Teil I unserer neuen Serie zur USA: Die US-ArbeiterInnenklasse in der Ära Bush

Sinkender Lebensstandard von ArbeitnehmerInnen – US-Establishment diskreditiert - Mehrheit von 69% wünscht sich einen Wechsel in der Politik.
Wolfgang Fischer

Angesichts der sich vertiefenden Krise und mittlerweile weit über 2000 getöteten US-SoldatInnen im Irak, innenpolitischer Skandale, steigender Ölpreise und stagnierendem Lebensstandard der US-ArbeiterInnenklasse ist die Unterstützung für Bush' Politik in den USA auf den historischen Tiefststand von 36% gesunken [Umfrage Gallup, 03/2006]. Das völlige Versagen der Bush-Administration nach dem Hurrikan "Katrina" im August 2005 hat die wahren kapitalistischen Profitinteressen  aufgezeigt: Kriege ums Öl zählen mehr als der Katastrophenschutz der eigenen Bevölkerung. Nur Präsident Nixon hatte in den 70er Jahren noch weniger Zustimmung - Vietnamkrieg, Wirtschaftskrise und Skandale warfen ihn aus dem Amt. Das politische Überleben von Bush liegt in der Schwäche der Opposition - auch die ‚Democratic Party' hat als ‚zweite Partei des Kapitals' keine Antworten auf die Probleme der Bevölkerung.

"Wirtschaftswunder" USA?

Das, in den letzten Jahren um die 4% liegende Wirtschaftswachstum der US-Ökonomie steht auf  tönernen Füßen, Staatshaushalt und Handelsbilanz sind schwer defizitär. Angeheizt durch Niedrigstkredite konnte der Privatkonsum den "Boom" bis jetzt am Leben halten. Eine weitere Erhöhung der Zinssätze sowie der Zusammenbruch des überbewerteten Immobilienmarktes hätte weitreichende Auswirkungen auf den Lebensstandard der amerikanischen ArbeiterInnen als auch, global gesehen auf US-orientierte Exportwirtschaften wie jene in Südostasien. Zudem fand in den letzten Jahren ein struktureller Wandel in der US-Wirtschaft statt: US-Konzerne lagerten ihre Produktion zunehmend in Billiglohnländer aus, 7 von 10 neu geschaffenen Jobs sind "McJobs" im Dienstleistungsbereich. Mehr als 60% der jungen ArbeitnehmerInnen zwischen 18 und 24 arbeiten für Konzerne wie Wal-Mart, Starbucks, MacDonalds oder Blockbuster, die Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe liegt mit 12.3% weit über dem US-Schnitt von 5.4%. Die Stundenentlohnung übersteigt selten den gesetzlichen Mindestlohn von 5.15 US-$, ein wachsender Teil ist weder sozialversichert oder hat Anspruch auf Urlaubsgeld. "Flexible" Vermittlung über Leihfirmen und "Arbeit auf Abruf" sind üblich. Aus dieser prekären Lage heraus gab es in den letzten Jahren immer wieder, teils erbittert geführte Arbeitskämpfe. In Kalifornien muss nun der Konzern Wal-Mart nach monatelangen Streiks der Beschäftigten mindestens 8% der Lohnsumme für die Krankenversicherung seiner Beschäftigten aufbringen sowie insgesamt 172 Millionen US-$ an Schadenersatz an (ehemalige) Beschäftigte für nicht-gewährte Mittagspausen zahlen.

Neokons und religiöse Rechte am Vormarsch

Das innenpolitische Herzstück der Bush-Politik ist klassisch neokonservative Flat-Tax-Politik: Steuererleichterungen für Konzerne und Superreiche werden durch Kürzungen auf allen Ebenen im Sozialsystem "kompensiert".
In den nächsten 10 Jahren sollen z.B. die Ausgaben für Medicare - ein staatlicher Zuschuss der Gesundheitsversorgung für sozial Schwache - um 60 Milliarden Dollar gesenkt werden. Seit Beginn der Präsidentschaft Bush hat die religiöse Rechte massiv an Einfluss gewonnen,  Neokonservative und christliche FundamentalistInnen haben in Justiz und Verwaltung einige einflussreiche Positionen eingenommen. Das seit 1973 in der Verfassung verankerte Recht auf Schwangerschaftsabbruch wurde 2003 durch den ‚Partial Birth Abortion Ban Act' erstmals direkt auf legislativer Ebene angegriffen, Abtreibungskliniken wurden finanzielle Mittel gestrichen. Inhalte des Schulunterrichts wurden in einigen Bundesstaaten bereits geändert, anstatt des Biologieunterrichts werden jungen Menschen nun erzreaktionäre Mythen (Schöpfungsgeschichte, ‚inteligent design') und geschlechterspezifischen Rollenverteilung eingetrichtert. Trotz der derzeitigen gesellschaftspolitischen Rückentwicklung birgt die Verschärfung der kapitalistischen Krise ein enormes Potential an Radikalisierung vor allem junger ArbeitnehmerInnen. Das Wiedererstarken der schon totgesagten Antikriegsbewegung in den USA Ende vergangenen Jahres war ein bewusstes Signal. Hunderttausende werden derzeit wieder gegen die Politik von Bush & Co. aktiv.
Fortsetzung folgt.

Zweiter Teil (Mai): Klassenkämpfe und Gewerkschaftsentwicklung

Dritter Teil (Juni): Die Rolle der US-SozialistInnen in der Anti-Kriegsbewegung

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