zu großen Demonstrationen und Protesten weltweit, ebenso wie in Indien selbst. Maßnahmen mögen zwar ergriffen werden, um härter gegen solche Täter vorzugehen. Die Gewalt gegen Frauen basiert jedoch auf vielen althergebrachten Vorurteilen und Praktiken.

Naturkatastrophen haben deshalb noch weit schlimmere Folgen, weil die Umwelt auf verantwortungslose Weise zerstört wird. Ein Beispiel dafür sind die tödlichen Erdrutsche, zu denen es im Juni in Uttarakhand gekommen ist. Rettungs- und Versorgungseinrichtungen befinden sich in einem beklagenswert unzureichenden Zustand und sind der Grund für noch mehr Leid und zusätzliche Todesopfer.

Die Kluft zwischen der Masse der fast 1,3 Milliarden Personen starken Bevölkerung Indiens und der winzigen Handvoll an Super-Reichen wird immer größer. Ein paar Einzelpersonen aus den reichen Familiendynastien haben einen gewaltigen Reichtum angehäuft. Dem „Forbes“-Magazin zufolge besitzt Mukesh Ambani 20 Milliarden US-Dollar, und der Stahlmagnet Lakshmi Mittal verfügt über 16 Milliarden. In einigen Städten hat sich eine neue Mittelschicht herausgebildet, die einen gewissen Markt für Autos und Güter des gehobenen Bedarfs bildet.

„Für die Reichen besteht das Problem im Bauchumfang“, so der „Economist“ (6. Juni 2013). „Von ihren Chauffeuren gefahren und durch ihre Hausbediensteten von der Hausarbeit freigestellt, sind sie zu einer fettleibigen Rasse geworden, die mit ihren mageren Mitbürgern kaum noch etwas gemein hat“. (Dieses Phänomen erinnert an das alte Bild vom fetten Kapitalisten, während es in den USA die ArbeiterInnen sind, die billiges „junk food“ essen und deswegen Probleme mit Übergewicht haben.)

Die überwältigende Mehrheit der indischen Bevölkerung muss weiterhin kämpfen, um eine armselige Existenz aufrechterhalten zu können, die mit miserablen Löhnen und im Angesicht einer zügellosen Inflation finanziert werden will. Die Mittelschichten, die von einer gewissen wirtschaftlichen Entwicklung profitieren konnten, müssen bereits erleben, wie ihre Erwartungen vom Nachlassen der Wirtschaft durchkreuzt werden.

Die Regierung unter der „Kongress-Partei“ in Delhi wird von Unentschlossenheit und Korruption gelähmt. Ganze Regionen des Landes folgen nicht den Anweisungen der Regierung. Dort bekommen maoistische Guerillabewegungen (oder NaxalitInnen) immer mehr Zuspruch, weil sie sich gegen habgierige GroßgrundbesitzerInnen und multinationale Konzerne wenigstens zur Wehr setzen. Der Premierminister Manmohan Singh gerät ins Schwimmen. Das Ausland setzt ihn unter Druck, neoliberale „Reformen“ durchzuführen, von unten gerät er angesichts der bevorstehenden Wahlen im nächsten Jahr ebenfalls unter Druck.

Es besteht jetzt sogar die Möglichkeit, dass die weithin in Misskredit geratene rechte BJP wieder an die Macht kommt. Sie wird vom erzrektionären Narendra Modi angeführt, dem Millionen von Menschen immer noch mit Argwohn begegnen, weil er als „Schlächter von Gujarat“ für die Morde an 2.000 MoslemInnen in einem Konflikt zwischen Religionsgemeinschaften 2002 verantwortlich ist. In vielen Bundesstaaten ist seine Partei zudem in Korruptionsskandale verwickelt. Die „Financial Times“ stellt es so dar: „Wenn das Gefühl anhält, dass die Regierung unter der Kongress-Partei eine Art Vakuum bildet, dann werden immer mehr Menschen gewillt sein, das Risiko einzugehen ihn zu wählen“ (10. Juni 2013).

Und das in einem Land, in dem es im Februar zum größten Generalstreik in der Geschichte gekommen ist. Mehr als einhundert Millionen ArbeiterInnen beteiligten sich zwei Tage lang an diesem Ausstand. Zu den Forderungen der Streikenden gehörten das Ende der lähmenden Preissteigerungen und ein Mindestlohn für alle. (Die indische Rupie verlor allein zwischen Mai und Juni um 15 Prozent an Wert, was die ohnehin schon niedrigen Löhne noch kärglicher ausfallen ließ.)

Die „kommunistischen“ Massenparteien genießen ein gewisses Maß an Zustimmung unter ArbeiterInnen und sogar unter den armen BäuerInnen. Die CPI(M) ist wegen ihres Machtverlusts in West-Bengalen allerdings schwer beschädigt. Sie hatte dort jahrzehntelang regiert. Aufgrund ihrer schwerwiegenden Angriffe auf die Lebensbedingungen von ArbeiterInnen und armen BäuerInnen, die sowohl auf dem Altar des indischen wie auch des im Ausland beheimateten Kapitalismus geopfert wurden, büßte sie bei den Wahlen ein. So lange sie der verräterischen stalinistischen Politik der aufeinander folgenden Etappen anhängt, wonach zuerst der Kapitalismus etabliert werden muss, bevor es danach erst um den Kampf für Sozialismus geht, wird es für die CPI(M) dort und andernorts hart, wenn auch – aufgrund des Fehlens anderer Massenparteien der ArbeiterInnen – nicht unmöglich sein, wieder an Zuspruch zu gewinnen.

Pakistan

Die fast schon permanent anhaltende Krise, die das Leben in Pakistan ausmacht, zeigt auf schroffe Weise, wie dringend nötig es ist, dass sich die ArbeiterInnen direkt gegen Feudalismus und Kapitalismus gleichzeitig wenden. Das politische wie auch das persönliche Leben wird heimgesucht von Stromausfällen, Bombenanschlägen, zusammenbrechenden öffentlichen Diensten und einer paralysierten Regierung.

Die einst mächtige „Pakistanische Volkspartei“ (PPP) ist in eine Periode möglicherweise endgültigen Niedergangs eingetreten. Ihre korrupte und unfähige Regierung unter Präsident Zadari, der nur noch „Mister 20 Prozent“ (zuvor bloß „Mister 10 Prozent“) genannt wurde, hat es nur deshalb geschafft, die komplette Amtszeit durchzuhalten, weil andere Kräfte unter völliger Trägheit leiden. Das Militär, das hinter den Kulissen weite Teile der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens kontrolliert, hat nicht eingegriffen, um direkt die Macht zu übernehmen. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine solche erneute Entwicklung auch in Zukunft ausgeschlossen ist, wenn sich die politische und gesellschaftliche Krise weiter entfaltet.

Die PPP, auf die so viele ArbeiterInnen und junge Leute in den 1980er Jahren ihre Hoffnungen gesetzt haben, hat jetzt massiv an Unterstützung eingebüßt. Die Regierung unter Premierminister Nawaz Sharif steht vor hartnäckigen Problemen: ein gescheitertes Staatswesen, eine geschwächte Wirtschaft, rechtsgerichteter islamistischer Terrorismus und die mächtigen Zentrifugalkräfte, die ein Auseinanderbrechen des Landes heraufbeschwören.

Die pakistanische Wirtschaft ist gefährlich labil und nicht überlebensfähig. Ein neuer Kredit des IWF in Höhe von 5,3 Milliarden US-Dollar ist an die Forderung geknüpft, „Finanzdisziplin“ einzuhalten. So darf es keine Subventionen mehr für die arme Bevölkerung geben. Die Priorität liegt dabei auf einer Reform des Stromnetzes, weil Stromausfälle die Wirtschaft zur Zeit mindestens zwei Prozent des BIP kosten.

Die neue Regierung macht nicht den Anschein, die Menge an schwerwiegenden Problemen lösen zu können. Zwei Drittel der WählerInnen leben in den ländlichen Gebieten, wo die feudalen Landbesitzer die Lebensumstände der armen Landbevölkerung beherrschen. Sie entscheiden auch über fast alle Wahlergebnisse. Der heldenhafte Kampf von Malala Yousafzai gegen die Taliban, die Mädchen daran hindern wollen, in die Schule zu gehen, hat dazu geführt, dass sie so etwas wie „Abbitte“ leisten mussten. Doch der Kampf gegen die Taliban und gegen die Behörden, die darin versagt haben, umfassende und kostenlose Bildung für Jungen und Mädchen sowohl in der Stadt als auch auf dem Land zur Verfügung zu stellen, ist noch lange nicht zu Ende.

Neo-Kolonialismus und schwache Regierungen

In den meisten asiatischen Gesellschaften wurden bis heute viele andere grundlegende demokratische Rechte nicht gewährleistet. Die aufstrebenden kapitalistischen Klassen sind in diesen Gesellschaften nicht stark genug gewesen, um gründliche Landreformen durchzuführen oder die Reste des Feudalismus zu überwinden. In China brauchte es den deformierten Arbeiterstaat von Mao Tse-tung, um diese Aufgabe zu erledigen. Was in zurückliegenden Jahrhunderten in den Revolutionen in England, Frankreich und anderen Ländern von den aufstrebenden kapitalistischen Klassen dort erledigt wurde, bleibt in den meisten Ländern Asiens eine noch unvollendete Aufgabe.

Genau wie auf anderen Kontinenten sind auch viele Staaten in Asien auf künstliche Art und Weise nach (oder vor) Jahren mörderischer Ausplünderung und Zerstörung am Reißbrett entstanden. Innerhalb der Grenzen Birmas, Thailands und Sri Lankas wurden Völker zu unterdrückten Minderheiten. Nur Arbeiterparteien, die sozialistische Regierungen anführen, werden in der Lage sein, die Frage der Rechte der nationalen Minderheiten und die Aufgabe der Schaffung untereinander zusammenarbeitender zwischenstaatlicher Föderationen zufriedenstellend zu lösen.

In ganz Asien endete die unmittelbare Herrschaft des Imperialismus vor Jahrzehnten. An ihre Stelle trat die Herrschaft regionaler Mächte wie China oder Indien, die um strategisch wie ökonomisch vorteilhafte „Zugeständnisse“ in Sri Lanka, Birma und anderswo wetteifern.

Gigantische multinationale Konzerne suchen die Region immer noch nach neuen Märkten, billigen Arbeitskräften und maximalen Profitraten ab. In den meisten der ärmsten Länder der Welt dominieren multinationale Monopole den Markt für Saatgut, Reinigungs- und Düngemittel sowie den Einzelhandel. Unilever tätigt 57% der Verkäufe auf „aufstrebenden Märkten“, Colgate 53% und Proctor and Gamble 40% („Financial Times“, 29. Juli 2013).

Eine hauptsächlich von der CPI(M) organisierte Kampagne gegen das Eindringen von Walmart in den indischen Einzelhandelssektor war teilweise erfolgreich. Abzuwarten bleibt, ob dieser Erfolg von Dauer sein kann. Zwar haben die „KommunistInnen“ geschworen, für einen Erfolg sorgen zu wollen. Doch selbst Massenkampagnen können nur zeitweilig Erfolge verzeichnen, wenn die Kräfte des kapitalistischen „freien Marktes“ weiterhin die Szenerie beherrschen.

Bekleidungs- und Schuh-Giganten wie Primark, Gap, Reebok und Adidas machen mit asiatischen Arbeitskräften unvorstellbare Profite. Bangladesch erhält 20 Milliarden US-Dollar im Jahr für seine Textil-Exporte, die von Beschäftigten hergestellt werden, die im Allgemeinen nicht mehr als 38 Dollar im Monat bekommen. Auf den Straßen entlud sich in Massendemonstrationen und Streiks die Wut über schlechte Arbeitsbedingungen, wie sie in Produktionsstätten wie dem „Rana Plaza“-Komplex in Dhaka herrschten, wo beim Einsturz eines Gebäudes mehr als 1.300 ArbeiterInnen getötet wurden.

Auf internationaler Ebene sind hingegen Krokodilstränen vergossen und dann Vereinbarungen zwischen einzelnen Händlern, Arbeitgeberverbänden, NGOs und internationalen Gewerkschaftsverbänden wie der „IndustriALL“ getroffen worden. Selbst die moderate britische Hilfsorganisation namens „War on Want“ beklagt, dass derlei Übereinkünfte keineswegs angemessene Lebensbedingungen garantieren, zu einem Mindestlohn führen, die Arbeitszeiten herunterfahren oder helfen, die Arbeitsbedingungen für hunderte Millionen von Menschen in der Textilbranche Südostasiens zu verbessern. Solche Abkommen tragen auch nicht dazu bei, dass sich echte Kampforganisationen der ArbeiterInnen selbst weiterentwickeln.

Auch einige der bekanntesten Autohersteller der Welt haben Fabriken in Asien. Sie drängen ihre Beschäftigten dazu, Löhne und Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, die in anderen Teilen der Welt nicht hingenommen werden würden. In diesem Prozess hat sich allerdings eine neue Generation junger KlassenkämpferInnen herausgebildet, die – wie im nordindischen Maruti – bedeutende Streiks organisiert hat.

Auf Kosten Millionen verarmter ArbeiterInnen im In- wie auch im Ausland haben es sich „örtliche“ Industriemagnaten wie Tata, Mittal und Ambani in den Jahrzehnten seit der „Unabhängigkeit“ von der Kolonialherrschaft so gut gehen lassen, dass sich ihre Stahl-, Auto- und Bergbau-Konglomerate in ihrer endlosen Suche nach Profitquellen nun über die Welt erstrecken.

Demokratie?

Egal welches Land in Südasien man betrachtet: Überall wird ein enormes, unüberbrückbares „Demokratiedefizit“ deutlich, wie KommentatorInnen sich ausdrücken. Eine Diskussion in Großbritannien darüber, dass die „Konferenz der Commonwealth-Regierungschefs“ in diesem Jahr in Sri Lanka stattfinden soll (womit dem Land zwei Jahre lang der Vorsitz der „Commonwealth“-Staaten zukommt!), führte zu Pressekommentaren, wonach das einzig demokratische Element in diesem Land das Abhalten von Wahlen sei. Laut „Reporter ohne Grenzen“ ist Sri Lanka das gefährlichste Land für JournalistInnen. Das Militär des Landes beschlagnahmt weiterhin tamilisches Land im Norden der Insel und sorgt für dessen „Besiedelung“. Der Bruder des Präsidenten, Verteidigungsminister Gotabaya Rajapakse, erklärt, dass „Menschenrecht für uns nicht gelten“.

Der Bürgerkrieg in Sri Lanka wurde von der chauvinistischen, von Vetternwirtschaft geprägten singhalesischen Diktatur Mahinda Rajapakses mit dem Tod Zehntausender TamilInnen blutig beendet. Keine der in Sri Lanka um profitable Investitionsfelder oder politischen Einfluss wetteifernden Großmächte – China und Indien – sorgt sich übermäßig über den Mangel an demokratischen Rechten in diesem Land.

Der erste zumindest Teil-Generalstreik seit vielen Jahren fand im Juni dieses Jahres statt. Das ist eine Warnung für das scheinbar allmächtige Regime. Eine Regierung, die Vertrauen in ihre Zukunft hat, hätte es nicht nötig, sich so stark auf ihre Armee, den Gebrauch von der Pressezensur oder die Verfolgung von Opposition und Minderheiten-Gruppen zu stützen.

Selbst in der „größten Demokratie der Welt“ – Indien – werden Stimmen bei Wahlen ge- und verkauft. Wenn Wahlen anstehen, gibt es von Landes- und Bundesregierungen und sogar von den Oppositionsparteien Wahlgeschenke wie Fernseher, Computer oder Handys. Landes-MinisterpräsidentInnen und ihre Günstlinge behandeln ihre Bundesländer als Lehensgüter. Das Versprechen vieler politischer Führungsfiguren, das mörderische Kasten-System aufzulösen, bleibt unerfüllt. Regierungen und Konzerne arbeiten Hand in Hand, um Stammesvölkern das kostbare Land zu entreißen (es sei denn, entschlossene Massenproteste konnten ihre Pläne zu blockieren).

Die „Zweite Welt“

Malaysia ist ein Land in Südostasien, das bisweilen als Teil der „zweiten“ und nicht mehr der „dritten“ Welt betrachtet wird. Hier leben im Wesentlichen drei ethnische Hauptgruppen. Die herrschende Regierung unter der BN, die sich auf die malaiische Mehrheit stützt, nimmt für sich in Anspruch, im Mai erneut die Wahlen gewonnen zu haben. Allerdings hat sie keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr, mit der sie zur Änderung der Verfassung in der Lage wäre.

Wegen ihrer fortwährenden Politik, die die MalaiInnen bevorzugt behandelt, haben chinesisch-stämmige WählerInnen, die ein Viertel der Bevölkerung Malaysias ausmachen, der Partei den Rücken gekehrt. Die Mehrheit der indisch-stämmigen Wählerschaft in Malaysia hat sich bislang allgemein für die oppositionelle „Pakatan Rakyat“ (Volksallianz) entschieden.

Gut einen Monat vor den letzten Wahlen kam es zu einem „warmen Regen“ an sozialen Geschenken für arme Familien im Wert von 2,6 Milliarden US-Dollar. Dem gesamten Wahlvolk wurden weitere Annehmlichkeiten zuteil. Und dennoch hat das regierende BN-Bündnis fast sicher verloren. Trotz des breiten Vorwurfs des Wahlbetrugs, beanspruchte die BN den Wahlsieg für sich. (Selbst der Auftrag für die Lieferung der Tinte für die Wahllokale zur Identifizierung der WählerInnen ging an ein Unternehmen, das einem Günstling der UMNO gehört!)

Sofort gingen wütende und radikalisierte junge Leute auf die Straße, um die Regierung für illegitim zu erklären. Einige der AnführerInnen wurden verhaftet. Der Oppositionsführer Anwar Ibrahim, der 1997 Kopf der „Reformasi“-Bewegung war, verurteilte den Wahlbetrug und forderte eine gerichtliche Untersuchung. Zu Demonstrationen gegen die erneute Amtsübernahme der Regierung rief er allerdings nicht auf. Die Jugendproteste flauten allmählich wieder ab.

In Malaysia wie anderswo in der Region ist eine neue politische Kraft nötig, um die Wut der jungen Menschen und ArbeiterInnen zu kanalisieren und daraus einen Kampf für die sozialistische Alternative zu machen. Das CWI in Malaysia hat in seiner Zeitung mit dem Titel „Arbeiter-Solidarität“ eine gründliche Liste von demokratischen Forderungen und Vorschlägen zu Löhnen, der Wohnsituation, dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit, zur Frage der Verstaatlichung von Banken und Schlüsselindustrien unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten ausgearbeitet. Diese Zeitung wird bei Demonstrationen, auf den Nacht-Märkten, vor Betrieben (darunter ebenso Banken wie Fabriken) und in Wohnvierteln angeboten.

Was kommt?

Alle Parteien werden einen ernsthaften Test durchlaufen, wenn die Volkswirtschaften in Asien von den heraufziehenden wirtschaftlichen Stürmen heimgesucht werden. Diejenigen Formationen, die beanspruchen, die ArbeiterInnen zu vertreten, die aber nicht bereit sind, gegen die Herrschaft des Kapitalismus und Imperialismus den Kampf ums Ganze zu führen, werden sich als unzulänglich erweisen. In der Hitze des Klassenkampfes werden alte Parteien zurückgewiesen werden. Für SozialistInnen in Indien, Pakistan, Malaysia und Sri Lanka aber auch in anderen Teilen der Region besteht die vorrangige Aufgabe darin, eine neue Kraft der ArbeiterInnen auf der Grundlage eines Kampfprogramms für die Arbeiterklasse zu entwickeln.

In ganz Südasien stehen bedeutende Ereignisse bevor. Das gilt nicht zuletzt für die kleineren Volkswirtschaften wie Birma, Nepal, Vietnam und Kambodscha. Alles, was bisher „sicher“ war, wird in Frage gestellt werden und dem CWI wird dabei eine enorme Verantwortung zukommen, in der gesamten Region die Kampffähigkeit der Arbeiterklasse zu entwickeln.

Wie Trotzki vor 75 Jahren im Gründungsprogramm der „Vierten Internationale“ schrieb: „Gut sind die Mittel und Methoden, die das Klassenbewusstsein der ArbeiterInnen, ihr Vertrauen auf ihre eigenen Kräfte und ihre Opferbereitschaft für den Kampf erhöhen“. Die wenigen, die heute schon die Notwendigkeit für kompromisslosen sozialistischen Wandel sehen, sind bisher gegen den Strom geschwommen. In Asien und überall sonst auf der Welt wird die Welle an massenhaften Erhebungen gegen den Kapitalismus in all seinen Erscheinungsformen „sie auf ihren Gipfel heben“, wie Trotzki schrieb.

Vom unentschlossenen und schwankenden Präsidenten Yudhoyono in Indonesien über das instabile Bündnis in Pakistan, die verbrauchte Regierung Singh in Indien, die unrechtmäßige Regierung von Najib Razak in Malaysia bis hin zur morschen Diktatur in Sri Lanka – keine dieser korrupten Cliquen in der Region vermittelt ein Bild von Stabilität. Im Gegenteil werden dir heraufziehenden Stürme dazu führen, dass sie nicht von ein oder zwei, sondern von vielen aufeinander folgenden Krisen-Regierungen abgelöst werden, bis eine Partei mit einem Programm für sozialistischen Wandel die Macht übernimmt und zum Auslöser für eine revolutionäre Welle in ganz Asien und dem Rest der Welt wird.

Mehr zum Thema: