Streik bei „Tekel“

Von der ArbeiterInnen aus der Türkei lernen!
Resa Klabacher

Wer bisher geglaubt hat, die Menschen in der Türkei wären allesamt IslamistInnen, NationalistInnen und AnhängerInnen einer reaktionären Regierung, wird durch die jüngsten entschlossenen und solidarischen Arbeitskämpfe in der Türkei eines Besseren belehrt. Während die österreichische Tabakindustrie ohne gewerkschaftlichen Widerstand zerschlagen wurde, könnte der Kampf der TekelarbeiterInnen ein Vorbild für viele Menschen in Europa werden.

Seit Anfang des Jahres befinden sich die Beschäftigten von „Tekel“ im Streik. Sie kämpfen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu gleichen Bedingungen. Der ehemals staatseigene Betrieb, in dem Salz, alkoholische Getränke und Tabakwaren produziert werden, wurde im Zuge der Privatisierung unter der AKP-Regierung vor zwei Jahren an „British American Tobacco“ verkauft.
Die AKP (islamisch orientierte populistische Regierungspartei) hatte versprochen, die ArbeiterInnen würden zu den gleichen Bedingungen in anderen Teilen des öffentlichen Dienstes Arbeit bekommen. Dieses Versprechen wurde gebrochen. Die Schließung der letzten Tabaklagerstätten würde für die 12.000 ArbeiterInnen u.a. die Abschaffung von Kollektivvertrag, Beschäftigungsgarantie, Rentenansprüchen sowie Urlaub bedeuten. Das unter „C4“ bekannt gewordene Regierungsangebot bedeutet, zu wesentlich schlechterer Bezahlung und Rechten weiter arbeiten zu können.
Unter Losungen wie „Arbeit – Brot – Freiheit“ und „Keine Arbeit – kein Brot – dann wird es keinen Frieden geben“ wird gekämpft. Ein Höhepunkt war der Generalstreik am 4. Februar. Fünf von sechs Gewerkschaftsverbänden beteiligten sich. Insgesamt streikten zwei Millionen Menschen.
Die Regierung antwortete mit Repression. Ohne auf die Forderungen der Streikenden einzugehen wurden Ende Jänner die Tekel-Betriebsstätten geschlossen. Bei friedlichen Demonstrationen ging die Polizei mit Wasserwerfern, Schlagstöcken etc. auf die Streikenden los. Während die Gewerkschaft - statt weitere Kampfmaßnahmen zu planen - auf eine schnelle Lösung des Konflikts mit der Regierung hofft, bleiben die ArbeiterInnen weiter kämpferisch. Auch Hungerstreiks werden als Kampfmittel angewandt. Das Bewusstsein Vieler hat sich geändert.  Arbeiter aus Diyarbakir berichten:
„Von uns Arbeitern haben 70 Prozent die AKP gewählt. Die Abgeordneten haben uns ein Ehrenwort gegeben, dieses haben sie gebrochen (Anm.: Versprechen, dass Tekel Arbeiter nach der Privatisierung zu gleichen Bedingungen weiterbeschäftigt werden) und die Wut darüber ist natürlich riesig. Wir werden uns nicht weiter als Wahldepot der AKP behandeln lassen.“
Frauen und Männer, Junge und Alte, TürkInnen und KurdInnen kämpfen Schulter an Schulter und lassen jegliche Spaltungsversuche, ob von der Regierung oder von türkisch-nationalistischen Parteien, abprallen.
Vor allem die Frauen kämpfen in der ersten Reihe. Eine hungerstreikende Arbeiterin aus Izmir meint: „Wir müssen selbstverständlich weiter kämpfen. Es soll einen größeren Generalstreik geben, bei dem es diesmal nicht nur um uns Tekel-Arbeiter, sondern die gesamte Arbeiterklasse der Tükei geht...Viele von uns haben bisher Sozialisten und Kommunisten gehasst. Hier haben wir viele kennen gelernt und Solidarität erfahren. Das hat unser Bild sehr verändert...Ich bin Erdogan eigentlich dankbar dafür, dass wir diesen Kampf kämpfen müssen und dabei so viel erfahren und lernen. Und eines ist sicher: Wir werden Erdogan seine Grenzen zeigen! Es geht um unsere Menschenwürde...Das Problem ist, selbst wenn die AKP weg ist, ändert sich nichts. Das Problem ist doch dieses System. Warum sollen nicht die Arbeiter selbst die Produktion kontrollieren? Das wäre mein Traum.“
Das Komitee für eine ArbeiterInneninternationale (CWI) unterstützte von Anfang den Tekelstreik, auch direkt vor Ort. Joe Higgins (Abgeordneter der irischen CWI-Sektion) hat im EU-Parlament den Tekelstreik zur Sprache gebracht. Ende Februar besuchte eine Solidaritätsdelegation aus Österreich an der auch Michael Gehmacher von der SLP teilnahm die TekelarbeiterInnen in Ankara. In einem aktuellen Flugblatt, das Ende Februar auch in der Tekelzeltstadt in Ankara verteilt wurde, greift das CWI die Forderung nach einem 24- stündigen Generalstreik auf, schlägt die Gründung von Aktionskomitees vor und tritt für eine sozialistische Alternative zur Erdoganregierung ein. 

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