So 01.10.2000
Noch Anfang der 90er sahen viele Menschen in Serbien und Montenegro Milosevic und seine SPS als kleineres Übel zur westlich orientierten Opposition. So gewann die SPS die Wahlen 1990 und 1992. Jetzt hat sich das Blatt gewendet: “Hauptsache Wechsel - egal wohin” scheint das Motto vieler Menschen zu sein.
Trotz des momentanen Sieges der Opposition, darf nicht vergessen werden, wie unbeliebt die westlich orientierte Opposition bei weiten Teilen der Bevölkerung ist. Der Angriffskrieg der NATO ist noch lange nicht vergessen. Der Wunsch nach einem Wechsel ist ein Resultat der wirtschaftlichen Lage. Die Wirtschaftsleistung von Serbien und Montenegro ist zwischen 1990 und 1998 um 50% gesunken. Die 78 Bombentage der NATO taten ihr übriges: Eneregiesysteme, Infrastruktur, und Industriebetriebe wurden zerstört; die Wirtschaftsleistung sank erneut um 50%. Der monatliche Durchschnittslohn jener Minderheit, die noch eine Arbeit hat, beträgt ca. 60 Dollar.
Der 24.9. beschleunigt den Zerfall Jugoslawiens
In Montenegro wurden die Wahlen weitgehend boykottiert, im Kosovo beteiligte sich nur mehr die serbische Minderheit. Die kommenden von der UNO organisierten Wahlen, werden einen Sieg der albanischen Nationalisten bringen.. Die pro westliche Führung in Montenegro rund um Milo Djukanovic wird früher oder später versuchen eigene Parlamentswah-len abzuhalten oder sich die Unabhängigkeit durch eine Volksabstim-mung zu sichern. In der Vojvodina wird es zu verstärkten Autonomie - Bestrebungen kommen. In “Rest- Serbien” sind 2 Entwicklungen möglich Das bestehende Machtkartell mit seiner Koalition aus SPS, YUL und der „Serbischen Radikalen Partei“ rund um Vojislav Seselj gibt seine Macht nicht freiwillig her, sondern leistet militärischen Widerstand. Dahinter stehen Unternehmer, Direktoren ehemalige Staatsbetriebe und “Kriegs- und Embargogewinnler”. Dazu kommen noch Teile der Armee und der serbischen Polizei. Gegen diese militärische Variante spricht aber, die Tatsache, dass sich diese Clique untereinander uneinig ist.
Die wahrscheinlichere Variante ist ein “friedlicher” Übergang zu einer komplett pro westlichen Führung. Die Ankündigung einer Stichwahl zwischen Milosevic und Kostunica, seitens der staatlichen Wahlbehörde, deutet diesen taktischen Rückzug bereits an.
Welche Opposition braucht es?
Stand die alte Führung für eine kapitalistische Öffnung unter der Beteiligung einer staatlichen Elite, wird die neue Führung eine vollkommene Öffnung des serbischen Marktes, und der Industrie bringen. Ähnlich wie das bereits in Montenegro durch die Einführung der D-Mark als defakto Währung begonnen hat. Auch wenn, Kostunica selbst, nicht Mitglied der „Demokratischen Partei“ (DP) ist, der Kern des Oppositionsbündnisses wird von ihr gebildet. Schließlich ist die zentrale Leitfigur der „DP“, Zoran Djindjic, auch zentraler Wahlkampforganisator der “Opposition”. Die DP bekennt sich offen zur finanziellen Unterstützung durch den Westen; gute Beziehungen gibt es zur “Europäischen demokratischen Union” - EDU (konservative Internationale). Die Geldgeber betrachten ihr Geld aber nicht als Spenden, sondern als langfristige Investitionen, die sich einmal rechnen müssen. Diese Rechnung wird von der serbischen Bevölkerung durch eine beinharten Privatisierungskurs bezahlt werden.
Wirklicher Widerstand
Wirklicher Widerstand gegen die Armut, die kommenden Privatisierungen, aber auch gegen Nationalismus und die Unterdrückung nationaler Minderheiten, kann nur von einer neuen, linken ArbeiterInnenpartei kommen. Einer Partei die weder mit dem alten Kartell verhaftet ist, noch Ausverkauf an den Westen betreibt. Ende der 80er Anfang der 90er gab es in ganz Jugoslawien große Streikbewegungen. Viele Gewerkschaften, die damals entstanden, verstanden sich als unabhängig gegenüber dem Staat und dem Westen. Diese Strömungen sind im nationalistischen Wahn der Bürgerkriege untergegangen. Der Aufbau einer neuen Bewegung wird ein zäher Prozeß sein. In ganz Ex-Jugoslawien macht die Arbeiterinnenklasse ihre Erfahrungen mit dem Kapitalismus. Nur ein Wiederaufleben der großartigen Traditionen der jugoslawischen ArbeiterInnenbewegung garantiert einen Kampf für sozialen Fortschritt und echte Demokratie. Je früher dieses Aufleben kommt, desto besser für die Bevölkerung.