Was droht mit Schwarz-Blau III?

von Jan Millonig

Zurecht sind viele Menschen über die Umfragewerte der FPÖ und den Vormarsch von Schwarz-Blau in den Bundesländern besorgt. Immer mehr wird klar, dass wir auf eine blau-schwarze Bundesregierung hinsteuern.

Gesamtgesellschaftlich erleben wir jedoch nicht einfach einen Rechtsruck, sondern eine (nicht geradlinige) Polarisierung. Das bedeutet, dass sich immer klarer gegensätzliche Pole bilden, wenn auch in ungleicher Geschwindigkeit. Radikalisierung in Form von Rechtsextremen auf der Straße oder Andrew Tate im Internet auf der einen Seite und steigende Wut gegen Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit, aber auch über das Versagen bei Klimaschutz und Teuerung - auch wenn der praktische Widerstand dagegen dem Vormarsch rechter Politik noch hinterherhinkt.

Der „Kulturkampf“ der Rechten gegen alles „Abnormale“ kann auch nicht unabhängig von sozialer Ungleichheit und sinkenden Lebensstandards gesehen werden. Denn das Establishment antwortet auf die sich verschärfenden Krisen und die Tatsache, dass sie keine wirklichen Lösungen gegen Inflation, Klimakrise und steigende Ungleichheit haben, mit Repression und Spaltung. Babler, KPÖ und andere Linke wären daher gut beraten, wenn sie Fragen von Rassismus und Diskriminierung nicht ignorieren oder unter dem Motto „Es gibt wichtigere Themen“ gegen soziale Forderungen ausspielen, sondern diese zentral aufgreifen und als Teil des Kampfes für soziale Gerechtigkeit sehen würden.

Denn die Vorstöße von FPÖ/ÖVP in Salzburg, NÖ und OÖ haben sehr reale soziale Auswirkungen: “Deutsch als Pausensprache in Schulen” oder “Gendern abschaffen” soll migrantischen Jugendlichen, Frauen und nicht-binären Personen nicht nur zeigen, dass ihre Lebensrealitäten nicht relevant sind, sondern schafft auch künstliche und falsche Interessengegensätze. “Gemeindewohnung nur mit Deutschkenntnissen” macht es Migrant*innen noch schwieriger, sich ein stabiles Leben aufzubauen, und soll alle anderen davon ablenken, wer eigentlich Schuld an Wohnungsnot und überteuerten Mieten hat: Immobilienkonzerne und ein Staat, der diesen freien Lauf lässt. Statt zuzugeben, dass man Frauen keine ausreichenden und kostenlosen Möglichkeiten für Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügung stellen will – eine Gesundheitsleistung, die ca. 30.000 mal im Jahr in Anspruch genommen wird –, setzt man auf Hürden (Zwangsberatung) und Tabuisierung („Aufklärung über Alternativen“).

Proteste gegen rechte Mobilisierungen, aber auch gegen Sexismus, nehmen an Bedeutung zu. Hier braucht es Organisierung, Koordination und politische Diskussionen unter den Aktivist*innen, um eine Strategie zu entwickeln, die Druck aufbauen kann. Auch in den anstehenden Arbeitskämpfen und Streiks im Sozial- und Bildungsbereich müssen wir die Benachteiligung von Migrant*innen, Frauen und LGBTQI+ ansprechen und in konkrete Forderungen fassen. Sozialistische Politik muss Kämpfe gegen alle Angriffe organisieren und die Rechte von Minderheiten, Migrant*innen, Frauen und LGBTQI+ verteidigen. Dem „Kulturkampf“ der Rechten müssen wir echte Lösungen für soziale Probleme, Rassismus und Sexismus entgegenhalten und eine sozialistische Systemalternative aufzeigen. Ein sozialistisches Programm muss aufzeigen, dass eine Gesellschaft, in der alle genug Platz und Ressourcen haben, möglich ist. Doch uns muss klar sein: Einer solchen stehen die Interessen der Reichen und Konzerne im Weg.

 

Info:

Die Beziehung zwischen ÖVP und FPÖ ist alles andere als harmonisch. Die Ausnahme bei Zugangsbeschränkungen für Wohnen in Salzburg für Migrant*innen in Mangelberufen oder der Wunsch der Industriellenvereinigung Kinderbetreuung auszubauen, um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, zeigen auch, dass der ideologische „Kulturkampf“ manchmal kurzfristigen wirtschaftlichen (Ausbeutungs-)Interessen widerspricht.

 

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