Stellungnahme zu den Vorwürfen im Umgang mit Sexismus/Übergriffen gegen die SLP

SLP-Bundesleitung, Fr 10.07.2020, aktualisiert 17.07.

In den vergangenen Tagen ist es auf Plattformen wie Instagram und Facebook zu einer Reihe von Vorwürfen gegenüber uns als SLP und unserem Umgang mit Sexismus und Übergriffen gekommen. Die Vorwürfe beziehen sich auf eine von uns Anfang Mai eingeleitete Untersuchung gegenüber einem Mitglied und die nach Abschluss der Untersuchung seitens der Bundesleitung beschlossenen Maßnahmen/Sanktionen.

 

Wir werden im Folgenden unsere Herangehensweise an den Fall skizzieren und unseren grundsätzlichen politischen Zugang erklären. 

 

Uns ist bewusst, dass das Ansprechen, Aufzeigen von sexuellen Übergriffen, Sexismus oder übergriffigem Verhalten im Kapitalismus enorm viel Mut und Kraft bedeutet. Wir nehmen es ernst und sind in diesem Verständnis an die Untersuchung herangegangen.

 

Wir bekämpfen Sexismus, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung immer und überall - auch in unseren eigenen Reihen. Wir wissen, dass wir als Teile einer Gesellschaft, in welcher Rassismus und Sexismus zur herrschenden Ideologie gehören, nicht dagegen immun sind. Umso wichtiger finden wir es, dass Antisexismus, Antirassismus und der Kampf gegen jede Unterdrückung ein integraler Bestandteil des Kampfes um eine sozialistische Gesellschaft sind. Wir weisen den Vorwurf, wir würden Sexist*innen und Rassist*innen schützen, entschieden zurück.

 

Wir haben von Anfang an, als die betroffene Person uns über die Übergriffe informiert hat, den Fall sehr ernst genommen, haben unmittelbar eine Untersuchungskommission eingerichtet, die in enger Absprache mit der betroffenen Person ein Prozedere zum Umgang vorgeschlagen und im Anschluss an die Untersuchung Maßnahmen gegenüber der beschuldigten Person der SLP-Bundesleitung zum Beschluss vorgelegt hat. 

Dazu gehörte auch ein unmittelbares Kontaktverbot - das unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe ausgesprochen wurde, bis heute und bis auf weiteres gilt -, welches mit der beschuldigten Person kommuniziert wurde. Es war uns von Beginn an wichtig, dass es der betroffenen Person möglich ist, politisch aktiv zu sein, ohne dass es zu einem Aufeinandertreffen der beteiligten Personen kommt. Die Umsetzung dieser Maßnahme hat in zwei Fällen ohne Absicht der beteiligten Personen nicht funktioniert. Das stand im Gegensatz zu unserer Intention und dies bilanzieren wir als Fehler. Die gegen uns erhobenen Vorwürfe erkennen diese Bilanz und die Tatsache, dass wir an dieser Stelle einen Fehler begangen und diesen sehen, nicht an. Wir haben deswegen das bereits beschlossene Kontaktverbot insofern erweitert, dass das beschuldigte Mitglied an keinen politischen Veranstaltungen wie Demonstrationen, Veranstaltungen anderer Organisationen etc. bis zum Ende des Jahres teilnehmen wird.  

 

Die beschlossenen Maßnahmen umfassen:

  • Wir sehen die Belastung und Traumatisierung der betroffenen Person und wollen ihr selbstredend die Möglichkeit geben, auch selbst politisch aktiv zu sein. Das beschuldigte Mitglied wird bis zu einer erstmaligen Evaluierung zum Jahresende und etwaigen Verlängerung dieser Maßnahme an keinen politischen Veranstaltungen wie Demonstrationen, Veranstaltungen anderer Organisationen etc. teilnehmen.
     

  • Zum Jahreswechsel ist eine Evaluierung der Maßnahmen mit der betroffenen Person und dem beschuldigten Mitglied geplant (in getrennten Gesprächen).
     

  • die beschuldigte Person hat eine Therapie begonnen, die Einhaltung dieser Maßnahme wird laufend überprüft
     

  • die beschuldigte Person befasst sich inhaltlich und in Auseinandersetzung mit anderen mit Fragen bezüglich der Vorwürfen/Vorfällen  Es geht uns in diesem Zusammenhang  um einen Diskussions- und Lernprozess.
     

 

Wir weisen den Vorwurf zurück, das alles sei über den Kopf der betroffenen Person hinweg entschieden und ihre Traumatisierung ignoriert worden - stets wurden die einzelnen Schritte mit dieser kommuniziert und diskutiert. Wir sind uns der Tatsache sehr bewusst, dass es für Betroffene von Übergriffen eine enorme Überwindung und Stärke braucht, Vorfälle anzusprechen. Wir sind uns auch bewusst, das Aufarbeitung ein Prozess ist im Zuge dessen sich Erwartungshaltungen und Sichtweisen ändern können.

Wir weisen auch den Vorwurf zurück, wir würden Täter*innenschutz betreiben, weil wir die beschuldigte Person nicht ausgeschlossen haben. Wir haben in anderen Fällen Personen wegen sexistischem Verhalten / Übergriffen ausgeschlossen und werden das auch zukünftig tun, sei es wegen der Schwere des Vorfalls oder z.B. wenn wir einschätzen, dass die jeweilige Person nicht genügend Bereitschaft zeigt, an sich zu arbeiten. Als Marxist*innen sind wir uns darüber im Klaren, dass Sexismus, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung auch in unseren eigenen Reihen eine Rolle spielen. Einen bewussten Umgang damit und eine zielbringende Reflexion davon - und schlussendlich eine Veränderung des Bewusstseins und des Verhaltens, ein Zurückdrängen dieser Diskriminierung - können wir nur erreichen, wenn wir auf Basis der Auffassung, dass Bewusstsein und menschliches Verhalten wandelbar und nicht starr sind, agieren. In diesem Sinne ist es enorm wichtig, neben Sanktionen und Opferschutz auch Täter*innenarbeit im Sinne von Bewusstsein schaffen, Verhalten reflektieren etc. zu leisten. Wir finden es daher (und auf Basis der Einschätzung der Vorfälle) in diesem konkreten Fall politisch falsch, wie gefordert, das Mitglied grundsätzlich von der Partei und (“für immer”) von politischer Aktivität auszuschließen. Es geht hier nicht darum, dem Beschuldigten einen Raum zur Profilierung zu bieten, im Gegenteil, es geht um Druck zum Lernprozess. Wir denken auch, dass wir Entscheidungen im Umgang mit Vorwürfen zu sexistischem und/oder übergriffigem Verhalten durch eines unserer Mitglieder von Fall zu Fall treffen und von verschiedenen Faktoren abhängig machen müssen (Einsicht, Reflexionsbereitschaft, Schwere der Vorfälle etc.). Täterarbeit ist ein Teil des Opferschutzes - denn es geht darum, Wiederholungen zu verhindern. Wir könnten uns durch einen Ausschluss leicht aus der Verantwortung stehlen, doch genau das tun wir nicht, sondern stellen uns ihr.

 

Wir stellen die Wahrnehmung der betroffenen Person nicht in Frage. Wir können und werden aufgrund der Vertraulichkeit der geführten Gespräche nicht darauf eingehen, was geschehen ist.Tatsächlich geht es in dieser Auseinandersetzung auch nicht um die Einschätzung, was passiert ist, sondern darum welche Konsequenzen gegenüber der beschuldigten Person getroffen werden sollen Wir müssen die geeigneten Mittel finden um eine Wiederholung der Vorfälle zu verhindern, darum geht es bei den beschlossenen Maßnahmen. Ein Ausschluss der beschuldigten Person aus der SLP würde dieses Ziel verfehlen. Es geht uns nie um “Strafen um der Strafe willen”, sondern um Aufarbeitung, Reflexion und Veränderung des Verhaltens. Das dabei die Traumatisierung des der betroffenen Person berücksichtigt wird  hat Priorität, deswegen wird die beschuldigte Person mindestens bis Jahresende nicht an  keinen politischen Veranstaltungen wie Demonstrationen, Veranstaltungen anderer Organisationen etc. teilnehmen.

 

Wir sind bereit, Aktivist*innen, Feminist*innen, andere linke Organisation etc. über den genauen Verlauf der Untersuchung zu informieren. Wir sind selbstverständlich auch bereit, Fehler einzugestehen und Anregungen aufzunehmen. Wir möchten aber auch klarstellen, dass wir von Anfang an mit der notwendigen Ernsthaftigkeit an die Untersuchung herangegangen sind und hinter unserer politischen Herangehensweise stehen. Wir bieten konkret an, mit uns ein Gespräch über unseren Umgang mit dem Vorfall sowie über die beschlossenen Maßnahmen zu führen, damit wir den Prozess der Untersuchung, die Einbindung der betroffenen Person, die beschlossenen Maßnahmen sowie unsere grundlegende Herangehensweise erläutern können. Wir geben jedoch zum Schutz der betroffenen Person keine detaillierten Informationen aus den vertraulich geführten Gesprächen bekannt.

Unser Gesprächsangebot geht an alle, die Interesse daran haben. Wir werden uns aber nicht via Social Media auf Diskussionen einlassen oder da jeden einzelnen Vorwurf kommentieren, solche “Diskussionen” führen nie zu sinnvollen Ergebnissen. Wenn es um eine konstruktive Diskussion im Interesse eine Klärung und Lösung geht stehen wir dafür zur Verfügung. Eine Kampagne gegen uns, die gerade versucht wird zu starten, kann unter Linken kein Ausgangspunkt für so eine Diskussion sein. Eine Klarstellung ist uns auch wichtig, weil wir als Organisation in den letzten Jahren unterschiedlichste feministische Aktionen und Veranstaltungen organisiert haben und uns dementsprechend auch in der Pflicht sehen, die vorgebrachten Vorwürfe zurückzuweisen, aber auch die Untersuchung und unseren Umgang zu erklären.

 

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