Urabstimmung bei der Post zeigt die Notwendigkeit für völlige Neuorientierung der Gewerkschaften in Österreich

Nur ein Drittel nahm Privatisierung an
Gerhard Ziegler

Trotz Streikbeschluss in den Gremien und 90-%-Zustimmung der PostlerInnen bei Befragungungen Ende 2005 für Kampfmaßnahmen war die Gewerkschaftsbürokratie nicht bereit, konkrete Maßnahmen wie Streiks zu organisieren. Offizielle Begründung: die Christgewerkschafter in der GPF (Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten) haben die Streikpläne an ihre RegierungskollegInnen verraten und die ÖGB-Führung hätte einen Poststreik nicht anerkannt, sodass kein Streikgeld bezahlt worden wäre.

Entscheidene Chance vertan

Nicht nur, dass diese Argumentation mehr als Ausrede für die Untätigkeit erscheint, wäre es dann eben notwendig gewesen, in die Offensive zu gehen und gegen die gewerkschaftsfeindlichen Methoden des FCG aber auch der ÖGB-Führung öffentlich anzukämpfen und dafür die Unterstützung der anderen Fachgewerkschaften aber auch der privatisierungskritischen Öffentlichkeit zu suchen. Die GPF-Spitze blieb jedoch letztlich ihrer Tradition der “Zusammenarbeit” treu und trat - anstatt den Kampf aufzunehmen - mit Regierung und Management in Verhandlungen um ein Sozialpaket. Dieses Paket schützt die Post in keinster Weise vor weiteren Privatisierungen (49 % werden jetzt verkauft, der Rest dann wohl nach den Nationalratswahlen im November) und zusätzlichem Arbeitsplatzabbau. Der Sozialplan wird bis 2008 verlängert, sodass bis dahin weiteres Personal “abgebaut” wird. Trotzdem frohlockt die GPF-Führung, da in der Urabstimmung vom 4. - 7. April 56 % für die Annahme des Pakets - und damit für Verzicht auf weitere Kampfmaßnahmen - gestimmt haben.

Was die Gewerkschaftsführung verschweigt

Die Gewerkschaftsführung verschweigt, dass die Belegschaft keine Alternative hatte, obwohl die Kampfbereitschaft z.B. in Oberösterreich massiv vorhanden war (Vorwärts berichtete). Warum? Angesichts einer Führung, die gezeigt hat, dass sie unter keinen Umständen bereit ist, Kampfmaßnahmen zu organisieren, bot ein “Nein”-Votum keine wirkliche Perspektive - außer seinen Protest auszudrücken. Trotzdem votierten 44 % der an der Urabstimmung Teilnehmenden  für “Nein” und für die Ergreifung sofortiger Kampfmaßnahmen. Mit 41 % blieb  fast die Hälfte der Stimmberechtigten gleich der Abstimmung fern. An allen Ecken und Enden wird - zu Recht - von der Reformnotwendigkeit im ÖGB gesprochen. Worauf es jedoch ankommt ist, die Bürokratie zu entfernen und den ÖGBzu einem demokratisch strukturierten Kampforgan der ArbeiterInnenbewegung zu beleben.
Es wäre jetzt an der Zeit, dass die linken Kräfte in der Gewerkschaftsbewegung beginnen, gemeinsam an einem Strang zum Aufbau einer klassenkämpferischen Strömung zu ziehen. Dazu finden wir unter anderen unter den  PostlerInnen, die bewußt für Kampfmaßnahmen gestimmt haben, aber auch unter denen, die sich nicht weiter verarschen lassen wollten und gleich mit den Füßen abgestimmt haben, das Potential für die notwendige Erneuerung.

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