Venezuela: Gefahr von rechts, revolutionäre Massenpartei notwendig

Wolfgang Fischer

Am 17. Mai 2004 wurde auf der Ranch des Exilkubaners und rechten Oppositionellen Robert Alonso in der Nähe der Hauptstadt Caracas ein Trainingscamp und Waffenlager von Paramilitärs ausgehoben. Unter den 130 verhafteten Söldnern befanden sich Mitglieder der kolumbianischenTodesschwadronen Autonomous Self-Defence Forces (AUC), die direkte militärische Unterstützung von den USA erhält. Ziel dieser Verschwörung dürfte ein weiterer Versuch von Teilen der rechten Opposition gewesen sein, mittels gezielten Terroranschlägen die Instabilität in Venezuela zu erhöhen und die Regierung sowie Präsident Chavez zu stürzen.

US Intervention in Venezuela

Vom US-Imperialismus unterstützt hat die herrschende venezuelanische Klasse schon zweimal versucht, Chavez zu entfernen. Beide Male wurden sie durch den Druck der Massenbewegungen und der Intervention der ArbeiterInnenklasse sowie der Basis der Militärs zurückgeschlagen. Am 14. April 2002 gab es einen Putschversuch rechter (Para-)Militärs, Chavez wurde inhaftiert und ein neues US-freundliches Kabinett angelobt. Binnen weniger Stunden jedoch musste der neue Präsident dem Druck der Massen weichen, Chavez wurde wiedereingesetzt. Auch die von Managern der Ölindustrie von Dezember 2002 bis Jänner 2003 initiierten Aussperrungen der Beschäftigten wurde durch entschiedenen Widerstand der ArbeiterInnenklasse gebrochen. Zudem führt die herrschende, korrupte Klasse eine Politik der ökonomischen und politischen Sabotage, 40 Milliarden US-$ gingen dem Land durch die Aussperrungen und die nachfolgende Kapitalflucht verloren. Medienhetze der großen Privatsender und ein nun eingefordertes Referendum über die Amtsenthebung Chavez vervollständigen die Politik der rechten Opposition, der Parteien wie die rechtskonservative Partido Social-Christiano, aber auch die Accion Democratica (Sozialdemokratie) angehören.

Chavez, linker Populist ohne Programm

Gerade vor dem Hintergrund der enormen Destabilisierung der Lage im Nahen Osten gewinnt der Zugriff auf Ölvorkommen in Afrika und Lateinamerika für die US-Wirtschaft an Bedeutung. Venezuela ist ein an Rohstoffen reiches Land und der fünftgrößte Ölproduzent weltweit. Trotz dieses Reichtums hat seit Mitte der 80er Jahre neoliberale Politik unter Diktat von IWF und Weltbank einerseits zu Massenarbeitslosigkeit und Verelendung, andererseits zur Etablierung einer korrupten herrschenden Elite geführt. Chavez, im Dezember 1998 mit über 60% Zustimmung der ArbeiterInnen, verarmten Massen aber auch der Mittelschichten zum Präsident gewählt, sind dem US-Kapital und den herrschenden Eliten in Venezuela ein Dorn im Auge. Sein Kampf gegen Korruption sowie begonnene Reformen im Gesundheitsbereich, bei Bildung und Landreform reflektieren den Druck der Massen, sind aber ohne Programmatik und bewegen sich im Rahmen des Kapitalismus. Der US-Imperialismus fürchtet, dass der Druck der radikalisierten Massen Chavez Politik zu direkteren Angriffen auf die Interessen des US-Kapitals treiben und so zur Verstaatlichung weiter Teile der Industrie führen könnte. So streikten im Mai/Juni 2004 über 7.000 ArbeiterInnen von Sidor, Lateinamerikas größter Stahlindustrie, mit Forderungen nach Verstaatlichung des Betriebs.

ArbeiterInnen organisieren!

Die politische Pattstellung in Venezuela ist nicht von unbegrenzter Dauer. Werden von der ArbeiterInnenklasse (mit oder ohne Chavez) keine bewußten Schritte zur Überwindung des Kapitalismus gesetzt, ist die Gefahr einer blutigen Konterrevolution groß. Kurz nach Verhaftung der Paramilitärs Mitte Mai hat Chavez angekündigt, dass sich ausgehend von den „Bolivarianischen Zirkeln“ Frauen und Männer außerhalb der Militärs in bewaffneten Gruppen (Volksmilizen) organisieren sollen, um die Errungenschaften der sozialen Reformen zu verteidigen. Dieser Aufruf sollte mit der Bildung von ArbeiterInnenkomitees in allen Betrieben und Gewerkschaften, der organisatorischen Einbindung der einfachen SoldatInnen und der Entfernung aller rechten Militärs aus den Führungsebenen verbunden werden. Gleichzeitig müssten diese Komitees demokratische Strukturen (Rechenschaftspflicht, Wähl- und Abwählbarkeit) und direkte Teilnahme aller ArbeiterInnen und verarmten Massen beinhalten. Teile der venezuelanischen ArbeiterInnen beginnen bereits, revolutionäre und sozialistische Schlüsse zu ziehen. Eine ArbeiterInnenmassenpartei, bewaffnet mit einem sozialistischen Übergangsprogramm, dass einen schrittweise Plan zur Enteignung der Schlüsselindustrien, Banken und Medien und Überführung in gesellschaftliches Eigentum unter Selbstverwaltung der ArbeiterInnen propagiert, kann den Kampf gegen die rechte Opposition und US-Imperialismus stärken und soziale Errungenschaften ausbauen.

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