Pakistan: Brutale Staatsmacht entlud sich gegen friedlich Protestierende (Augenzeugenberichte)

Tausende verhaftet, auf den Straßen gequält, geschlagen und gedemütigt (Mittwoch, 14. November 2007)
Mitglieder des CWI-Pakistan

Das Musharraf-Regime in Pakistan hat bei ihrem schlimmsten Angriff gegen Anwälte, GewerkschaftsaktivistInnen und im Sozialbereich Aktive, den Pakistan je gesehen hat, bisher Tausende Menschen verhaftet. Dieses scharfe Vorgehen hält immer noch an, was Tausende politisch Aktive zwingt, in den Untergrund zu gehen. Hier einige Augenzeugenberichte von Protestaktionen und staatlicher Repression.

Zur Zeit hat sich Pakistan in einen Polizeistaat verwandelt. Es gibt kein Gesetz und für die Polizei und andere Behörden des Rechtsvollzugs existieren keine Moralvorstellungen. Die Polizei tut alles, um ihre Herren zufriedenzustellen. Die Gerichte nehmen keine Notiz von der nackten Gewalt, die gegen friedliche DemonstrantInnen eingesetzt wird. Sogar weibliche politsch Aktive und Anwälte sind auf den Straßen schlimm geschlagen und gedemütigt worden. JedeR, der / die gegen diese Tyrannei und Repression oponiert, wird als KriminelleR und TerroristIn behandelt.

Lahore

Minuten nach der Verhängung des Ausnahmezustands in Pakistan am 3. November durch den Generalstabschef der Armee, Pervez Musharraf, starteten die Behörden des Rechtsvollzugs im ganzen Land einschließlich Lahore einen groß angelegten Angriff. Am 4. November überfiel die Polizei in Lahore die Wohnungen vieler AktivistInnen, Anwälte, PolitikerInnen und VertreterInnen zivilgesellschaftlicher Organisationen und verhafteten über 800 Menschen. Die Polizei hatte klare Anweisungen, keinerlei Handlungen gegen den Ausnahmezustand zu tolerieren und jedeN zu verhaften, der / die möglicherweise die Stimme gegen diese Vorgangsweise erheben könnte.

Montag, der 5. November war ein absolut schlimmer Tag in Lahore, die Polizeibrutalität richtete sich gegen die Anwälte, die gegen die Verhängung des Ausnahmezustands protestierten. Etwa 3.000 Anwälte versammelten sich im Höchstgericht von Lahore und versuchten, an der Mall einen Protestzug durchzuführen. Sie wurden aber von einem starken Polizeiaufgebot gestoppt. Die Polizei verwendete Tränengas und ging mit Gummiknüppel auf sie los. Viele Anwälte wurden ernsthaft verletzt. Mehr als 1.000 Anwälte wurden verhaftet. Polizei stürmte die Anwaltskammern und das Büro der Vereinigung der Anwälte am Höchstgericht, um die Anwälte festzunehmen. Die Polizei verwendete auch im Gebäude des Höchstgerichts von Lahore starkes Tränengas und Gummiknüppel. Die Polizei schlug auch auf die Anwälte übel ein, bevor sie sie festnahmen.

Diese Brutalität konnte die Proteste und Demonstrationen in Lahore nicht stoppen. Jeden Tag schlug und demütigte die Polizei Protestierende brutal, aber immer noch strömen Menschen auf die Straße, um der Ordnung des Ausnahmezustands zu trotzen. Diese Demonstrationen sind klein, aber die Zahl der Proteste und Demonstrationen in den verschiedenen Teilen der Stadt nimmt zu. Den Menschen Pakistans widerfuhr diese Art von Brutalität und Demütigung zuletzt vor zwei Jahrzehnten bei der letzten harten Konfrontation. In den letzten zwei Tagen haben sich auch Studierende und politisch Aktive an den Protesten beteiligt. Auch JournalistInnen haben tägliche Demonstrationen begonnen. Die Polizei hat sich eine Strategie des Zum-Schweigen-bringen und Niederwälzens jeder Stimme, die sich gegen das gegenwärtige Regime erhebt, zu eigen gemacht. Das Regime hat einen eindeutigen Klassenstandpunkt eingenommen: sie schickte die normalen politisch Aktiven in die berüchtigten Gefängnisse, während die wichtigsten politischen FührerInnen, die zur herrschenden Klasse gehören, unter Hausarrest gestellt wurden, damit sie es bequemer haben. Derzeit ist die überwiegende Mehrheit der protestierenden Studierenden, MenschenrechtsaktivistInnen und politisch Aktiven aus der Mittelklasse. Die ArbeiterInnenklasse hat noch nicht wirklich an diesen Demonstrationen und Protesten teilgenommen. Der Grund ist, dass die ArbeiterInnenklasse und die Armen trotz allem nicht bereit sind, den vorhandenen politischen Führungen und Parteien zu vertrauen.

Islamabad

Trotz Festnahmen und scharfen Angriffen gegen Anwälte und politische AktivistInnen weiten sich die Proteste in Islamabad aus. Auch die Studierenden haben zwei Protestmärsche organisiert, an denen Hunderte Nicht-Studierende neben den Studierenden teilnahmen. Die bisher größte Demonstration wurde von der Pakistanischen Volkspartei (Pakistan Peoples’ Party - PPP) am 9. November organisiert. Die PPP versuchte, in Rawalpindi eine öffentliche Versammlung zu organisieren, um gegen die Verhängung des Ausnahmezustands zu protestieren. Aber die Behörden zogen die Erlaubnis zu dieser öffentlichen Versammlung wieder zurück und starteten einen scharfen Angriff gegen die PPP-AktivistInnen. Mehr als 2.500 Parteimitglieder wurden unter Schutzhaft gestellt. Es kam immer wieder zu Zusammenstößen zwischen PPP-Mitgliedern und der Polizei und das Katz- und Maus-Spielen zwischen Polizei und PPP-Mitgliedern dauerte den ganzen Tag an. Die Polizei blockierte auch alle Zufahrtsstraßen, die von der Nord-West-Grenzprovinz (NWFP - North-West Frontier Province) und von Punjab nach Islamabad führen. Tausende Sicherheitskräfte wurden in Islamabad und Rawalpindi eingesetzt, um die Proteste und Demonstrationen aufzulösen, aber es kommen immer wieder Leute zu Protestaktionen.

Karachi

In Karachi haben die Behörden eine Politik der Unterbindung jedes Protests, bevor er beginnt, gewählt. Hunderte von Anwälten, GewerkschaftsaktivistInnen und politisch Aktiven sind verhaftet worden. Die Polizei und paramilitärische Rangers lassen keinen Anwalt ohne Erlaubnis des Gerichtsbeamten auf das Gelände des Höchstgerichts von Sindh. Die Polizei attackierte Anwälte brutal in verschiedenen Distrikts-Gerichtsgebäuden, um ihren Protest zu beenden. Die Polizei ließ auch keine Demonstration und keine Protestaktion vor dem Presseclub von Karachi und am Regal Square, dem Haupttreffpunkt für Demonstrationen, zu. Es folgen weitere Verhaftungen, da die Proteste zunehmen. 18 Anwälte wurden des Landesverrats bezichtigt. Die Gerichte akzeptieren keine Kautionszahlungen für verhaftete Anwälte, politisch Aktive und GewerkschaftsaktivistInnen. Das Ausmaß an Demonstrationen und Protestaktionen ist klein aufgrund der staatlichen Brutalität und der Angst davor.

Peshawar

Anwälte und politisch Aktive setzen ihre Protestaktionen gegen das gegenwärtige Regime fort. Hunderte sind verhaftet und brutal gefoltert worden. Fast alle wichtigen FührerInnen der Anwaltsvereinigungen und politischen Parteien sind verhaftet worden und in berüchtigte Gefängnisse in der Provinz verlegt worden, wo sie weiteren Foterungen und Demütigungen ausgesetzt sind.

Doch all diese Brutalität und scharfe Attacken haben es nicht geschafft, die Proteste aufzuhalten und die Gerichte können nicht mehr störungsfrei arbeiten. Die Proteste in Peshawar und anderen Städten der NWFP gewinnen an Boden.

Multan

Mehr als 300 Anwälte und politisch Aktive wurden in Süd-Punjab hops genommen. Die Sicherheitskräfte quälten und schlugen Anwälte und politische AktivistInnen mit Knüppeln und Faustschlägen. Die Polizei zog Protestierende auf den Straßen herum und schlug sie.

Die Anwälte zwangen die Richter, die ihren Eid unter der Provisorischen Verfassunggebenden Ordnung (Provisional Constitutional Order - PCO) ablegten, ihre Gerichtsgebäude zu verlassen. Alle Oppositionsparteien organisieren tägliche Protestaktionen in Solidarität mit den Anwälten. Anwälte, politisch Aktive, NGO-AktivistInnen, JournalistInnen und Studierende haben ein Aktionskomitee gebildet, um die Massen zu mobilisieren. Dieses Aktionskomitee ruft auch die TransportarbeiterInnen und kleinen HändlerInnen auf, sich am Kampf gegen die Militärdiktatur zu beteiligen. Es gibt die Möglichkeit großer Proteste in den kommenden Tagen in Multan.

Inneres Sindh

In den ersten Tagen gab es in Sindh sehr wenig Proteste, aber jetzt hat das Ganze begonnen sich zu entwickeln. Am Samstag, 10. November ist der ganze Innere Sindh aus Protest gegen die Verhängung des Ausnahmezustands stillgestanden. Mehr als 2.000 politisch Aktive, Anwälte und GewerkschaftsaktivistInnen sind in den letzten Tagen festgenommen worden. Seitdem die PPP auf die Straße ging, sind die Proteste intensiver geworden. Die Protestbewegung in Sindh kann sich zu einer Massenbewegung entwickeln.

Die Rolle der Sozialistischen Bewegung Pakistan

Die SMP ist in die Protestaktionen und Demonstrationen im ganzen Land aktiv eingebunden. SMP-Mitglieder nehmen nicht nur an den Protestaktionen teil, sondern versuchen auch, Gewerkschaften und ArbeiterInnenorganisationen für die Proteste zu mobilisieren. SMP verbreitet auch ihre Forderungen durch ihr Material (Zeitung und Flugblätter). SMP bereitet sich auf größere Protestaktionen und Demonstrationen in den kommenden Tagen vor. Viele SMP-Mitglieder sind bei diesen Protestaktionen aufgrund der Polizeibrutalitäten verletzt worden.

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